„Wir kämpfen für die Rettung der sozialen Infrastruktur!“

Die Angebote und Dienste der Caritas Köln werden durch kommunale, Landes- oder Bundesmittel finanziert. Bei allen drei Finanzierungsquellen zeigen sich momentan Entwicklungen, die die Träger sozialer Dienste vor enorme Herausforderungen stellen: Erhebliche Kürzungen in den Haushaltsplanungen 2024 auf Landes- und Bundesebene und eine nicht-auskömmliche Refinanzierung auf kommunaler Ebene. Und dies in Zeiten, in denen Träger extremen Mehrbelastungen durch tarifbedingte Personalkostenerhöhungen und inflations- und krisenbedingt stark gestiegene Sachkosten ausgesetzt sind!

In Köln sind die Träger mit der folgenden Situation konfrontiert: Im derzeit geltenden Doppelhaushalt 2023/2024 der Stadt Köln sind die Kostensteigerungen nicht eingeplant. Sie können über den sog. Strukturförderfonds der Stadt Köln nur anteilig kompensiert werden. Auch wenn im Haushalt 2024 erneut die Mittel des Strukturförderfonds zur Verfügung stehen, reichen diese bei Weitem nicht aus, um die Kostensteigerungen im Jahr 2024 nur ansatzweise abfedern zu können. Die aktuellen Förderungen sind demnach von den tatsächlichen Kostensteigerungen entkoppelt!

Die Kombination aus Finanzierungsproblemen und gleichzeitig akuter Personalnot führt Träger und Einrichtungen in eine dramatische Lage. Zu erwarten sind die Reduzierung von Öffnungszeiten, die Schließung von Angeboten und drohende Insolvenzen. Die Situation ist fatal, insbesondere für die Bürgerinnen und Bürger, die eine stabile soziale Infrastruktur mit ihren vielfältigen Angeboten dringend benötigen und auf sie setzen!

Die derzeitige Lage ist nicht „hausgemacht“, sondern betrifft alle Träger der freien Wohlfahrt. Laut einer aktuellen Befragung der Diakonie in Nordrhein-Westfalen rechnen beispielsweise vier von fünf Trägern mit negativen Jahresergebnissen und jeder dritte Träger rechnet mit einem Liquiditätsengpass. Zudem erwarten viele Träger Angebotsreduktionen, Zahlungsunfähigkeiten bis hin zu Insolvenzen. Dazu die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (LAG FW NRW): „Die Rahmenbedingungen waren schon in der Vergangenheit selten auskömmlich, sind nun aber endgültig untragbar!“

In der Trägerlandschaft herrscht durch diese Umstände eine hohe Verunsicherung. Diese Sorge strahlt auch auf die Beschäftigten aus. Aus diesem Grund ist der Caritasverband in Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (LIGA, LAG) politisch aktiv und befindet sich in Gesprächen mit Ratsmitgliedern der Stadt Köln sowie mit Kölner Abgeordneten des Landtags und des Bundestages. Zudem beteiligt sich der Caritasverband an der Kampagne „NRW bleib sozial“ der LAG FW NRW. Im Rahmen der Kampagne hat bereits eine große Kundgebung vor dem Düsseldorfer Landtag am 19.10.2023 stattgefunden. Am 08.11.2023 hat die LIGA Köln zudem eine Mahnwache vor dem Kölner Rathaus organisiert.

Da es nach wie vor keine konkreten Entscheidungen gibt (Stand Ende November 2023), hat die LIGA eine für die Freie Wohlfahrt in Köln historische Protestaktion initiiert. Am 28. und 29.11. blieben mehr als 500 soziale Einrichtungen geschlossen. Höhepunkt der Protestaktion war eine Demonstration mit deutlich mehr als 8.000 Menschen durch die Kölner Innenstadt.

Wir setzen uns dafür ein, dass Politik und Verwaltung jetzt handeln, um soziale Angebote in Köln und Nordrhein-Westfalen zu sichern und eine qualitativ hochwertige soziale Arbeit aufrechtzuerhalten.

Peter Krücker/Caritas-Vorstand und Raphael Kösters/Vorstandsreferent

„Irgendwo“ in Afrika …

Unsere Kollegin Emily Mlosch ist Projektmanagerin im Geschäftsfeld Teilhabe. Ihren Urlaub hat sie in Tansania verbracht und besuchte vor Ort eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Sie teilt mit uns ihre Erfahrungen, zieht Prallelen zur Arbeit hier vor Ort und regt zum Nachdenken an …  

Irgendwo in Afrika …

… um genau zu sein in Arusha, einer Stadt im Nordosten von Tansania, durfte ich im Oktober eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung besuchen. „Be kind and recycle“ ist das Motto der Einrichtung „Shanga“, die mehr als 35 Menschen einen Arbeitsplatz bietet. Dort werden zum Beispiel Teppiche gewebt, Perlen aufgefädelt, Kleidungsstücke genäht und Gläser geblasen. Im Mittelpunkt steht die Kreativität und die daraus erzeugten Produkte werden im integrierten Laden verkauft. Im Prinzip so wie in unserem CariLädchen. Das Besondere: Für die Arbeiten werden bereits gebrauchte Materialien recycelt.

Zurück in Köln bin ich noch immer nachdenklich darüber, was das Team von Shanga mir in kurzer Zeit nachdrücklich vermittelt hat. Die Kunst des Nähens war es zur Belustigung einer Gruppe junger Frauen jedenfalls nicht 😊
Vielmehr habe ich verstanden, dass es keine gemeinsame Kultur oder Sprache benötigt, um an zwei nicht nur geografisch weit voneinander entfernten Orten auf der Welt die gleichen gesellschaftlichen und ökologischen Ziele zu formulieren – und sie zu leben. Dass die Menschen in Tansania bei der Umsetzung vor den größeren Herausforderungen stehen, muss ich nicht betonen.

 

Als ich mich dann heute Morgen, an meinem ersten Arbeitstag, innerlich wieder über den brummenden Berufsverkehr auf der Inneren Kanalstraße aufregte musste ich kurz innehalten und an eine Begegnung bei Shanga denken: Ein junger Mann erklärte mir auf einer spontan zwischen uns entwickelten Kommunikationsebene seine Aufgaben. Mich interessierte dann noch, wie sein täglicher Arbeitsweg aussieht. „Ein bis zwei Stunden, je nach Wetterlage – pro Fahrt. Im Rollstuhl und ohne Unterstützung“ – informierte mich sein Kollege. Er lächelte mich an und wir verglichen unsere Oberarmmuskeln. Als Reaktion auf mein verblüfftes Gesicht schob er noch „Pole, Pole“ hinterher, was auf Swahili so viel wie „immer mit der Ruhe“ bedeutet. Wir lachten.

Erklärung zu den massiven Kürzungen in der Integrationsarbeit im Bundeshaushalt 2024

Mit den von der Bundesregierung vorgesehenen Kürzungen werden Armut, soziale Ungleichheit und gesellschaftliche Konflikte auch in Köln weiter zunehmen. Der Runde Tisch für Integration lehnt dies entschieden ab. Die Wahrung der Schuldenbremse darf nicht auf Kosten des sozialen Friedens in unserer Stadt umgesetzt werden. Tim Westerholt, Leitung Leistungsbereich Integration und Beratung vertritt die Caritas Köln im “Kölner Runden Tisch für Integration e.V.”.

Zur Wahrung der sogenannten „schwarzen Null“ vollziehen sich aktuell drastische Kürzungen, bis hin zu Streichungen von teils jahrzehntelang bestehenden Programmen der Förderung und Unterstützung neu eingewanderter Menschen, die auch dramatische Folgen für die Integrationsarbeit der Stadt Köln haben. Der Kölner Runde Tisch für Integration lehnt die von der Bundesregierung bereits für 2024 vorgesehenen drastischen Kürzungen entschieden ab und bittet Sie, sich diesbezüglich als Oberbürgermeisterin einer der größten deutschen Metropolen im Städtetag sowie gegenüber der Bundesregierung gegen die Kürzungen einzusetzen.

Vollständig gestrichen werden sollen die Bildungsberatung und Förderung (und damit Hilfen zur Fachkräftegewinnung) ausländischer Studierender durch den Garantiefond Hochschule. Auch das Programm Respekt Coaches zur Rassismus- und Extremismusprävention an bundesweit über 270 Schulen soll gestrichen werden. Der Abbau demokratiefördernder Strukturen und Programme durch die Bundesregierung erscheint dabei gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Umfrageergebnisse rechtsextremer Parteien mehr als fragwürdig.

Von Kürzungen zwischen 30 und 60 Prozent ist auch die aktive Integrationsarbeit der Beratungs-programme des Jugendmigrationsdienstes (JMD), der Migrationsberatung für Erwachsene Zuwandernde (MBE), die gerade erst von der Bundesregierung aufgebaute bundesweite, behör-denunabhängige Asylverfahrensberatung (AVB), sowie das Bundesprogramm der Psychosozialen Zentren (PSZ), durch welches traumatisierte Geflüchtete eine therapeutische Unterstützung erhalten, betroffen. Weitere negative Auswirkungen sind durch die drastische Kürzung der Freiwilligendienste, sowie die Unterstützung unter 25-jähriger Bürgergeldbezieher*innen, insbesondere durch eine Reduzierung des entsprechenden Eingliederungstitels im SGB II zu befürchten.

Dies alles steht im krassen Gegensatz zur Absicht der Bundesregierung, Armut und soziale Ausgren-zung zu bekämpfen, sowie Integration und Fachkräftegewinnung zu fördern! Die vorgesehenen Kürzungen haben deutliche Einschränkungen zur Folge. Sie gefährden die qualitative Unterstützung von eingewanderten Menschen, die Begleitung und Stabilisierung ihrer sprachlichen Förderung, die Information über hiesige politische und behördliche Strukturen, die gute Vorbereitung auf die Annahme und den erfolgreichen Abschluss von Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten. Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgekosten dieses Sozialabbaus werden die beabsichtigten Einsparungen um ein Vielfaches übersteigen – auch in Köln.

Konkret sind durch die im Raum stehenden Kürzungen in Köln ca. 13 VZ-Beratungsfachkräfte betroffen.

Rechnen wir die durchschnittlichen Beratungszahlen einer Fachkraft aufs Jahr hoch, so stehen ab 2024 rund 15.000 Einzelberatung auf dem Spiel, die anderweitig aufgefangen werden müssten. Hinzu kommen die gestrichenen „Empowerment-orientierten“ Angebote der politischen Bildungsarbeit, von denen in den letzten vier Jahren über 2.000 Schüler*innen profitieren konnten.

Tim Westerholt, Leitung Leistungsbereich Integration und Beratung vertritt die Caritas Köln im Kölner Runden Tisch für Integration e.V.. Der Kölner Runde Tisch für Integration wurde 1991 gegründet. Hier kommen Menschen mit und ohne deutschen Pass, vor allem aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft, Verbänden und Initiativen zusammen, die sich um ein gutes Zusammenleben zwischen Kölnerinnen und Kölnern – einheimischen und eingewanderten – bemühen. Der Verein engagiert sich für eine solidarische und sozial gerechte Stadt, für das Recht auf Asyl und die Konvention zum Schutz von Flüchtlingen. 

 

Der Stromspar-Check in Köln: eine Bilanz

Energiekrise, Inflation und steigende Lebenshaltungskosten: die Verunsicherung vieler Bürger*innen ist groß. Seit vielen Jahren bietet der Stromspar-Check der Caritas Köln in Kooperation mit der RheinEnergie AG und der Stadt Köln Unterstützung für Kölner Haushalte mit geringem Einkommen.

Alice Rennert, Caritas Köln: „Ziel des kostenlosen Services ist es, Menschen, die z.B. Arbeitslosengeld II, Grundsicherung oder Wohngeld erhalten, für die Klimakrise und die Energiekrise zu sensibilisieren. Wir möchten den Menschen konkrete Einsparmöglichkeiten aufzeigen und neben unserer Sozialen Arbeit auch einen Beitrag zum Umweltschutz leisten.“

Die Stromspar-Checker*innen besuchen die Menschen in ihren Wohnungen und zeigen direkt vor Ort, wie durch Verhaltensveränderungen beim Heizen, Lüften oder Waschen Kosten gespart werden können. Mit den Kund*innen wird in den eigenen vier Wänden ein individueller Energiesparplan erstellt. Alle elektrischen Geräte im Haushalt werden durchgemessen, die Strom- und Wasserabrechnungen überprüft sowie Grund- und Verbrauchsdaten festgehalten. Darüber hinaus werden gratis Energie- und Wassersparartikel zur Verfügung gestellt. Außerdem können über den Stromspar-Check finanzielle Hilfen in Höhe von bis zu 400,00 Euro für die Anschaffung neuer, energiesparender Elektrogeräte beantragt werden.

Seit 2010 wurden kölnweit über 7.000 Hausbesuche durchgeführt. Der durch die Beratungen eingesparte CO2-Ausstoß beträgt seit 2010 in Köln über 16.500 Tonnen.

Möglich macht dies die gute Kooperation von RheinEnergie und der Stadt Köln als verlässliche Förderpartner und Unterstützer vor Ort, sowie dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und der Nationalen Klimaschutz Initiative im deutschlandweiten Verbund.

Dr. Florian Sevenig, stellvertretende Leitung der Koordinationsstelle Klimaschutz der Stadt Köln: „Der Stromspar-Check ist ein tolles Beispiel dafür, dass jeder und jede mit oft kleinen Maßnahmen einen Beitrag zur Senkung des CO2-Ausstoßes und somit zum Schutz unseres Klimas leisten kann. Als Stadt Köln unterstützen wir diese wertvolle Initiative, da sie ein wichtiger Baustein auf unserem gemeinsamen Weg für ein zukunftsfähiges, lebenswertes und klimaneutrales Köln ist.“

Frank Gatana, Leitung Gewerbekunden, RheinEnergie AG: „Die Energiepreise stellen eine Belastung für Haushalte dar, als öffentliches Unternehmen wollen wir dort helfen, wo Hilfe nötig ist. Der Stromspar-Check bietet praktische und konkrete Hilfen beim Energiesparen im eigenen Zuhause. Die Kooperation mit der Caritas Köln zeichnet sich durch sehr viel Flexibilität und Schnelligkeit aus. Wir haben unterschiedliche Expertisen, die sich in diesem Projekt verbinden. In Zukunft wollen wir die Beratungen auch durch RheinEnergie-Personal in den lokalen Projektbüros zu festgelegten Zeiten etablieren.“

Eine Besonderheit des Stromspar-Checks ist, dass sich auch Langzeitarbeitslose zu Stromspar-
Checker*innen qualifizieren können – somit dient der Stromspar-Check auch der
Beschäftigungsförderung.

Weitere Infos zum Stromspar-Check, der kostenlosen Energieberatung für Haushalte mit geringem Einkommen finden Sie hier: Caritasverband für die Stadt Köln e.V. | Energiekosten senken | Stromspar-Check (caritas-koeln.de)

Liebe Jina, du bist nicht gestorben ….

“Liebe Jina, du bist nicht gestorben, dein Name ist ein Code für Freiheit geworden!“ Diese Worte haben die Eltern von Jina Amini in den Gedenkstein ihrer Ruhestätte eingravieren lassen!

Am 16. September ist der Jahrestag der Ermordung von Jina Amini. Die junge Kurdin wurde vor einem Jahr von der iranischen Sittenpolizei zu Tode geprügelt, nur weil sie angeblich ihr Kopftuch nicht richtig trug. Ihre Ermordung löste im ganzen Land, insbesondere von Seiten der Frauen eine revolutionäre Bewegung aus. Zusammen mit dem Slogan „Jin Jiyan, Azadi; Frau, Leben, Freiheit“ aus der kurdischen Freiheitsbewegung wurde Jina Amini zur Symbolfigur des Protestes.

Unsere Kollegin Köstan Raasti stammt aus dem Iran. Sie selbst ist Kurdin mit einer bewegten Fluchtgeschichte und lebt seit vielen Jahren in Köln. Regelmäßig informiert sie uns über die Entwicklungen denn sie ist gut vernetzt und politisch aktiv. 

Was ist im letzten Jahr alles passiert?

Die Proteste im Iran gegen das fundamentalistische Regime gehen weiter. Anlass für den Widerstand gegen die Regierung ist der Tod der jungen Kurdin, Jina Amini, nach Verhaftung durch die iranische Sittenpolizei.

Sie wurde festgenommen, weil ihr Kopftuch angeblich zu lose saß. Die Lage hat sich nach dem Tod der jungen Frau zugespitzt. Es geht bei den Protesten schon lange nicht mehr nur um die Kopftuchpflicht, sondern um mindestens 43 Jahre der systematischen Unterdrückung. Es ist ein Teil dieses Systems, dass Frauen, ethnische, religiöse und queere Minderheiten unterdrückt werden und ihrer Rechte beschnitten werden. Die Unterdrückung der Frau ist Auslöser für die aktuelle Protestbewegung. Aber auch sozioökonomische Gründe, nicht gezahlte Gehälter und unbezahlbare Lebensmittelpreise, eine Inflation von 50 Prozent, Korruption sowie Missachtung der Menschenrechte führen zur massiven Verschlechterung der Lebensbedingungen. Auch wenn wenig Berichterstattung möglich ist, gehen die Proteste weiter. Das Regime geht weiterhin sehr brutal vor. Im letzten Jahr hat es über 20.000 Festnahmen von unschuldigen Menschen gegeben, über 600 Menschen sind seit Beginn der Proteste ermordet worden, darunter über 70 Kinder, mehrere durch Hinrichtungen. Zeitweise hat es alle 6 Stunden eine Hinrichtung gegeben.

Wie ist die Situation zur Zeit?

Am 16.09. ist der Jahrestag der Ermordung von Jina Amini. Das Regime versucht mit aller Kraft erneute Straßenproteste zu verhindern. Deswegen verhaften Regimekräfte massenhaft Aktivist*innen und sogar Angehörige von Ermordeten, die bei den Protesten im letzten Jahr gewaltsam zu Tode kamen. Das Regime hat Angst, dass gerade diese Menschen laut sein werden und für weitere Proteste mobilisieren könnten. Laut NGO Hengaw wurden allein in den letzten 5 Monaten mehr als 64 Angehörige von Getöteten und Hingerichteten verhaftet.

Die Familie von Jina Amini wird massiv unter Druck gesetzt, der Onkel wurde bereits verhaftet, der Vater vom Geheimdienst verhört. Es gab in den vergangenen Tagen erneute Festnahmen im ganzen Land. Die Revolutionsgarde hat bereits viele kurdische Städte militarisiert.

Im Staatsfernsehen der islamischen Republik werden Propaganda Videos von drei Regimegegnern aus den USA, aus UK und aus Deutschland gezeigt, die im Ausland auf Demos gegen das Regime teilgenommen haben. Sie mussten Zwangsgeständnisse abgeben. Mit solchen Videos und direkte Drohungen will das Regime die Diaspora einschüchtern, damit nicht mehr an Demos und Kundgebungen teilgenommen wird.

Aber nichts kann diese Bewegung aufhalten, weder Im Iran noch im Ausland. Die Menschen sind fest entschlossen weiterzukämpfen, bis dieses Mörder-Regime gestürzt ist.

Was berichten deine Verwandten und Freunde vor Ort?

Meine Verwandten erzählen mir, dass sie große Sorge und Angst haben, dass die Regierung es diesmal auch schafft die Revolution niederzuschlagen, sie sind aber auch voller Hoffnung und Zuversicht, dass das Terror-Regime endlich gestützt wird. Sie erzählen uns immer wieder, dass sie zwar in “Freiheit“ leben, es sich aber anfühlt als würden sie in Gefangenschaft sein und das seit über 43 Jahren.

Welche Entwicklung gab es im letzten Jahr?

Die wichtigste Entwicklung im letzten Jahr ist, dass das ganze Land vereint ist und das Ziel einheitlich ist. Wenn man bedenkt, dass der Iran ein Vielvölkerstaat mit unterschiedlichen Sprachen, Kulturen, Religionen und Ethnien ist und das Regime seit Jahrzehnten viel Angst und Schrecken verbreitet, die Bevölkerungsgruppen gegeneinander aufspielt und versucht sie zu spalten, ist das eine großartige und wichtige Entwicklung. Sie alle wollen die Abschaffung der islamischen Republik. Sie sind entschlossen und wollen keine Reformen und auch keine punktuellen Veränderungen und dafür sind sie bereit ihr Leben zu geben. Sie sagen selbst, dass die islamische Regierung ihnen die Luft zum Atmen genommen hat. Eine weitere Entwicklung ist, dass die heutige Revolution von Frauen angeführt wird. Sie rufen: Jin – Jiyan – Azadi: Frau – Leben – Freiheit! (der Slogan kommt aus der kurdischen Freiheitsbewegung). Und nicht zuletzt, sieht die ganze Welt endlich hin, was im Iran passiert.

Wie wird es weitergehen?

Die Menschen werden weiterhin für ihre Freiheit kämpfen. Die letzten Wochen hat es landesweite Streiks gegeben. Und die Regierung hat wieder brutal darauf geantwortet, es hat wieder unzählige Verhaftungen gegeben. Die einzige Lösung ist, dass die islamische Regierung gestürzt wird. Es ist wichtig, dass die Proteste weitergehen und sich im ganzen Land ausbreiten. Die Menschen dürfen nicht den Mut und die Kraft verlieren. Und wir müssen alles dafür tun, damit die Menschen im Iran gehört und gesehen werden.

Was sind deine Hoffnungen?

Meine Hoffnung/ Wunsch ist, dass dieses mörderische Regime so schnell wie möglich gestürzt wird und die Revolution ein erfolgreiches Ende, für die iranische Bevölkerung nehmen wird. Ich wünsche mir, dass wir sehr bald die Gefängnisse aufbrechen und alle Gefangenen freilassen können. Ich wünsche, dass alle Regierungsmitglieder samt ihrer Unterdrückungsapparat zur Rechenschaft gezogen werden. Sie müssen vor dem internationalen Gerichtshof für Menschenrechte für das Verbrechen an die iranische Bevölkerung verurteilt werden. Ich wünsche, dass alle Menschen unabhängig von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, Sprache, Hautfarbe sexuelle Orientierung ein selbst bestimmtes und freies Leben führen können. Ich wünsche mir ein Iran, in dem die Kurden und Belutschen und andere Minderheiten anerkannt werden. Ein Iran, in der Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit herrscht und vor allem der Staat getrennt von der Religion ist. Ich wünsche mir, dass die unschuldigen Opfer, zahlreiche Minderjährige, nicht umsonst im Kampf gegen die islamische Regierung ihr Leben geben mussten, um die Freiheit zu erlangen. Und ich hoffe, dass ich sehr bald in den Iran einreisen kann, ohne Angst und Sorge zu haben verhaftet zu werden.

Was können wir von Köln aus tun?

Die aktuellen Ereignisse im Iran sind revolutionäre Bestrebungen, die seit Jahrzehnten überfällig sind und von mutigen Frauen und Männern, die ihr Leben riskieren und die unserer Unterstützung dringend bedürfen, getragen werden. Die Menschen im Iran sollen erfahren, dass sie nicht allein sind im Kampf gegen das Regime und, dass sie weltweit Solidarität erfahren. Ebenso sollte der iranischen Regierung ein deutliches Zeichen gesetzt werden, dass die Gewalt gegen die eigene Bevölkerung nicht toleriert und klar verurteilt wird. Auch wenn der Iran geographisch nicht in unserer direkten Nachbarschaft liegt, bildet sich aktuell ein gefährliches Gegengewicht zu unseren westlichen Werten durch eine sich verstärkende Allianz von Unrechtsregimen wie Iran, Russland, China und der Türkei. Die islamische Regierung finanziert und unterstützt Terrororganisationen wie Hamas und Hisbollah und liefert Raketen und Drohnen an Russland im Ukraine-Krieg.

Es ist wichtig, als Zeichen der Solidarität mit den mutigen Menschen im Iran und weltweit den Kampf um Freiheit und Selbstbestimmung weiter zu unterstützen und der Bewegung auch in Zukunft durch Aktionen und Demos in der Öffentlichkeit Raum zu geben.

Die nächste Demo findet statt am: 16.09.2023 Beginn: 13 Uhr

Köln-Ottoplatz, Deutz-Messe-Bahnhof

 

Köln zeigt Haltung: Demo am 09.09. ab 13:30 Uhr

„Köln zeigt Haltung“
Aufruf zur Teilnahme an der Demonstration „Asylrecht statt Unrecht“ am 09.09.2023 ab 13:30 Uhr, Start am Roncalliplatz in Köln

Es ist – leider – wieder soweit: Es muss demonstriert werden!
Europa will Geflüchtete nicht mehr einreisen lassen, sondern in Lagern an den europäischen Außengrenzen deponieren oder in sogenannte „sichere Drittländer“ zurückführen. Dabei handelt es sich um Länder, die wegen der dortigen Politik eigene Landsleute in die Flucht treiben! Die Asylanträge sollen in den Lagern geprüft werden – und lediglich bestimmte Kontingente an Geflüchteten in europäische Länder aufgenommen werden.
Europa schottet sich ab und rechtsextrem anmutende „Grenzschützer“ verjagen Geflüchtete unter menschenunwürdigen Bedingungen. Misshandlungen sind dabei an der Tagesordnung – oftmals mit Mitwissen der EU-Mitgliedsstaaten.
Die europäischen Pläne bedeuten nichts anderes als eine Abkehr von den Lehren nach dem Zweiten Weltkrieg und eine Untergrabung des im Grundgesetz verankerten Asylrechts. Ausgelöst durch ihr Versagen in der Flüchtlingspolitik führten die europäischen Länder 1951 mit gutem Grund ein individuelles Asylrecht für jeden Menschen ein, der in seinem Heimatland bedroht wird. Dieses wichtige gemeinsame Abkommen, besser bekannt als „Genfer Flüchtlingskonvention“, wird nun mutmaßlich durch die Europäische Union abgeschafft.

Dagegen gilt es aufzustehen! Denn auch heute gibt es wieder Krieg in Europa und seinen Nachbarregionen. Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen – Frauen, Kinder und Männer – in haftähnlichen Lagern festgehalten und an der Aus- bzw. Einreise gehindert werden! Diskussionen über Länder wie die Türkei oder Tunesien als vermeintlich sichere Drittstaaten, ignorieren, was Geflüchtete dort erwartet, zwei Beispiele: Tunesien lässt geflüchtete Menschen in der Wüste verhungern und verdursten. Die Türkei beutet Geflüchtete als billige Arbeitskräfte aus, verweigert ihnen einen geregelten Aufenthalt oder schiebt sie einfach in ihre Herkunftsländer ab.

Setzen wir uns für unser Asylrecht ein!  Der Schutz vor politischer Verfolgung ist ein Menschenrecht! Vorurteile und Abwehr – und damit der Ausbau des Unrechts dürfen nicht gesellschaftsfähig werden! Köln ist Teil des Bündnisses der „sicheren Häfen“ und bekennt sich dazu, Geflüchtete an den europäischen Außengrenzen schnell und unbürokratisch aufnehmen zu wollen. Lasst uns verhindern, dass diese Absicht durch die Abschaffung des individuellen Rechtes auf Asyl durch die EU durchkreuzt wird.
Kommt zahlreich auf die Demo und ladet alle dazu ein. Setzen wir gemeinsam ein großes Zeichen der Solidarität mit Menschen in Not und positionieren uns gegen die europäische Abschottungspolitik! Wir sind Köln – und Köln zeigt Haltung!
„Köln zeigt Haltung“  (https://koelnzeigthaltung.org/) ist ein Bündnis Kölner Initiativen, darunter die Caritas Köln und Einzelpersonen und bezieht Stellung zur Unterstützung von Geflüchteten in herausfordernden Situationen gegenüber der Kölner Stadtgesellschaft und gegenüber Politik und Behörden.


Svenja Mattes/
Leitung Fachdienst Integration und Migration im Caritasverband Köln

Finger weg von der Integrationsarbeit!

Stabilität statt Kürzungen!

„Das gab’s in den 90ern schon einmal, aber da war es nicht so schlimm wie jetzt“, kommentierte eine Kollegin, die seit mehreren Jahrzehnten in der Caritas-Integrationsarbeit tätig ist, dieser Tage die aktuellen Kürzungsabsichten der Bundesregierung. Und tatsächlich, bereits die vollständige Aufzählung der beabsichtigten Kürzungen und Streichungen caritativer Angebote für eingewanderte Menschen ist herausfordernd:

Geplant ist ab 2024 die vollständige Streichung der Bildungsberatung und Förderung ausländischer Studierender durch den Garantiefond Hochschule. Ebenso soll das Programm Respekt Coaches zur Prävention von Rassismus und Extremismus an über 270 Schulen eingestellt werden. Angesichts der jüngsten Umfrageergebnisse rechtsextremer Parteien wirft der Abbau demokratiefördernder Strukturen und Programme durch die Bundesregierung berechtigte Fragen auf.

Die aktive Integrationsarbeit von Beratungsprogrammen wie dem Jugendmigrationsdienst (JMD), der Migrationsberatung für Erwachsene Zuwandernde (MBE), der bundesweiten unabhängigen Asylverfahrensberatung (AVB) und dem Bundesprogramm der Psychosozialen Zentren (PSZ) ist von geplanten Kürzungen zwischen 30 und 60 Prozent betroffen. Auch die Freiwilligendienste sowie die Unterstützung von unter 25-jährigen Bürgergeldbeziehern werden drastisch gekürzt, weiterhin erfolgt eine Reduzierung des Eingliederungstitels im SGB II für Langzeitarbeitslose. Die Arbeit der Caritas, so wie vieler anderer bundesweit engagierter Vereine und Initiativen wird hierdurch drastisch eingeschränkt, teils werden Vereine in ihrer gesamten Existenz bedroht.

Diese Maßnahmen stehen im Widerspruch zum verabschiedeten Koalitionsvertrag der Bundesregierung! Armut und soziale Ausgrenzung werden Resultate der Kürzungen sein, Integration und Fachkräftegewinnung werden geschwächt. Die geplanten Kürzungen haben gravierende Auswirkungen, gefährden die Unterstützung insbesondere vulnerabler Zielgruppen und beeinträchtigen ihre sprachliche Förderung, ihr Verständnis für politische und behördliche Strukturen sowie ihre Vorbereitung auf Bildungs- und Berufsmöglichkeiten.

Die sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen dieser Einschnitte werden die erhofften Einsparungen bei Weitem übersteigen – auch in Köln. Die Caritas hat in den oben genannten Programmen 2022 rund 3500 eingewanderten Menschen Unterstützung geboten, sowie rund 1500 Schüler*innen qualifizierte politische Bildungsangebote zukommen lassen – werden die im Raum stehenden Kürzungen so durchgereicht, werden es im kommenden Jahr rund 1500 Menschen – und damit 1500 Einzelschicksale, die auf Unterstützung angewiesen sind – weniger sein.

Die vorgesehenen Kürzungen der Bundesregierung werden zu einer Zunahme von Armut, sozialer Ungleichheit und gesellschaftlichen Konflikten in Köln und dem Bundesgebiet führen. Dies ist empörend und entschieden abzulehnen!

Hier geht’s zum ausführlichen Interview im Morgenmagazin

 

Queere Pflege im Alter in der Caritas Köln

Weithin sichtbar wehen Regenbogenfahnen vor den Caritas-Altenzentren in Ehrenfeld und Rodenkirchen. In diesen zwei von insgesamt sieben Pflegeeinrichtungen in Köln legt die Caritas einen besonderen Schwerpunkt auf queere Pflege. „Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung ausgegrenzt wurden oder das nicht offen leben konnten, werden im Alter oft von schmerzhaften Erinnerungen eingeholt. In unseren Altenzentren leben viele queere Menschen. Die meisten scheuen sich aber immer noch, sich gegenüber Mitbewohner*innen zu offenbaren. Sie fürchten, erneut abgelehnt zu werden.“ sagt Ulrich Schwarz, Leiter Leistungsbereich Stationäre Pflege in der Caritas. Gemeinsam mit Kolleg*innen hat er einen Leitfaden „Queere Pflege im Alter“ (Link zum Nachlesen: https://bit.ly/3PKEe3L) erstellt, in dem Standards für alle Mitarbeitenden, Bewohner*innen, Angehörige und Interessierte nachzulesen sind und das bedingungslose Eintreten der Caritas für Vielfalt beschrieben ist. Als direkte Ansprechpartner*innen gibt es in den Altenzentren Diversitäts-Beauftragte für alle Themen und Fragen der Bewohner*innen und Angehörigen.

Eines der regelmäßigen Angebote ist ein „Senioren-Stammtisch für Queere und Freunde“ mit Filmen, Disco, Kunstausstellungen und Austausch. „Queere Menschen sollen bei uns in den Pflegeeinrichtungen einen sicheren Raum finden, in dem sie ohne Angst vor Diskriminierung ihr Leben gestalten und an der Gesellschaft teilhaben können.“ so Schwarz. „Und für alle in der Stadt sichtbar, haben wir uns für Menschenrechte und Vielfalt bei der diesjährigen CSD-Parade eingesetzt.“ 170 haupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende aus der Pflege, Angehörige und Bewohner*innen der Altenzentren sind mitgegangen.

Auch Markus R. (79, Name geändert), der seit 4 Jahren im Rodenkirchener Altenzentrum St. Maternus lebt, war dabei: „Es war heiß und anstrengend, aber das waren liebe Leute, die uns zugejubelt haben. So viele Menschen habe ich noch nie gesehen.“
Er schätzt die verständnisvollen Gespräche, die er regelmäßig mit einem Mitarbeiter der Sozialen Betreuung im Altenzentrum führt. „Es tut mir gut, mit jemandem über meine Erinnerungen reden zu können. Ich muss nicht mehr verstecken, dass ich Beziehungen zu Männern hatte.“

Leonardo Martinez (89) Vorsitzender des Heimbeirats in St. Maternus begrüßt die „Queere Pflege“: „Die Regenbogenfahne, die Teilnahme am CSD, die Plakate zum Queeren Seniorenabend, all das hilft, dass sich die Menschen trauen und sich öffnen. Schließlich ist das hier ja eine Vorstufe, der Tod ist uns so nah. Da ist es wichtig, dass Wunden der Vergangenheit angesprochen werden und heilen können. Grundsätzlich funktioniert ein Zusammenleben im Altenzentrum nur mit sehr viel Toleranz, das ist für mich eine wichtige Grundlage.“

Ulrich Schwarz räumt ein, dass der eingeschlagene Weg, „Queere Pflege im Alter“, nicht allen in einem katholischen Wohlfahrtsverband wie der Caritas gefällt. „Es gibt natürlich auch konservative Menschen unter den Bewohner*innen und Mitarbeitenden, die sich bewusst für ein Haus der Caritas entschieden haben und Probleme im Umgang mit queeren Mitbewohner*innen haben. Wir haben gerade erst mit diesem Prozess angefangen, es braucht Zeit und Überzeugungsarbeit, um bei allen Verständnis zu wecken.“

Heute ist es wichtig, um gesellschaftliche Akzeptanz für „Queere Pflege im Alter“ zu werben. Das Klima wird rauer, homophobe Einstellungen und Hass-Kommentare haben nicht nur auf Social Media Konjunktur. Auch innerhalb der Kirche sorgt der Umgang mit queeren Menschen zu vielen Diskussionen und auch immer wieder für Schlagzeilen. Bereits seit vielen Jahren geht die Kölner Caritas mit ihrer offenen Haltung an die Öffentlichkeit. Die Broschüre „Wir leben Vielfalt“ (Link zur Broschüre: https://shorturl.at/ehDIU) macht eindeutig klar, dass alle Menschen als Mitarbeitende, Bewohner*innen, Klient*innen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung und Herkunft in der Caritas willkommen sind. Bei der Bewegung #Out in Church, in der sich queere Mitarbeitende für eine Kirche ohne Angst einsetzen, war die Caritas unter den Erstunterzeichnenden.

Marianne Jürgens/Leitung Öffentlichkeitsarbeit

Harald ist tot.

In Nippes war Harald (62) überall bekannt. Mit seinem Plüschtier „Bernie“ im Arm war er immer vor seiner Haustür anzutreffen.
Die Nachricht von seinem plötzlichen Tod im Krankenhaus hat seine Nachbarschaft in Nippes sehr bewegt. An seinem Wohnhaus ist eine kleine Gedenkstätte mit Blumen und Kerzen entstanden. Sogar ein Brief und eine Zigarre kleben an der Hauswand. Express und der Kölner Stadt-Anzeiger berichteten.

Auch Frank Schomaker und Roman Weyers, Leiter des Begleiteten Wohnens im Kölner Caritasverband, und seine Kolleg*innen trauern um ihn. 13 Jahre haben Schomaker und weitere Mitarbeitende Harald viermal in der Woche besucht und in lebenspraktischen Dingen unterstützt. Unzählige Gespräche gehörten dazu. Manchmal waren seine sozialen Kontakte Thema, und wie Reaktionen und alltägliche Erlebnisse richtig einzuordnen sind. Mit einer zusätzlichen Rechtlichen Betreuung des SKM zur Geldeinteilung, dem Pflegedienst und der hauswirtschaftlichen Unterstützung vom Caritasverband gelang es Harald, selbstständig in seiner eigenen Wohnung zu leben.
Auf dieses Ziel hatte er lange hingearbeitet. Vorausgegangen war eine Odyssee als Jugendlicher durch verschiedene Jugendhilfeeinrichtungen. Als Erwachsener lebte er viele Jahre im Caritas-Wohnhaus Gut Pisdorhof für Menschen mit geistiger Behinderung.

„Harald hatte Strahlkraft, er war ein absolut empathischer Mensch, der ohne Scheu auf die Menschen zugegangen ist und sie auf der Straße persönlich begrüßt hat. Manche haben sich auf ein Gespräch mit ihm eingelassen und so auch mal einen anderen Blick auf einen besonderen Menschen bekommen.“ beschreibt Schomaker seinen Klienten.

Meistens wird in der Begleitung eines Klienten nach ein paar Jahren intern gewechselt. Die Dauer von 13 Jahren, in denen Schomaker die Fachleistungsstunden bei Harald übernommen hat, sind eher die Ausnahme. „Eine professionelle Distanz zu wahren, ist wichtig, um wirklich gut helfen zu können“, sagt Schomaker. „Aber es geht ja immer um die direkte Arbeit mit Menschen, und natürlich entsteht eine Beziehung. Die Klient*innen wachsen mir und meinen Kolleg*innen auch ans Herz. Wenn jemand verstirbt, bedeutet das für uns ebenfalls Trauerarbeit und Loslassen. Haralds Tod hat mich und uns zum Nachdenken gebracht. Wir planen in unserem Team eine Abschiedsfeier für ihn“, erzählt Schomaker. „Im Caritasverband gibt es für uns Mitarbeitende den Kollegen Tim Schlotmann für Seelsorge. Mit ihm konnte ich über alles sprechen. Er wird den Abschied von Harald mitgestalten.“

Frank Schomaker (Foto links) leitet gemeinsam mit seinem Kollegen Roman Weyers (rechts) das Begleitete Wohnen (WiV) der Caritas.

Zurzeit werden 75 Personen von 18 bis rund 60 Jahre und sehr unterschiedlichem Hilfebedarf mit jeweils durchschnittlich drei Fachleistungsstunden in der Woche unterstützt. Im Team Begleitetes Wohnen arbeiten 21 Personen (Heilerziehungspfleger*innen, Sozialarbeiter*innen und studentische Mitarbeitende). Die Hilfe umfasst alltagspraktische Themen, aber auch Termine beim Amtsgericht, Begleitung zu Ärzt*innen und Gespräche zur „Psychohygiene“.
„Gemeinsam erstellen wir Hilfepläne und legen Ziele fest. Unsere Arbeit wird nie langweilig. Wie haben es schließlich mit sehr unterschiedlichen und besonderen Menschen und ihren ganz persönlichen Anliegen zu tun. Ich liebe an meiner Arbeit vor allem, dass sie so abwechslungsreich ist.“ meint Schomaker.

Weitere Informationen zum Begleiteten Wohnen der Caritas Köln gibt es unter diesem Link: https://shorturl.at/tX256

Marianne Jürgens/Leitung Öffentlichkeitsarbeit

Klimawandel als Fluchtursache

Anlässlich des Weltflüchtlingstag am 20.06. fordert Caritas Vorstand Peter Krücker, dass der Klimawandel als ernstzunehmende Fluchtursache anerkannt wird! 

“Der Klimawandel und eine fehlende globale Verteilungsgerechtigkeit sind als aktuelle Krisenszenarien nicht wegzureden, sie stellen weltweit die Fluchtursache Nr. 1 dar. Die Vereinten Nationen sind aufgefordert, Klimawandel als Fluchtursache mit in die Genfer Konventionen aufzunehmen. Ja, die europäische Asylpolitik muss tatsächlich neu aufgestellt werden, aber auf humanitärer Grundlage. Der Arbeitskräfte-Zuzug und die Aufnahme von Geflüchteten müssen verbunden nicht getrennt gesehen werden. Es darf keine Abschottung an den europäischen Außengrenzen geben. Es braucht ein konsequentes Verbot und Bestrafung von Push-Backs an den Grenzen! Es muss Schluss sein mit dem europäischen Grenzregime, das offenbar unmittelbar für Tote und Ertrunkene auf dem Mittelmeer verantwortlich ist!”

Auch der Deutsche Caritasverband und sein Hilfswerk Caritas international positionieren sich für eine rechtliche Absicherung Klimavertriebener.

„Langanhaltende Dürren, Stürme, Hitzewellen oder Dauerregen zerstören die Lebensgrundlage von Menschen weltweit. Die Auswirkungen des Klimawandels auf ihre Existenz sind so gravierend lebensbedrohlich, dass es keine Perspektive in ihrer Heimat für sie gibt. Viele sind gezwungen zu fliehen. Besonders hart trifft es die Menschen, denen auch zur Flucht die Mittel fehlen“, so Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa.

Wetterextreme werden zerstörerischer und häufiger

Rund 108 Millionen Menschen sind derzeit weltweit durch Krieg, Verfolgung, Gewalt und Menschenrechtsverletzungen auf der Flucht und damit ca. 19 Mio. Menschen mehr als ein Jahr zuvor. Diese Zahlen haben mit der Veränderung des Klimas zu tun. Weil es zu trocken und zu heiß, oder zu kalt und zu nass ist, werden natürliche Ressourcen für die in den betroffenen Regionen lebenden Menschen knapp. Fehlendes Trinkwasser und ungenügende Lebensmittelversorgung führen entweder zu Konflikten, um die wenigen verfügbaren Ressourcen und dazu, dass Menschen ihre Heimat verlassen müssen.

Klimawandel keine Fluchtursache für die Genfer Flüchtlingskonvention

Für die Genfer Flüchtlingskonvention ist die durch den Klimawandel bedingte Zerstörung der Lebensgrundlagen keine anerkannte Fluchtursache.  Es müssen dringend Instrumentarien gefunden werden, um diese Schutzlücke zu schließen. Der Sachverständigenrat für Migration und Integration hat hierzu jüngst mit dem Konzept des Klimapasses interessante Vorschläge entwickelt.

Einsatz für mehr Klimagerechtigkeit

Caritas international, das Hilfswerk des Deutschen Caritasverbandes, unterstützt weltweit Menschen, die von der Klimakrise betroffen sind. Sei es mit Maßnahmen, die Menschen helfen, sich vor Ort an die Folgen der Klimakrise anzupassen, etwa durch neue Anbaumethoden in der Landwirtschaft, sei es, dass im Rahmen von Katastrophenprävention den Menschen geholfen wird sich besser vor Fluten oder Stürmen zu schützen.

Die meisten Treibhausgase entstehen in den Industriestaaten. Aber die Folgen der klimatischen Veränderungen treffen zuerst die Menschen und Regionen, die weder durch Automobilverkehr noch durch Industrieanlagen in erwähnenswertem Umfang das Weltklima erwärmen. Wenn in den Industriestaaten fast ungebremst immer mehr fossile Energie verbraucht und Treibhausgase produziert werden, dann sollten die Industriestaaten für die weltweiten Folgen die Verantwortung tragen.

Mit jedem Jahr ohne wirksame Klimaschutz-Maßnahmen potenziert sich das Problem. Denn das CO2, das nicht eingespart wird, muss im Jahr darauf zusätzlich gespart werden. Das ist nur mit einer neuen Verkehrs-, Energie- und Industriepolitik möglich. „Wir brauchen energischere Klimaschutzmaßnahmen in einem kleiner werdenden Zeitfenster. Dafür ist international abgestimmt mehr politische Entschlossenheit notwendig, um eine nachhaltige, sozial gerechte und lebenswerte Zukunft zu sichern“, fordert Welskop-Deffaa.