Ein bisschen Frieden…

Unser Kollege Tim Westerholt leitet den Leistungsbereich Integration und Beratung im Caritas-Zentrum in Kalk. Geflüchtete Menschen, die in Deutschland ankommen, brauche Hilfe: Anträge stellen, Deutsch lernen, Arbeit finden, Schul- und Kitaplätze bekommen, selbständig wohnen, sich integrieren … Deutschland kennt viele Gesetze und kann gerade am Anfang sehr kompliziert sein. Der Fachdienst für Integration und Migration bietet direkte Hilfestellungen: das Beratungsangebot ist freiwillig, kostenlos und immer vertraulich. Tim Westerholt weiß, hinter jeder Flucht steckt ein individuelles Schicksal. So auch das von Farhad … 

Farhad U. ist 2021 aus Afghanistan geflohen. Als ehemaliger Mitarbeitender eines Subunternehmens, dass Transporte für die westlichen Militärs durchführte, blieb ihm nach deren überhasteten Rückzug und der folgenden Machtübernahme der Taliban nichts anderes übrig.

„Friede beginnt bei mir“, liest er an unserer Beratungstür und muss müde lächeln. Ich kann ihn verstehen. Wo liegt der soziale Frieden für Farhad? In den schlaflosen Nächten, voller Sorge um seine Kinder und Ehefrau, die papierlos und diskriminiert im afghanischen Nachbarland Iran leben müssen? In der Sorge, dass sein nun anderthalb Jahre andauerndes Asylverfahren vielleicht keinen guten Ausgang nehmen wird? In der Ohnmacht, nun bald drei Jahre der Lebenszeit seiner heute nicht mehr ganz so kleinen Kinder verpasst zu haben? Oder im gesellschaftlichen Druck, den er hier verspürt, weil er mitbekommen hat, dass Deutschland Geflüchteten verbieten möchte, Geld ins Ausland zu überweisen und Europa gleichzeitig seine Grenzzäune noch höher ziehen will?

Farhad erhält hier monatlich 204,00 Euro. Ja, seine Flüchtlingsunterkunft wird noch dazu finanziert und die Summe gilt als sein „persönlicher Bedarf“. 50,00 Euro überweist er hiervon jedoch monatlich an seine Familie. Weitere 50,00 Euro gehen an seinen Anwalt, der ihn im Asylverfahren unterstützt. Es bleiben ihm monatlich 104 Euro – für alles. Er redet mittlerweile nicht mehr gerne darüber, dass er seine Frau und Kinder unterstützt. Er hat das Gefühl, dies sei hier nicht gewünscht, ja, fast schon illegal.

Es gibt nur wenig friedliche Ufer auf dem sehr unruhigen Ozean von Farhads Gefühlswelt. Wenn es ihm gelingt, die Sorge um seine Familie beiseitezuschieben, so erinnern ihn die Frustration, von den NATO-Verbündeten im Stich gelassen worden zu sein, sowie die nicht verarbeiteten und traumatischen gewaltsamen Erlebnisse in Afghanistan wie an den europäischen Außengrenzen, an seine eigene innere Verwundung.

Und dennoch ist die Flüchtlingsberatung der Caritas für ihn ein Ort des seltenen Friedens.

Einer der wenigen Orte, an dem er nicht mehr misstrauisch sein muss, weil auch ihm dort nicht misstraut wird. Die inneren und äußeren Herausforderungen Farhads sind gewaltig und kaum nachzufühlen. Vielleicht sind es gerade die kleinen und wenigen Selbstverständlichkeiten, die ihn immer wieder die Beratung aufsuchen lassen: Eine zugewandte, menschliche Haltung, spürbare Parteilichkeit und unentgeltliche Hilfsbereitschaft, Empathie und ein unaufgeregtes Auffangen und Sortieren. Farhad hat begriffen, dass sozialarbeiterische Flüchtlingsberatung keine Gesetze verändern kann, keine nationalen Grenzen niederreißt und auch keine Gewähr für ein positives Asylverfahren bietet. Schön wär‘s. Aber sie ist eine Mitstreiterin und steht auf seiner Seite – nur deswegen kann sich Farhad hier öffnen. Es gibt keinen anderen Ort für ihn in Köln, wo das so ist.

Die Caritas Beratungsdienste für Eingewanderte und Geflüchtete stiften Frieden – auch denen gegenüber, die bereits in Deutschland leben. Mitten im Veedel, ob in Porz, Kalk, Meschenich, Chorweiler, also dort, wo Menschen mit Flucht- und Einwanderungsgeschichte oftmals als erstes landen, moderieren und vernetzen sie. Sie bringen Menschen in Kontakt fördern Verständnis füreinander und wirken so Hass und Ausgrenzung entgegen.

Und auch Farhad stiftet Frieden. Er hat wirklich gute Gründe für Wut und Verzweiflung und dennoch gibt es kaum jemanden, der sich mehr Frieden wünscht. Ein Viertel seines sehr geringen Einkommens fließt jeden Monat zu seiner Familie. Er versteht vieles nicht, was die Menschen heute über Geflüchtete sagen und trotzdem findet er immer noch, dass Deutschland ein gutes Land ist. Unsere Beratung hilft ein kleines bisschen dabei, dass er das auch morgen noch sagen kann. Eine humane Flüchtlingspolitik in Deutschland kann sie alleine nicht erzeugen. Dafür müssen wir alle zusammen sorgen.

Autor: Tim Westerholt

Die Lage ist ernst: Freie Wohlfahrtspflege in Gefahr

In den letzten Wochen hat der Deutsche Caritasverband auf verschiedenen Kanälen die Teilnahme an einer Umfrage der Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege (BAG FW) beworben.

Die Ergebnisse beschreiben, wie leider erwartbar, eine ernste Lage:

  1. Knapp zwei Drittel der Einrichtungen und Organisationen der Freien Wohlfahrtspflege mussten aufgrund finanzieller Schwierigkeiten in den vergangenen beiden Jahren ihre Angebote einschränken oder ganz einstellen.
  2. Mehr als drei Viertel der Befragten rechnen damit, ihre Angebote auch 2025 weiter zurückfahren zu müssen.
  3. Mehr als 70 Prozent der Einrichtungen und Organisation befürchten, dass sich die Reduzierung der Angebote negativ auf demokratisches Engagement vor Ort auswirken wird.

Zur Pressemitteilung :https://www.bagfw.de/veroeffentlichungen/pressemitteilungen/detail/angebote-von-wohlfahrtsverbaenden-mussten-vielfach-schon-eingeschraenkt-oder-ganz-eingestellt-werden

Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa äußert sich dazu wie folgt:

„Kitas und Sozialstationen, Schuldnerberatungsstellen und Familienzentren – mit diesen Angeboten spannt die Freie Wohlfahrtspflege im sozialen Nahraum ein Netz, das trägt. Es trägt Menschen, die von Schicksalsschlägen gebeutelt sind, die arm sind, krank oder einsam. Einsparungen in Stadt, Land und Bund reißen Löcher in dieses Netz. Da wo die Kürzungen digitale Angebote wie die Online-Beratung betreffen, werden neben der analogen Nachbarschaft auch virtuelle Begegnungsräume zerstört. Wir alle spüren, wie groß die Herausforderungen auf allen Ebenen – nicht nur im Bereich des Bundeshaushaltes  – sind. Gerade auch in den Landes- und Kommunalhaushalten werden Einsparungen vorgenommen. Umso wichtiger sind unsere gemeinsamen Anstrengungen. Im föderalen Staat gilt beides: die Schuldenlast entsteht auf allen Ebenen und die Sicherung der sozialen Infrastruktur ist ein Gemeinschaftsprojekt.“

Jahresempfang der Fachverbände “Frieden beginnt bei mir.”

Am  24. Mai haben der Caritasverband Köln und die Fachverbände IN VIA Köln, KJA Köln, Malteser Köln, SkF Köln und SKM Köln Vertreter*innen aus Politik und Verwaltung, Kirche und Stadtgesellschaft zum jährlichen Jahresempfang in den Garten der Religionen von IN VIA Köln (Stolzestr. 1a, 50674 Köln) eingeladen.

Wie wertvoll und wichtig die Arbeit der Caritas Köln und der Fachverbände ist und wie sie mit ihren zahlreichen Projekten und Angeboten Frieden stiften und soziale Gerechtigkeit schaffen, erläuterten Stadtdechant Msgr. Kleine, Andrea Redding als Vorstandssprecherin IN VIA Köln und Bürgermeister Dr. Ralf Heinen. Die Rede zum Schwerpunktthema hielt Vorstandssprecher der Caritas Köln Peter Krücker.

 

Sehr geehrter Monsignore Kleine, sehr geehrter Herr Bürgermeister Dr. Ralf Heinen, liebe Geschäftsführende und Vorstände der Caritas-Fachverbände, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste,

auch ich möchte Sie und Euch ganz herzlich zum diesjährigen Jahresempfang der Kölner Caritas und ihrer Fachverbände SKM, SkF, IN VIA, KJA und Malteser Hilfsdienst begrüßen.

Wir feiern unseren Jahresempfang auch dieses Jahr traditionell im Garten der Religionen. Das Streben nach Frieden steht im Zentrum aller Weltreligionen. Wir befinden uns also heute an einem ausdrücklich friedvollen Ort. „Frieden beginnt bei mir“ lautet auch die Botschaft der diesjährigen Jahreskampagne des Deutschen Caritasverbandes.

Beim Thema Frieden empfinde ich eine tiefe persönliche Verbundenheit. Die Arbeit für Frieden in der Gesellschaft und in der Welt ist für mich in meinem beruflichen und privaten Leben immer wegweisend gewesen: Ende der 1950er Jahre geboren, wurde ich vor allem durch die Friedensbewegung politisch sozialisiert. Den Wehrdienst habe ich aus fester Überzeugung verweigert und war zudem über Jahre ehrenamtlich als Berater und Beisitzer für Kriegsdienstverweigerer engagiert. Anstelle des Wehrdienstes habe ich Zivildienst – oder soll ich besser sagen Friedensdienst – an einer Schule für geistig Behinderte der Stadt Köln geleistet. Die positiven Erfahrungen meines zivilen Dienstes am Menschen waren entscheidend für meinen weiteren Lebensweg. Wollte ich nach meiner Ausbildung und dem Fachabitur ursprünglich noch Design studieren, so habe ich mich letztlich für ein Studium der Sozialen Arbeit entschieden. Ohne meine Friedensüberzeugung würde ich wahrscheinlich hier heute nicht stehen.

Frieden beginnt bei mir: Was tut die Caritas vor Ort für den Frieden?

Als Caritas teilen wir die Vorstellung einer offenen, demokratischen, rechtsstaatlichen und solidarischen Gesellschaft, in der jeder Mensch ein Recht auf ein menschenwürdiges Leben hat. Wir sehen unsere Aufgabe darin, den Menschen unabhängig von Herkunft, Status, Geschlecht, sexueller Identität, Alter, Leistung, Religion oder anderer Merkmale mit Liebe und Achtung zu begegnen. Immer und überall.

Damit positionieren wir uns ausdrücklich gegen alle populistischen, nationalistischen, rassistischen und anti-demokratischen Strömungen, die die Spaltung und Verunsicherung der Gesellschaft vorantreiben und das friedliche Zusammenleben gefährden.

Frieden wird aber auch in unserer täglichen Arbeit vor Ort in Köln erfahrbar: Nämlich dann, wenn wir Vorurteile überwinden, uns für demokratische Werte und Gerechtigkeit einsetzen, den Dialog mit Menschen suchen, ihnen Ängste nehmen und Brücken bauen. Wir zeigen auf, dass es auch für schwierige Problemlagen immer Lösungen gibt und dass diese Wege nicht darin bestehen, andere als Sündenbock zu verurteilen oder Hass zu schüren.

Mit unserer Arbeit sind wir nah bei den hilfesuchenden Menschen und ihren Nöten.

Wir können dabei helfen, dass soziale Problemlagen überwunden werden. Die Problemlagen im Kölner Stadtgebiet sind vielfältig, komplex und miteinander verschränkt. Im Verbund der Caritas und seiner Fachverbände sind wir in der Lage, diesen Herausforderungen mit sozialer Arbeit angemessen zu begegnen.

Ich möchte Ihnen ausgewählte Beispiele für unsere Zielgruppen und Tätigkeitsschwerpunkte vorstellen:

  • Beginnen wir mit dem SKM, der mit der Arche für Obdachlose in Mülheim eine komplett Spenden-finanzierte Pop-Up-Kontakt- und Beratungsstelle für arme Menschen betreibt. Die Arche ist ein Anlaufpunkt für wohnungslose Menschen – und zwar unabhängig von etwaiger Leistungsberechtigung – am Bergischen Ring in unmittelbarer Nähe zum Wiener Platz. Hier erhalten Menschen ein warmes Mittagessen, können duschen, eine Kleiderkammer nutzen und genießen kostenlose ärztliche Betreuung. Die Arche für Obdachlose befriedet damit auch aktiv das Umfeld am Wiener Platz.
  • Von Mülheim geht es in den Norden von Chorweiler: Bei dem Familienhaus in Chorweiler-Nord des SkF handelt es sich um ein niedrigschwellig zugängliches Angebot für Familien mitten im Sozialraum.

Im Mittelpunkt stehen Familien, die bei der Bewältigung von Erziehungsaufgaben gefördert werden. Familienhäuser zeichnen sich durch einen infrastrukturell angelegten Zugang zu unbürokratischen und frühzeitigen Unterstützungsangeboten aus. In diesem Umfeld treffen Kölner Familien aus unterschiedlichen Kulturen aufeinander, Eltern und Kinder erfahren lebensnahe Unterstützung. Das Lernen über- und voneinander und die Erfahrung von Unterstützung schaffen hier die Basis für ein friedvolles Miteinander. Innerhalb von Familien – aber auch darüber hinaus in unserer Gesamtgesellschaft!

  • Die Radstation von IN VIA. Hierüber wird Langzeitarbeitslosen die Möglichkeit geboten, wieder am Erwerbsleben teilzunehmen, ihrer Ausgrenzung wird aktiv begegnet. Zugleich wird durch die Angebote Fahrradparken, Fahrradverleih und Werkstatt ein Beitrag dazu geleistet, dass Köln fahrradfreundlicher und damit auch klimafreundlicher wird. Ganz gemäß dem Motto der letztjährigen Jahreskampagne der Caritas: „Für Klimaschutz, der allen nutzt!“. Ohne sozial gerechten Klimaschutz keine soziale Sicherheit und damit kein sozialer Frieden!
  • In den Jugendbüros der KJA wird arbeitslosen oder von Arbeitslosigkeit bedrohten jungen Menschen Unterstützung bei der Suche nach Ausbildung oder Arbeit geboten. Ziele ihrer Arbeit sind die schulische, persönliche und soziale Stabilisierung sowie die langfristige Eingliederung in Arbeit, Beruf und Gesellschaft. Es wird hier also der Grundstein dafür gelegt, ein Teil unserer Gesellschaft zu werden und zu bleiben. Sich selbst als Teil der Gesellschaft zu erleben, ist ein wichtiger Baustein für unser friedliches Zusammenleben!
  • Werfen wir einen Blick auf eine besondere Zielgruppe, die Gruppe von Menschen ohne Krankenversicherung. Komplett über Stiftungsgelder und Spenden finanziert übernimmt die MMM, also die „Malteser Medizin für Menschen ohne Krankenversicherung“, seit 19 Jahren in Köln die Betreuung dieser Zielgruppe. Jeder bekommt dort die medizinische Behandlung, die gebraucht wird. Unabhängig von Krankenversicherung oder Kosten.

Diese medizinische Grundversorgung unterstützt bei der Heilung von Krankheiten, begegnet Behinderungen und arbeitet aktiv an der Verwirklichung der Menschenwürde dieser Menschen. Allein im Jahr 2023 wurden dort insgesamt 2.387 Behandlungen durchgeführt.

  • In der Erziehungsberatung des Caritasverbands werden Familien begleitet und beraten, die ihre familiären Krisen nicht ohne Hilfe bewältigen können. Starke familiäre Konflikte vor allem in Bezug auf Eltern und ihre Kinder in Trennungssituationen werden bearbeitet, manchmal sogar gelöst, damit Kinder in Frieden aufwachsen können – auch wenn Eltern streiten.

Sie sehen: Unser Verbund trägt im gesamten Stadtgebiet in vielfältiger Weise zur Befriedung gesellschaftlicher Problemlagen und Herausforderungen bei. In unsicheren und verunsichernden Zeiten zeichnet uns dabei insbesondere Verlässlichkeit aus:

Wir stehen verlässlich an der Seite der Menschen in Not, wir bieten verlässliche und qualitativ hochwertige Strukturen und Angebote. Wir verhalten uns verlässlich fair gegenüber Kund*innen und Finanzierern unserer Arbeit.

Um weiterhin ein verlässlicher Partner sein und unseren Beitrag zum sozialen Frieden in Köln leisten zu können, benötigt es aber dringend eine gesicherte Finanzierung unserer Arbeit. Dafür setzen wir uns lautstark ein! Seit dem zweiten Halbjahr 2023 haben wir als Teil der Freien Wohlfahrt unsere Anliegen so laut und so konsequent wie nie auf die Straße gebracht – unter dem Motto „Köln bleib sozial“ bzw. „NRW bleib sozial“.

Zum Hintergrund: Wir haben mit tarif- und krisenbedingt drastisch gestiegenen Personal- und Sachkosten zu kämpfen, denen keine kostendeckende Refinanzierung der öffentlichen Hand gegenübersteht. Und es geht noch weiter: In Teilen sind die freien Träger von erfolgten oder geplanten Kürzungen der öffentlichen Hand betroffen. Wir fungieren damit als „Ausfallbürge“ der mauen Lage öffentlicher Kassen.

Im Oktober demonstrierten wir gemeinsam mit 25.000 Menschen vor dem Düsseldorfer Landtag. Im November standen an zwei Tagen die Räder in Kölner Einrichtungen der Freien Wohlfahrt still. Mit kreativen Aktionen und einer Demonstration mit über 8.000 Menschen haben wir auf die finanzielle Not unserer Dienste und Einrichtungen aufmerksam gemacht und demonstrierten gemeinsam mit Eltern und Klient*innen.

Klar ist: Die Angebote der freien Träger müssen weiterhin kostendeckend refinanziert werden, ansonsten drohen Schließungen auf breiter Ebene. Die Träger der freien Wohlfahrt haben keine Tresore, keine „Sparschweine“, um Finanzierungslücken zu schließen. Und es geht uns hier nicht um die Befriedigung von Eigeninteressen: Die Ungleichbehandlung öffentlicher und freier Träger gefährdet den sozialen Frieden und unser soziales System insgesamt und trägt damit zur Spaltung der Gesellschaft bei.

Ein Teilerfolg wie die Fortsetzung des sogenannten Strukturförderfonds in Köln konnte durch unser Engagement erzielt werden. Hierbei handelt es sich jedoch in der Tat nur um eine Teilkompensation unserer enormen Kostensteigerungen. Gerade bei der Aufstellung des kommunalen Doppelhaushalts 2025/2026 wird seitens des Kölner Rats nun darüber entschieden werden müssen, ob Köln eine soziale Stadt bleibt. Klar sollte dabei sein, dass die bereits defizitäre Refinanzierung keinen zusätzlichen Eigenanteil der freien Träger zulässt.

Über finanzielle Streitpunkte hinaus bietet die Caritas einen Raum, um sich aktiv für eine demokratische und friedvolle Gesellschaft einzusetzen. Ich möchte ein jüngeres Beispiel aus unserem sozialpolitischen und anwaltschaftlichem Engagement im Bereich der Asylpolitik vorbringen. Die Diskussion um die Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete.

Die Bezahlkarte ist eines der aktuellen Beispiele dafür, wie in einer aufgeheizten gesellschaftlichen Stimmung zweifelhafte Signale gesendet werden, die Ressentiments in der Bevölkerung weiter befeuern und den sozialen Frieden gefährden.

  • Mit dem Ziel der Abschreckung sollen Geflüchtete nicht mehr selbst bestimmen können, was und wo sie wieviel bezahlen wollen.
  • Die damit einhergehenden örtlichen und sachlichen Beschränkungen sind massive und diskriminierende Eingriffe in die Handlungsfreiheit und die Würde der Betroffenen.
  • Die Bezahlkarte basiert auf Beweggründen, die falsch und widerlegbar sind. Ein Beispiel: Eine Bezahlkarte wird Menschen in Bedrohungs- und Notsituationen nicht davon abhalten, nach Deutschland zu kommen. Menschen fliehen vor Krieg und Verfolgung in ihren Heimatländern und nicht wegen der deutschen Sozialleistungen.

Gemeinsam mit einem breiten Bündnis von Organisationen hat die Caritas vor diesem Hintergrund die Kölner Kampagne „Selbstbestimmung statt Bezahlkarte“ aufgesetzt. Uns ist viel daran gelegen, dass die Stadt Köln weiterhin an ihrem migrationsfreundlichen Klima arbeitet, von dem sie seit Jahren profitiert. Weil dieses Klima Integration schafft, ein Aufeinanderzugehen schafft, Frieden schafft.

Was ich an dieser Stelle verdeutlichen will: Mit unserem politischen Engagement senden wir als Caritas immer ein wichtiges Signal: Frieden beginnt immer bei uns selbst. Es liegt in unserer Hand. Der demokratische Weg wird von uns selbst gestaltet und täglich vorgelebt.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, dies ist heute meine letzte Rede im Rahmen des Caritas-Jahresempfangs. Es dürfte kein Geheimnis mehr sein, dass ich zum 30.09.2024 aus dem aktiven Dienst der Caritas ausscheide. Mein Nachfolger, Markus Peters, ist dank seiner sozialpolitischen Expertise und Erfahrung seit vielen Jahren bestens vertraut mit allen sozialen und sozialpolitischen Themen, die uns in Köln bewegen.

Ich wünsche ihm schon heute viel Erfolg und eine gute Hand in der weiteren Entwicklung der Caritas als erfolgreiche und friedensstiftende Wohlfahrtsorganisation.

Abschließend ein organisatorischer Hinweis zu unserer Fotoaktion. Sie haben sicherlich schon die Wäscheleine mit den Porträtfotos zur Jahreskampagne entdeckt. Falls sie vorab noch kein Foto erstellt haben, können Sie heute hier vor Ort eins von unserem Öffentlichkeitsarbeit-Team erstellen lassen. Am Ende der Veranstaltung können Sie Ihr Foto gerne mit nach Hause nehmen und an den Spiegel hängen. Zudem ist auch ein Spiegel mit dem Kampagnenaufkleber aufgestellt. Hier können Sie selbst ein Foto erstellen und in die Online-Plattform der Caritas hochladen. Beteiligen Sie sich gerne an dieser tollen Aktion!

Liebe Gäste, ich möchte mich bei Ihnen allen bedanken. Für ihre Zusammenarbeit mit der Caritas und ihren Fachverbänden. Und dafür, dass auch Sie – jede und jeder auf ihre bzw. seine Art – tagtäglich etwas dazu beitragen, das Zusammenleben in unserer Stadt friedvoll zu gestalten. Frieden beginnt bei mir, Frieden beginnt bei Dir, Frieden beginnt mit uns allen. Fangen wir‘s an und machen wir weiter…… 

Vielen herzlichen Dank!

Einen statt spalten

Caritas steht fest zur Demokratie: 
„Münsteraner Erklärung“ zum Tag des Grundgesetzes: Bekenntnis zu Pluralität, Dialog und Toleranz

Mit einer „Münsteraner Erklärung“ zum 75. Geburtstag des Grundgesetzes (23. Mai) ruft die Caritas in NRW zum Zusammenhalt der Gesellschaft und zu innerem Frieden als Grundlage für das Miteinander in einem offenen, demokratischen Staat auf: 

Die Caritas hat sich seit ihrer Gründung fest an den grundlegenden Menschenrechten orientiert: Wir stellen die Menschen in den Mittelpunkt. Unser Anliegen ist das Wohler-gehen aller Menschen in körperlicher, geistiger, seelischer und materieller Hinsicht. Wir sehen es als einen unserer zentralen Aufträge an, uns für Nächstenliebe, Demokratie, Respekt, Vielfalt und Toleranz einzusetzen und uns gegen rechtsextreme Tendenzen zu positionieren, die insbesondere für Ausgrenzung, Rassismus, Antisemitismus und einen völkischen Nationalismus stehen.
Als christliche Organisation bekennen wir uns zur Pluralität und Vielfalt als Stärke der Gesellschaft, respektieren unterschiedliche Meinungen, Überzeugungen und Lebens-weisen und fördern den Dialog und die Toleranz zwischen verschiedenen Kulturen, Religionen und Identitäten.

Schutz der Menschenwürde
Ein zentraler Wert, der unsere Arbeit prägt, ist der im Grundgesetz an erster Stelle be-nannte Schutz der Menschenwürde. Wir machen uns stark für die Einhaltung der Grundrechte, setzen uns für die Universalität persönlicher Freiheits- und Schutzrechte für alle Menschen ein. Dabei respektieren wir die Einzigartigkeit und den Wert eines je-den Menschen, unabhängig von der Herkunft,

dem sozialen Status oder den Lebens-umständen. Diese Anerkennung der Menschenwürde bildet die Grundlage für unseren Verband sowie unsere Aktivitäten und Programme, sei es in der Arbeit mit und für Kin-der, Jugendliche, alte Menschen, kranke Menschen, armutsbetroffene Menschen, Menschen mit Behinderung oder Geflüchtete.

Solidarität und soziale Gerechtigkeit
Ein weiterer essenzieller Wert ist die Solidarität. Als Caritas verstehen wir uns als Teil einer globalen Gemeinschaft, in der jedes Mitglied Verantwortung für das Wohl anderer trägt. Dies spiegelt sich auch im Engagement der zahlreichen Ehrenamtlichen wider, die uns in unserer Arbeit unterstützen und tragen. Solidarität bedeutet, dass wir uns ak-tiv für die Bedürfnisse anderer einsetzen, soziale Ungerechtigkeiten bekämpfen und da-ran arbeiten, die Lebensbedingungen für alle zu verbessern. Wir setzen uns dafür ein, dass das Existenzrecht Einzelner in der solidarischen Gesellschaft nicht von ihren kör-perlichen und geistigen Fähigkeiten oder ihrer Leistung abhängig ist. Alle Menschen sind wertvoll und haben Platz in der Gesellschaft, schutzbedürftigen Menschen muss der erforderliche Schutz gegeben werden.

Zusammenhalt der Gesellschaft
Wir machen uns stark für den Zusammenhalt der Gesellschaft und den inneren Frieden als Grundlage für das Miteinander in einem offenen, demokratischen Staat. Unser Ziel ist es, ein respektvolles und gewaltfreies Miteinander zu schaffen, in dem sich alle hier lebenden Menschen wohl und zugehörig fühlen. Daher engagieren wir uns für den Dia-log zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen, institutionellen und religiösen Gruppen. Dazu gehört auch die Integration von zugewanderten Menschen. Integration ist für uns nicht nur eine Aufgabe der hier ankommenden Menschen, auch die Ankom-mensgesellschaft muss mit Offenheit und Aufgeschlossenheit und der Schaffung von Räumen für alle Menschen ihren Teil dazu beitragen. Von einer möglichst schnellen und nachhaltigen Integration profitieren nicht nur die Menschen, die zu uns kommen, sondern die gesamte Gesellschaft.

Gerechtigkeit und Chancen

Großen Wert legen wir auch auf Gerechtigkeit und Fairness. Wir setzen uns dafür ein, dass jeder Mensch die gleichen Chancen und Möglichkeiten hat, sein volles Potenzial selbstbestimmt zu entfalten und den gleichen Zugang zu Bildung hat. Dies bedeutet, Ungleichheiten abzubauen, Barrieren zu überwinden und strukturelle Veränderungen anzustoßen, um eine gerechtere Gesellschaft zu schaffen.

Demokratie ist Fundament für Freiheit, Gleichheit und Partizipation
Neben diesen zentralen Werten stehen die demokratischen Grundwerte im Mittelpunkt unserer Arbeit. Als Organisation bekennen wir uns zur Demokratie als einem fundamentalen Prinzip der Freiheit, Gleichheit und Partizipation. Demokratie bedeutet für uns, dass alle Menschen das Recht haben, ihre Meinung frei zu äußern, an Entscheidungsprozessen teilzunehmen und ihre Interessen zu vertreten. Wir stärken demokratische Prinzipien in allen Bereichen unserer Arbeit, sei es in der internen Organisation, der Zusammenarbeit mit Parteien oder der Interaktion mit der Gesellschaft. Dies bedeutet, dass wir die Eigenkräfte der Menschen stärken, ihre Selbstständigkeit sowie Beteiligung fördern und uns gegenüber der Politik und Gesellschaft anwaltschaftlich für unsere Klientinnen und Klienten einsetzen.

Rechtsstaatlichkeit
Ein weiterer wichtiger Aspekt der demokratischen Grundwerte ist für uns die Achtung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten. Rechtsstaatlichkeit bedeutet für uns, das Recht des Staates zu respektieren. Gewalt ist kein zulässiges Mittel, um demokra-tisch legitimierte Entscheidungen zu stoppen oder rückgängig zu machen. Wir setzen uns dafür ein, dass die Rechte aller Menschen geschützt werden und stellen uns Diskriminierungen und Benachteiligungen entgegen. Das Recht auf Leben, Freiheit, Gleichheit

und Gerechtigkeit für alle ist für uns in der Caritas nicht verhandelbar.

Insgesamt setzen wir uns dafür ein, eine Welt zu schaffen, in der jeder Mensch in Würde leben kann, frei von Armut, Ungerechtigkeit und Ausgrenzung. Wir schätzen und stützen die Freiheiten unserer Demokratie, insbesondere die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit. Durch unsere tägliche Arbeit und unser Engagement tragen wir als Caritas dazu bei, diese Vision zu verwirklichen.
Als Caritas sind wir mit unserem Engagement nicht allein. Wir brauchen eine breite demokratische Mobilisierung, wir müssen stärker denn je als Demokratinnen und Demokraten zusammenstehen. Es kommt auf jeden Einzelnen an, sich in der Demokratie und für sie zu engagieren und die Welt zu einem besseren Ort für alle zu machen.

Münsteraner Erklärung zum 75. Geburtstag des Grundgesetzes: 23. Mai 2024

Herausgegeben von:
Caritasverband für das Bistum Aachen
Caritasverband für das Bistum Essen
Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln
Caritasverband für die Diözese Münster
Caritasverband für das Erzbistum Paderborn

 

Jugendbüro Meschenich gerettet!!!

Lange mussten wir Zittern!!!

Im November hieß es: 6 von 12 Kölner Jugendbüros sollen geschlossen werden, u.a. das Jugendbüro der Caritas am Kölnberg – die Verbleibenden in ihrem Angebot gekürzt. Die Maßnahme ‚Kölner Jugendbüros‘ wird im Auftrag des Jobcenters durchgeführt und bildet ein wichtiges Bindeglied zwischen Jugendlichen / jungen Erwachsenen und den händeringend nach Azubis oder Arbeitskräften suchenden Betrieben. Hoffnung brachte die jüngste Haushaltsbereinigungssitzung, Anfang Dezember. Dort wurde beschlossen, dass der Etat doch nicht wie erwartet reduziert werden soll. Die Entscheidung musste aber noch vom Bundesrat bestätigt werden. Jetzt endlich (am 18.12.) kam die erlösende Nachricht, dass alle Kölner Jugendbüros geretten werden können, z.T. mit 70% statt 100% Auslastung. Nach wochenlangem Hin & Her muss sich diese frohe Kunde erstmal bei allen Beteiligten setzen. 

 

Ein Kommentar von Gernot Schroer, Mitarbeiter Jugendbüro Kölnberg

Ausgerechnet in Zeiten des Fachkräftemangels sollte genau diese wichtige Schnittstellenarbeit der unklaren Finanzierungssituation zum Opfer fallen. Unverständlich und nicht nachvollziehbar. Denn: für das Jobcenter rechnet sich die Maßnahme, fallen doch alle vermittelten Teilnehmer entweder teilweise oder sogar ganz aus dem Leistungsbezug heraus. Und aus Sicht der Teilnehmenden geht es bei der Berufswahl und -entscheidung nicht nur um Geld, sondern auch um individuelle Perspektive und Persönlichkeitsentwicklung.

Zudem arbeiten alle Jugendbüros in den sogenannten sozialen Brennpunkten der Stadt und leisten damit eine wichtige Stadtteilarbeit im Kampf gegen Jugendarbeits- und -perspektivlosigkeit.

So auch das Jugendbüro am Kölnberg in Meschenich. Ursprünglich als Jugendbüro Südstadt im Jugendzentrum GOT Elsaßstraße verortet, dann für kurze Zeit am Waidmarkt, ist es auf ausdrücklichen Wunsch des Jobcenters 2018 an den Kölnberg umgezogen. Vor dem Hintergrund des Bedarfs am Kölnberg durchaus verständlich und mit dem Vorteil des kurzen Weges für die Teilnehmenden verbunden. Eint doch alle Meschenicher Jugendlichen das Problem des weiten Anfahrtsweges, egal wohin es in die Stadt geht – und gerade auch – wenn dann endlich gefunden – zum Ausbildungs- oder Arbeitsplatz.

Die unterstützende Beratung der Jugendbüros ist immer Hilfe zur Selbsthilfe. Die Beratung dient der Verselbstständigung des/der Einzelnen. Konkret: Bewerbungsunterlagen werden erstellt oder optimiert, die später nur aktualisiert werden müssen. Notwendige Ressourcen (Laptop, Internetzugang, Scanner, Kopierer u.a.m.,) werden vom Büro gestellt. In Trainings werden die Teilnehmer gezielt auf Einstellungstests, Vorstellungsgespräche oder / und Assessment-Center vorbereitet. Weiß jemand noch gar nicht, wohin die Reise gehen soll, gehört die individuelle Berufsorientierung zum festen Bestandteil der Beratungstätigkeit. Für andere Problematiken übernimmt das Jugendbüro Lotsenfunktion und vermittelt an passende Beratungsstellen.

Vor diesem vielschichtigen Hintergrund hätte eine Schließung von Jugendbüros sozial wie auch rechnerisch keinen Sinn gemacht, zusätzlich wäre ein wichtiger Bestandteil des sozialen Lebens verloren gegangen.

Köln bleib sozial!

 

Köln zeigt Haltung – Es geht um unsere Demokratie!

Gastbeitrag von Susanne Rabe-Rahman, Leitung Perspektivberatung für Flüchtlinge

„Köln zeigt Haltung!“ Und es geht gar nicht um die Frage, ob Karneval im Sommer oder Winter gefeiert wird, es geht nicht um die Frage, wie lange das mit den Fahrradwegen oder dem Aufbau der historischen Mitte noch dauert… Nein, es geht um unsere Demokratie. Richtig gelesen: Es geht um unsere Demokratie!

Ja, es geht auch um unsere Verfassung, die nicht nur eine Versammlungsfreiheit garantiert, sondern auch die Würde eines jeden Menschen als unantastbar festgestellt hat, die ein Menschenrecht auf Asyl beschreibt, die Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates gestellt hat! Angesichts der Not und des Todes vieler Flüchtlinge auf dem Mittelmeer, der Abschottung der EU ohne Rücksicht auf den Verlust jedweder Menschlichkeit, der zunehmenden rechtsextremen Ausschreitungen gegenüber Geflüchteten und gläubigen Muslimen oder Juden in Deutschland, der zunehmenden Kriminalisierung von Flüchtlingshelfer*innen, der weiterhin bestehenden Ausgrenzung von Roma, der Verschärfung der Abschiebungspraxis für Menschen aus Afghanistan (obwohl UNHCR aktuell festgestellt hat, dass es keine innerstaatliche Fluchtalternative und Sicherheit im dortigen Land mehr gibt) – angesichts der Tatsache, dass selbst der Leiter des Amtes für Verfassungsschutz unsere Verfassung nicht mehr zu schützen gewillt zu sein scheint – gehen wir auf die Straße! Weiterlesen

Wer darf und wer darf nicht? Das ist hier die Frage.

Bei kaum einem Thema schienen in den letzten Tagen, Wochen und Monaten die Verhandlungspartner(innen) weiter auseinanderzuliegen und die parteipolitischen bis ideologischen Gräben unüberbrückbarer zu sein als beim Thema Flüchtlinge und Familiennachzug. Und dann ging es doch auf einmal ganz schnell. Quasi über Nacht kam die Einigung. Den Gesichtern auf beiden Seiten sah man die Erleichterung an, wenigstens schon mal einen der gordischen Koalitionsknoten zerschnitten zu haben. Ja, denn am Ende wurde auch dieser wie schon sein historischer Vorgänger nicht entwirrt, sondern in einem Kraftakt mit einem Schwerthieb zerschnitten: ohne Rücksicht auf Verluste, ohne Bedenken der Konsequenzen, ohne Blick darauf, was dies für menschliche Schicksale bedeutet.

An dieser Stelle Galileo Galilei zu zitieren mit dem triumphierenden bis stoisch beharrenden und ihm zugeschriebenen Ausruf „Und sie bewegt sich doch!“ wäre zu viel gesagt. Für die Verhandlungsführer(innen), deren parteiliches und persönliches Schicksal mit dem erfolgreichen (Nach-)Verhandeln bei den Koalitionsgesprächen und der mahnenden bis selbstauferlegten Verpflichtung Neuwahlen zu vermeiden, um noch Schlimmeres zu verhindern, mag mit Sicherheit eine große Last von den Schultern gefallen sein. Gut, offen bleibt, was die nach wie vor im freien Fall befindliche SPD, mehr noch ihre Basis, dazu sagen wird. Und ja, ein Kompromiss kennt immer zwei Sieger und lässt in diesem Fall allen drei Parteien (CDU, CSU und SPD) das Gesicht wahren. Geschenkt. Am Ende bleibt es aber das, was es ist: Ein Minimal-Schmalkonsens, den der Bundestag durch seine zwischenzeitliche Beschlussfassung legitimiert hat.

Und es gibt sie doch, die Verlierer. Weiterlesen

Weihnachten kommt. Weihnachten kommt?

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Weihnachten kommt in diesem Jahr so schnell…
Wir sind doch noch nicht fertig!? Baustellen überall…
Ob das unsere bundespolitische Baustelle „Regierungsbildung“ ist, ob es die Baustelle „Europa: Sein oder nicht sein?“ ist, oder die Baustelle „Menschenrecht auf Asyl“: Die Regierungen haben Schwierigkeiten, den Platz für Menschlichkeit zwischen Grenzzäunen und Lagern oder Gesetzen und Richtlinien einzubauen und aufrecht zu erhalten. Antwort: Ja, das kommt noch… Aber erst später, im Moment ist anderes wichtig! Wir wollen zuerst das Rechte (!?) tun…

Noch wackelt alles – oder es wird so statisch, dass menschliches Leben keine Rolle mehr spielt bzw. spielen kann. Vielleicht mauern wir einfach alles zu, so doch auch die Idee für den Ebertplatz. Dann haben wir jedenfalls keine Probleme mehr…
Köln ist sowieso Baustelle. Bietet Köln Raum? Für wen oder was? Und wie lange dauert das? Und wenn es dann fertig ist – hält das auch? Wir haben eine schnelllebige Zeit und Materialien werden scheinbar auch schneller alt. Der Bezirk Kalk unterscheidet sich da nicht. Die Baustellen an der Hauptstraße oder auf dem Fabrikgelände, oder im nächsten Jahr im Caritas-Zentrum Kalk… Weiterlesen

Die Arbeit der Caritas Libanon

Im Rahmen der aktuellen Projektreise von Caritas international in den Libanon gab es in den letzten beiden Tagen die Möglichkeit, in einen engeren fachlichen Austausch mit den Kolleg(inn)en der libanesischen Caritas zu treten.

Einen ersten Überblick zu Struktur und Arbeitsfeldern, politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Voraussetzungen und Bedingungen, unter denen die Caritas im Libanon arbeitet, erläuterte deren Präsident Father Paul Karam. Seit der Syrien-Krise hat sich die Zusammensetzung der Bevölkerung deutlich verändert. Neben 4 Mio. Libanesen leben etwa 2 Mio. syrische und 500 000 palästinensische Flüchtlinge im Libanon. Hinzukommen noch einmal etwa 400 000 Arbeitsmigranten vornehmlich aus Bangladesch, Sri Lanka oder den Philippinnen sowie 17 000 Iraker. Eine Situation, die den Libanon vor enormen Herausforderungen stellt und gesellschaftliche Spannungen schafft. Sowohl die Situation der mehr als 60 Jahre im Libanon lebenden palästinensischen Flüchtlinge als auch der Arbeitsmigranten, bei denen es sich überwiegend um junge Frauen handelt, die als Haushaltsangestellte arbeiten – weitestgehend ohne rechtlichen Schutz und dem Wohl und Wehe ihrer Arbeitgeber ausgesetzt – sind jeweils ein eigenes Kapitel für sich.

Syrien hatte seit jeher prägenden Einfluss auf die Geschichte Libanons, vor allem während des 15 Jahre währenden libanesischen Bürgerkriegs, der 1990 zu Ende ging und in der folgenden Zeit der syrischen Besetzung bis 2005. Eingegrenzt auf der einen Seite von Syrien, mit dem sich der Libanon 80 Prozent seiner Grenze teilt und auf der anderen Seite von Israel, ist der Libanon im Vergleich zu den anderen Golfstaaten, die versuchen in dieser Region ihren Einfluss geltend zu machen, eine parlamentarische Demokratie. Dennoch kommt es zu Verletzungen der Menschenrechte und staatlichen Eingriffen in demokratische Freiheiten.

Die Basis der parlamentarischen Demokratie bildet ein Konfessionsproporz. Der libanesische Staatspräsident ist stets ein maronitischer Christ, der Premierminister sunnitischer Moslem und der Parlamentspräsident schiitischer Moslem. Die Verfassung kennt 18 anerkannte Religionsgemeinschaften. Jede von ihnen hat ihre eigene Gerichtsbarkeit. Dies wirkt sich insbesondere auf die Rolle der Frauen aus. Zwar haben Frauen in Libanon mehr Rechte und Möglichkeiten als in den vielen anderen arabischen Staaten der Region. Ihr Status ist aufgrund der multikonfessionellen Zusammensetzung der libanesischen Gesellschaft jedoch nicht einheitlich. Personenstandsangelegenheiten wie Heirat, Scheidung, Eigentums- und Erbangelegenheiten fallen in die rechtliche Zuständigkeit der 18 anerkannten Religionsgemeinschaften, deren Regelungen Frauen besonders benachteiligen können. Heiratet z.B. eine Christin einen Suniten, so bestimmt sich die Religionszugehörigkeit des gemeinsamen Kindes grundsätzlich nach dem Vater. Hinzukommt, dass nur Libanese sein kann, der von einem libanesischen Vater abstammt.

Eine große Herausforderung für das kleine Land stellt die große Zahl syrischer Flüchtlinge dar. Beim UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR sind mehr als 1 Mio. Flüchtlinge registriert bei 4 Mio. Einwohner(inne)n. Zwischenzeitlich wird deren Anzahl auf 2 Mio. geschätzt. 2015 stoppte die libanesische Regierung der Zugang syrischer Flüchtlinge, indem sie die Registrierung durch die UNHCR nicht mehr anerkannte. Trotzdem kommen weiterhin Flüchtlinge aus Syrien. Da ihnen kein offizieller Status als Flüchtling mehr zuerkannt wird, sind sie mehr oder weniger illegal im Land und haben keine Möglichkeit einen legalen Aufenthalt zu erwerben. Obwohl sie da sind, gibt es sie seitens des Staates nicht. Das ist vor allem schwierig für die Situation der Kinder syrischer Flüchtlinge, insbesondere diejenigen, die erst im Libanon zur Welt gekommen sind. Sie können in Syrien nicht registriert werden und im Libanon ebenfalls nicht. Somit sind sie staatenlos. Dies betrifft etwa 70 000 bis 90 000 Kinder syrischer Eltern.

Die Caritas unterstützt die syrischen Flüchtlinge durch zahlreiche medizinische, psychosoziale, therapeutische sowie Bildungsprogramme. Da es seitens der libanesischen Regierung nicht vorgesehen ist, dass die syrischen Flüchtlinge sich im Libanon integrieren und dauerhaft bleiben, sondern die Hoffnung auf ein Ende des Krieges in Syrien beruht und die Rückkehr aller Flüchtlinge in ihre Heimat, zielen die Angebote der Caritas darauf, die syrischen Flüchtlinge in ihren Fähigkeiten so zu stärken und zu stabilisieren, dass sie diese Fähigkeiten bei der Rückkehr in ihre Heimat mitnehmen können und dort nutzbringend anwenden können.

Der Libanon, so die Befürchtungen der Bevölkerung, droht angesichts der Auswirkungen der syrischen Krise unterzugehen. Insbesondere die Christen verlieren, ändert sich durch die Flüchtlinge die Anzahl der Muslimen. Die kath. Kirche hat sich frühzeitig im Rahmen der Vergabe von internationalen und nationalen Programmen dafür eingesetzt, dass die libanesische Bevölkerung nicht vergessen wird, während sich alle Hilfe und Unterstützung auf die syrischen Flüchtlinge konzentriert, die alle Hilfe und Unterstützung kostenlos erhalten, während die ärmer werdende libanesische Bevölkerung kaum noch Möglichkeiten hat, sich die soziale und medizinische Versorgung leisten zu können. So setzte sich die Caritas Libanon erfolgreich dafür ein, dass von den Programmen 70 Prozent für syrische Flüchtlinge und 30 Prozent für die libanesische Bevölkerung, die zunehmend an Armut leidet, eingesetzt werden können.

Nach der Theorie der vergangenen Tage, geht es für den Rest des Aufenthalts nun in die Praxis. Die deutsche Gruppe hat die Möglichkeit sich über die Arbeit der Caritas Libanon in einer Abschiebehaft für illegale Migrant(inn)en sowie Flüchtlinge ohne Papiere, einer Suppenküche für ältere und besonders bedürftige libanesische Familien, einem Caritas-Zentrum mit einer Selbsthilfe-Initiative für Frauen, die dort ein kleines Einkommen erwirtschaften, einer Schule zur Nachmittagsbetreuung und einer Schule für Kinder mit Behinderung, einer informelle Zelt- bzw. Flüchtlingssiedlung, einer Notunterkunft, einem Frauenhaus sowie einem medizinischen Zentrum zu informieren.

Kölner Landtagskandidat(inn)en diskutierten zu Betreuung, Bildung und Integration

Was sind uns unsere Kinder wert? Zu dieser Frage diskutierten gestern im Domforum Serap Güler (CDU), Jochen Ott (SPD), Yvonne Gebauer (FDP), Sven Lehmann (Grüne) und Carolin Butterwegge (Linke). Die Kölner Landtagskandidat(inn)en waren der Einladung von Katholischem Bildungswerk, Caritas für Köln, Stadtdekanat und Katholikenausschuss gefolgt.

In der Beantwortung der Frage nach dem Wert unserer Kinder waren sich die Politiker(innen) durchaus einig. Notwendige finanzielle Investitionen in Schule, Kinderbetreuung und Offener Ganztag sind erforderlich und stehen bei allen Parteien auf der Agenda für die kommende Wahlperiode. Nur bei der Frage wie das Ziel zu erreichen ist, welcher Weg zu gehen ist, welche Instrumente einzusetzen sind und in welcher Zeit, hörte die Harmonie auf.

Partiell zeigten sich aber auch durchaus Ansätze für neue politische Koalitionen. Doch spätestens bei der Frage nach der Bewertung der Landespolitik in den vergangenen fünf Jahren sind die Positionen klar: rot-grüne Verteidigung und durchaus vorhandene Einsichtsfähigkeit in Fehler auf der einen, schwarz-gelbe Kritik und Versagenshinweise auf der anderen Seite. So kam den Linken ein wenig die Rolle des lachenden Dritten zu. Eine Wahlperiode Abwesenheit aus dem Landtag lässt einen in der Bewertung wohl gelassener werden und pragmatisch den Blick nach vorne richten.

Lebhaft war es auf dem Podium und die insgesamt zweistündige Veranstaltung kurzweilig. Die Politiker(innen) hatten sich und dem Publikum Einiges zu sagen. Spätestens die Diskussion zur Schulpolitik, nach Versäumnissen der Vergangenheit und Erfordernissen für die Zukunft, brachte das Blut es einen oder der anderen Politiker(in) durchaus zum Wallen.

Auch wenn es im Wesentlichen mit Blick auf die Kölner Situation um die Frage der Gestaltung der Landespolitik und deren Verantwortung ging, klang immer auch wieder die Frage nach der Verantwortung und den Gestaltungsmöglichkeiten von Kommune und Bund an. Dass die Diskussion pointiert erfolgte, lag an der ungeschönten Zustandsbeschreibung, die von den Veranstaltern in Thesenpapieren vorgetragen und mit klaren Forderungen untersetzt waren und maßgeblich auch an der zugespitzten Art des Moderators.

Eine Frage aus dem Publikum brachte die Politiker(innen), die zwar wahlweise Steuersenkungen ablehnten, insgesamt jedoch mehr Geld für das System Schule, Kinderbetreuung und Offener Ganztag sahen, ein wenig aus dem Takt, in welchen Politikfeldern Sparpotenziale gesehen werden; eine Frage, die im Wahlkampf offensichtlich nicht ganz einfach zu beantworten ist.

Ein Feedback, wie sich die Politiker(innen) geschlagen haben, gab es am Ende auch noch. Über eine App hatten die Besucher(innen) die Möglichkeit, vor Beginn der Diskussion und im Anschluss ihr Votum für eine Partei abzugeben. Und siehe da; das Ergebnis differierte. Es gab an diesem Abend in der Wahrnehmung der Besucher(innen) Gewinner und Verlierer sowie Wechselwähler(innen).

Der Wahlkampf geht noch 9 Tage. Solange besteht noch die Möglichkeit, sich sachkundig zu machen, welche Partei ich mit meiner Stimme bewusst unterstützen will. Diese Frage ist jedem Einzelnen und jeder Einzelnen überlassen. Mein Wunsch ist, dass sich die Wähler(innen) in NRW, wie auch immer sie entscheiden, eine Partei oder ein Bündnis unterstützen, das  fest auf dem Boden des Grundgesetzes und damit der freiheitlich-demokratischen Werteordnung steht; das nicht mit Emotionen und den Ängsten der Bevölkerung spielt und einen Flächenbrand setzt, das bereit und willens ist, Politik in NRW im Interesse aller hier lebenden Menschen zu gestalten. Politik ist nicht nur Prioritätensetzung. Politik bedeutet Mut und Wille zur Gestaltung. Politik heißt Verantwortung.