Ein bisschen Frieden…

Unser Kollege Tim Westerholt leitet den Leistungsbereich Integration und Beratung im Caritas-Zentrum in Kalk. Geflüchtete Menschen, die in Deutschland ankommen, brauche Hilfe: Anträge stellen, Deutsch lernen, Arbeit finden, Schul- und Kitaplätze bekommen, selbständig wohnen, sich integrieren … Deutschland kennt viele Gesetze und kann gerade am Anfang sehr kompliziert sein. Der Fachdienst für Integration und Migration bietet direkte Hilfestellungen: das Beratungsangebot ist freiwillig, kostenlos und immer vertraulich. Tim Westerholt weiß, hinter jeder Flucht steckt ein individuelles Schicksal. So auch das von Farhad … 

Farhad U. ist 2021 aus Afghanistan geflohen. Als ehemaliger Mitarbeitender eines Subunternehmens, dass Transporte für die westlichen Militärs durchführte, blieb ihm nach deren überhasteten Rückzug und der folgenden Machtübernahme der Taliban nichts anderes übrig.

„Friede beginnt bei mir“, liest er an unserer Beratungstür und muss müde lächeln. Ich kann ihn verstehen. Wo liegt der soziale Frieden für Farhad? In den schlaflosen Nächten, voller Sorge um seine Kinder und Ehefrau, die papierlos und diskriminiert im afghanischen Nachbarland Iran leben müssen? In der Sorge, dass sein nun anderthalb Jahre andauerndes Asylverfahren vielleicht keinen guten Ausgang nehmen wird? In der Ohnmacht, nun bald drei Jahre der Lebenszeit seiner heute nicht mehr ganz so kleinen Kinder verpasst zu haben? Oder im gesellschaftlichen Druck, den er hier verspürt, weil er mitbekommen hat, dass Deutschland Geflüchteten verbieten möchte, Geld ins Ausland zu überweisen und Europa gleichzeitig seine Grenzzäune noch höher ziehen will?

Farhad erhält hier monatlich 204,00 Euro. Ja, seine Flüchtlingsunterkunft wird noch dazu finanziert und die Summe gilt als sein „persönlicher Bedarf“. 50,00 Euro überweist er hiervon jedoch monatlich an seine Familie. Weitere 50,00 Euro gehen an seinen Anwalt, der ihn im Asylverfahren unterstützt. Es bleiben ihm monatlich 104 Euro – für alles. Er redet mittlerweile nicht mehr gerne darüber, dass er seine Frau und Kinder unterstützt. Er hat das Gefühl, dies sei hier nicht gewünscht, ja, fast schon illegal.

Es gibt nur wenig friedliche Ufer auf dem sehr unruhigen Ozean von Farhads Gefühlswelt. Wenn es ihm gelingt, die Sorge um seine Familie beiseitezuschieben, so erinnern ihn die Frustration, von den NATO-Verbündeten im Stich gelassen worden zu sein, sowie die nicht verarbeiteten und traumatischen gewaltsamen Erlebnisse in Afghanistan wie an den europäischen Außengrenzen, an seine eigene innere Verwundung.

Und dennoch ist die Flüchtlingsberatung der Caritas für ihn ein Ort des seltenen Friedens.

Einer der wenigen Orte, an dem er nicht mehr misstrauisch sein muss, weil auch ihm dort nicht misstraut wird. Die inneren und äußeren Herausforderungen Farhads sind gewaltig und kaum nachzufühlen. Vielleicht sind es gerade die kleinen und wenigen Selbstverständlichkeiten, die ihn immer wieder die Beratung aufsuchen lassen: Eine zugewandte, menschliche Haltung, spürbare Parteilichkeit und unentgeltliche Hilfsbereitschaft, Empathie und ein unaufgeregtes Auffangen und Sortieren. Farhad hat begriffen, dass sozialarbeiterische Flüchtlingsberatung keine Gesetze verändern kann, keine nationalen Grenzen niederreißt und auch keine Gewähr für ein positives Asylverfahren bietet. Schön wär‘s. Aber sie ist eine Mitstreiterin und steht auf seiner Seite – nur deswegen kann sich Farhad hier öffnen. Es gibt keinen anderen Ort für ihn in Köln, wo das so ist.

Die Caritas Beratungsdienste für Eingewanderte und Geflüchtete stiften Frieden – auch denen gegenüber, die bereits in Deutschland leben. Mitten im Veedel, ob in Porz, Kalk, Meschenich, Chorweiler, also dort, wo Menschen mit Flucht- und Einwanderungsgeschichte oftmals als erstes landen, moderieren und vernetzen sie. Sie bringen Menschen in Kontakt fördern Verständnis füreinander und wirken so Hass und Ausgrenzung entgegen.

Und auch Farhad stiftet Frieden. Er hat wirklich gute Gründe für Wut und Verzweiflung und dennoch gibt es kaum jemanden, der sich mehr Frieden wünscht. Ein Viertel seines sehr geringen Einkommens fließt jeden Monat zu seiner Familie. Er versteht vieles nicht, was die Menschen heute über Geflüchtete sagen und trotzdem findet er immer noch, dass Deutschland ein gutes Land ist. Unsere Beratung hilft ein kleines bisschen dabei, dass er das auch morgen noch sagen kann. Eine humane Flüchtlingspolitik in Deutschland kann sie alleine nicht erzeugen. Dafür müssen wir alle zusammen sorgen.

Autor: Tim Westerholt

Die Lage ist ernst: Freie Wohlfahrtspflege in Gefahr

In den letzten Wochen hat der Deutsche Caritasverband auf verschiedenen Kanälen die Teilnahme an einer Umfrage der Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege (BAG FW) beworben.

Die Ergebnisse beschreiben, wie leider erwartbar, eine ernste Lage:

  1. Knapp zwei Drittel der Einrichtungen und Organisationen der Freien Wohlfahrtspflege mussten aufgrund finanzieller Schwierigkeiten in den vergangenen beiden Jahren ihre Angebote einschränken oder ganz einstellen.
  2. Mehr als drei Viertel der Befragten rechnen damit, ihre Angebote auch 2025 weiter zurückfahren zu müssen.
  3. Mehr als 70 Prozent der Einrichtungen und Organisation befürchten, dass sich die Reduzierung der Angebote negativ auf demokratisches Engagement vor Ort auswirken wird.

Zur Pressemitteilung :https://www.bagfw.de/veroeffentlichungen/pressemitteilungen/detail/angebote-von-wohlfahrtsverbaenden-mussten-vielfach-schon-eingeschraenkt-oder-ganz-eingestellt-werden

Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa äußert sich dazu wie folgt:

„Kitas und Sozialstationen, Schuldnerberatungsstellen und Familienzentren – mit diesen Angeboten spannt die Freie Wohlfahrtspflege im sozialen Nahraum ein Netz, das trägt. Es trägt Menschen, die von Schicksalsschlägen gebeutelt sind, die arm sind, krank oder einsam. Einsparungen in Stadt, Land und Bund reißen Löcher in dieses Netz. Da wo die Kürzungen digitale Angebote wie die Online-Beratung betreffen, werden neben der analogen Nachbarschaft auch virtuelle Begegnungsräume zerstört. Wir alle spüren, wie groß die Herausforderungen auf allen Ebenen – nicht nur im Bereich des Bundeshaushaltes  – sind. Gerade auch in den Landes- und Kommunalhaushalten werden Einsparungen vorgenommen. Umso wichtiger sind unsere gemeinsamen Anstrengungen. Im föderalen Staat gilt beides: die Schuldenlast entsteht auf allen Ebenen und die Sicherung der sozialen Infrastruktur ist ein Gemeinschaftsprojekt.“

Für Chancengerechtigkeit, Gleichstellung und Gleichbehandlung

Der Runde Tisch für Flüchtlingsfragen in Köln setzt sich für Chancengerechtigkeit, Gleichstellung und Gleichbehandlung von unterschiedlichen Flüchtlingsgruppen ein.

Er lehnt die Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber ab und führt folgende Bedenken an:

1. Jede*r Leistungsbezieher*in im Sozialsystem sollte über seine Leistungen frei verfügen können.

2. Zur freien Verfügbarkeit von Leistungen gehört, dass jede*r Leistungsbezieher* in überall bezahlen sowie Barzahlungen und Überweisungen tätigen kann.

3. Die Bezahlkarte bedeutet faktisch eine Entrechtung geflüchteter Menschen und schränkt deren Autonomie und soziale Teilhabe ein.

4. Das derzeit diskutierte Modell einer Bezahlkarte hat einen diskriminierenden Charakter und schafft nicht zu rechtfertigende Ungleichheiten zwischen unterschiedlichen Gruppen von Geflüchteten.

5. Unter der Maßgabe, dass die deutlich überwiegende Zahl der Geflüchteten in Köln bereits jetzt ein Girokonto hat, würde eine Einführung einer anders gearteten Bezahlkarte einen hohen zusätzlichen Aufwand in der Verwaltung erzeugen.

 

Zum Hintergrund: Seit 20 Jahren setzt sich der „Runde Tisch für Flüchtlingsfragen“ in Köln, bestehend aus Vertreter*innen der Kirchen, Ratsfraktionen, Stadtverwaltung, Wohlfahrtverbände und Initiativen im Flüchtlingsbereich, für eine menschengerechte kommunale Integrationspolitik ein. Ziel ist eine gemeinsame humane Aufnahme- und Integrationspolitik in Verwaltung, Politik und Kölner Stadtgesellschaft. Ein Positionspapier des Rundes Tisches für eine humane Integrationspolitik finden Sie hier.

“Frieden beginnt bei mir”

So lautet das Motto der diesjährigen Caritas-Jahreskampagne. Daher befasst sich unsere aktuelle Ausgabe der „Caritas konkret“ mit dem Schwerpunkt, der aktueller und im Wunsch nicht eindringlicher sein könnte als derzeit.

Das Editorial zu Heft hat unser Kollege Tim Schlotmann/Stab Seelsorge und christliche Identität – Caritaspastoral verfasst.

 

“In der Vorbereitung auf einen Wortgottesdient zum Thema fiel mir diese Geschichte in die Hände: Da ging ein alter Mann über einen freien Platz. Er beobachtete eine Gruppe Kinder, die offensichtlich Krieg spielten. Mit Stöcken und gellenden „Päng-Päng“- Schreien rannten sie aufeinander los. Auch ganz Kleine waren dazwischen. Nachdenklich stand der Mann eine Weile in der Nähe, dann ging er entschlossen auf die Gruppe zu und sagte bittend: „Spielt doch nicht Krieg, Kinder!“ Der bittende Klang seiner Stimme machte die Kinder betroffen. Sie zogen sich an eine Mauer zurück, berieten eine Weile miteinander, dann kamen sie wieder zu dem Mann, der immer noch dastand, als hoffe er auf etwas, und ein Kind fragte: „Wie spielt man Frieden?“ Weiterlesen

Jahresempfang der Fachverbände “Frieden beginnt bei mir.”

Am  24. Mai haben der Caritasverband Köln und die Fachverbände IN VIA Köln, KJA Köln, Malteser Köln, SkF Köln und SKM Köln Vertreter*innen aus Politik und Verwaltung, Kirche und Stadtgesellschaft zum jährlichen Jahresempfang in den Garten der Religionen von IN VIA Köln (Stolzestr. 1a, 50674 Köln) eingeladen.

Wie wertvoll und wichtig die Arbeit der Caritas Köln und der Fachverbände ist und wie sie mit ihren zahlreichen Projekten und Angeboten Frieden stiften und soziale Gerechtigkeit schaffen, erläuterten Stadtdechant Msgr. Kleine, Andrea Redding als Vorstandssprecherin IN VIA Köln und Bürgermeister Dr. Ralf Heinen. Die Rede zum Schwerpunktthema hielt Vorstandssprecher der Caritas Köln Peter Krücker.

 

Sehr geehrter Monsignore Kleine, sehr geehrter Herr Bürgermeister Dr. Ralf Heinen, liebe Geschäftsführende und Vorstände der Caritas-Fachverbände, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste,

auch ich möchte Sie und Euch ganz herzlich zum diesjährigen Jahresempfang der Kölner Caritas und ihrer Fachverbände SKM, SkF, IN VIA, KJA und Malteser Hilfsdienst begrüßen.

Wir feiern unseren Jahresempfang auch dieses Jahr traditionell im Garten der Religionen. Das Streben nach Frieden steht im Zentrum aller Weltreligionen. Wir befinden uns also heute an einem ausdrücklich friedvollen Ort. „Frieden beginnt bei mir“ lautet auch die Botschaft der diesjährigen Jahreskampagne des Deutschen Caritasverbandes.

Beim Thema Frieden empfinde ich eine tiefe persönliche Verbundenheit. Die Arbeit für Frieden in der Gesellschaft und in der Welt ist für mich in meinem beruflichen und privaten Leben immer wegweisend gewesen: Ende der 1950er Jahre geboren, wurde ich vor allem durch die Friedensbewegung politisch sozialisiert. Den Wehrdienst habe ich aus fester Überzeugung verweigert und war zudem über Jahre ehrenamtlich als Berater und Beisitzer für Kriegsdienstverweigerer engagiert. Anstelle des Wehrdienstes habe ich Zivildienst – oder soll ich besser sagen Friedensdienst – an einer Schule für geistig Behinderte der Stadt Köln geleistet. Die positiven Erfahrungen meines zivilen Dienstes am Menschen waren entscheidend für meinen weiteren Lebensweg. Wollte ich nach meiner Ausbildung und dem Fachabitur ursprünglich noch Design studieren, so habe ich mich letztlich für ein Studium der Sozialen Arbeit entschieden. Ohne meine Friedensüberzeugung würde ich wahrscheinlich hier heute nicht stehen.

Frieden beginnt bei mir: Was tut die Caritas vor Ort für den Frieden?

Als Caritas teilen wir die Vorstellung einer offenen, demokratischen, rechtsstaatlichen und solidarischen Gesellschaft, in der jeder Mensch ein Recht auf ein menschenwürdiges Leben hat. Wir sehen unsere Aufgabe darin, den Menschen unabhängig von Herkunft, Status, Geschlecht, sexueller Identität, Alter, Leistung, Religion oder anderer Merkmale mit Liebe und Achtung zu begegnen. Immer und überall.

Damit positionieren wir uns ausdrücklich gegen alle populistischen, nationalistischen, rassistischen und anti-demokratischen Strömungen, die die Spaltung und Verunsicherung der Gesellschaft vorantreiben und das friedliche Zusammenleben gefährden.

Frieden wird aber auch in unserer täglichen Arbeit vor Ort in Köln erfahrbar: Nämlich dann, wenn wir Vorurteile überwinden, uns für demokratische Werte und Gerechtigkeit einsetzen, den Dialog mit Menschen suchen, ihnen Ängste nehmen und Brücken bauen. Wir zeigen auf, dass es auch für schwierige Problemlagen immer Lösungen gibt und dass diese Wege nicht darin bestehen, andere als Sündenbock zu verurteilen oder Hass zu schüren.

Mit unserer Arbeit sind wir nah bei den hilfesuchenden Menschen und ihren Nöten.

Wir können dabei helfen, dass soziale Problemlagen überwunden werden. Die Problemlagen im Kölner Stadtgebiet sind vielfältig, komplex und miteinander verschränkt. Im Verbund der Caritas und seiner Fachverbände sind wir in der Lage, diesen Herausforderungen mit sozialer Arbeit angemessen zu begegnen.

Ich möchte Ihnen ausgewählte Beispiele für unsere Zielgruppen und Tätigkeitsschwerpunkte vorstellen:

  • Beginnen wir mit dem SKM, der mit der Arche für Obdachlose in Mülheim eine komplett Spenden-finanzierte Pop-Up-Kontakt- und Beratungsstelle für arme Menschen betreibt. Die Arche ist ein Anlaufpunkt für wohnungslose Menschen – und zwar unabhängig von etwaiger Leistungsberechtigung – am Bergischen Ring in unmittelbarer Nähe zum Wiener Platz. Hier erhalten Menschen ein warmes Mittagessen, können duschen, eine Kleiderkammer nutzen und genießen kostenlose ärztliche Betreuung. Die Arche für Obdachlose befriedet damit auch aktiv das Umfeld am Wiener Platz.
  • Von Mülheim geht es in den Norden von Chorweiler: Bei dem Familienhaus in Chorweiler-Nord des SkF handelt es sich um ein niedrigschwellig zugängliches Angebot für Familien mitten im Sozialraum.

Im Mittelpunkt stehen Familien, die bei der Bewältigung von Erziehungsaufgaben gefördert werden. Familienhäuser zeichnen sich durch einen infrastrukturell angelegten Zugang zu unbürokratischen und frühzeitigen Unterstützungsangeboten aus. In diesem Umfeld treffen Kölner Familien aus unterschiedlichen Kulturen aufeinander, Eltern und Kinder erfahren lebensnahe Unterstützung. Das Lernen über- und voneinander und die Erfahrung von Unterstützung schaffen hier die Basis für ein friedvolles Miteinander. Innerhalb von Familien – aber auch darüber hinaus in unserer Gesamtgesellschaft!

  • Die Radstation von IN VIA. Hierüber wird Langzeitarbeitslosen die Möglichkeit geboten, wieder am Erwerbsleben teilzunehmen, ihrer Ausgrenzung wird aktiv begegnet. Zugleich wird durch die Angebote Fahrradparken, Fahrradverleih und Werkstatt ein Beitrag dazu geleistet, dass Köln fahrradfreundlicher und damit auch klimafreundlicher wird. Ganz gemäß dem Motto der letztjährigen Jahreskampagne der Caritas: „Für Klimaschutz, der allen nutzt!“. Ohne sozial gerechten Klimaschutz keine soziale Sicherheit und damit kein sozialer Frieden!
  • In den Jugendbüros der KJA wird arbeitslosen oder von Arbeitslosigkeit bedrohten jungen Menschen Unterstützung bei der Suche nach Ausbildung oder Arbeit geboten. Ziele ihrer Arbeit sind die schulische, persönliche und soziale Stabilisierung sowie die langfristige Eingliederung in Arbeit, Beruf und Gesellschaft. Es wird hier also der Grundstein dafür gelegt, ein Teil unserer Gesellschaft zu werden und zu bleiben. Sich selbst als Teil der Gesellschaft zu erleben, ist ein wichtiger Baustein für unser friedliches Zusammenleben!
  • Werfen wir einen Blick auf eine besondere Zielgruppe, die Gruppe von Menschen ohne Krankenversicherung. Komplett über Stiftungsgelder und Spenden finanziert übernimmt die MMM, also die „Malteser Medizin für Menschen ohne Krankenversicherung“, seit 19 Jahren in Köln die Betreuung dieser Zielgruppe. Jeder bekommt dort die medizinische Behandlung, die gebraucht wird. Unabhängig von Krankenversicherung oder Kosten.

Diese medizinische Grundversorgung unterstützt bei der Heilung von Krankheiten, begegnet Behinderungen und arbeitet aktiv an der Verwirklichung der Menschenwürde dieser Menschen. Allein im Jahr 2023 wurden dort insgesamt 2.387 Behandlungen durchgeführt.

  • In der Erziehungsberatung des Caritasverbands werden Familien begleitet und beraten, die ihre familiären Krisen nicht ohne Hilfe bewältigen können. Starke familiäre Konflikte vor allem in Bezug auf Eltern und ihre Kinder in Trennungssituationen werden bearbeitet, manchmal sogar gelöst, damit Kinder in Frieden aufwachsen können – auch wenn Eltern streiten.

Sie sehen: Unser Verbund trägt im gesamten Stadtgebiet in vielfältiger Weise zur Befriedung gesellschaftlicher Problemlagen und Herausforderungen bei. In unsicheren und verunsichernden Zeiten zeichnet uns dabei insbesondere Verlässlichkeit aus:

Wir stehen verlässlich an der Seite der Menschen in Not, wir bieten verlässliche und qualitativ hochwertige Strukturen und Angebote. Wir verhalten uns verlässlich fair gegenüber Kund*innen und Finanzierern unserer Arbeit.

Um weiterhin ein verlässlicher Partner sein und unseren Beitrag zum sozialen Frieden in Köln leisten zu können, benötigt es aber dringend eine gesicherte Finanzierung unserer Arbeit. Dafür setzen wir uns lautstark ein! Seit dem zweiten Halbjahr 2023 haben wir als Teil der Freien Wohlfahrt unsere Anliegen so laut und so konsequent wie nie auf die Straße gebracht – unter dem Motto „Köln bleib sozial“ bzw. „NRW bleib sozial“.

Zum Hintergrund: Wir haben mit tarif- und krisenbedingt drastisch gestiegenen Personal- und Sachkosten zu kämpfen, denen keine kostendeckende Refinanzierung der öffentlichen Hand gegenübersteht. Und es geht noch weiter: In Teilen sind die freien Träger von erfolgten oder geplanten Kürzungen der öffentlichen Hand betroffen. Wir fungieren damit als „Ausfallbürge“ der mauen Lage öffentlicher Kassen.

Im Oktober demonstrierten wir gemeinsam mit 25.000 Menschen vor dem Düsseldorfer Landtag. Im November standen an zwei Tagen die Räder in Kölner Einrichtungen der Freien Wohlfahrt still. Mit kreativen Aktionen und einer Demonstration mit über 8.000 Menschen haben wir auf die finanzielle Not unserer Dienste und Einrichtungen aufmerksam gemacht und demonstrierten gemeinsam mit Eltern und Klient*innen.

Klar ist: Die Angebote der freien Träger müssen weiterhin kostendeckend refinanziert werden, ansonsten drohen Schließungen auf breiter Ebene. Die Träger der freien Wohlfahrt haben keine Tresore, keine „Sparschweine“, um Finanzierungslücken zu schließen. Und es geht uns hier nicht um die Befriedigung von Eigeninteressen: Die Ungleichbehandlung öffentlicher und freier Träger gefährdet den sozialen Frieden und unser soziales System insgesamt und trägt damit zur Spaltung der Gesellschaft bei.

Ein Teilerfolg wie die Fortsetzung des sogenannten Strukturförderfonds in Köln konnte durch unser Engagement erzielt werden. Hierbei handelt es sich jedoch in der Tat nur um eine Teilkompensation unserer enormen Kostensteigerungen. Gerade bei der Aufstellung des kommunalen Doppelhaushalts 2025/2026 wird seitens des Kölner Rats nun darüber entschieden werden müssen, ob Köln eine soziale Stadt bleibt. Klar sollte dabei sein, dass die bereits defizitäre Refinanzierung keinen zusätzlichen Eigenanteil der freien Träger zulässt.

Über finanzielle Streitpunkte hinaus bietet die Caritas einen Raum, um sich aktiv für eine demokratische und friedvolle Gesellschaft einzusetzen. Ich möchte ein jüngeres Beispiel aus unserem sozialpolitischen und anwaltschaftlichem Engagement im Bereich der Asylpolitik vorbringen. Die Diskussion um die Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete.

Die Bezahlkarte ist eines der aktuellen Beispiele dafür, wie in einer aufgeheizten gesellschaftlichen Stimmung zweifelhafte Signale gesendet werden, die Ressentiments in der Bevölkerung weiter befeuern und den sozialen Frieden gefährden.

  • Mit dem Ziel der Abschreckung sollen Geflüchtete nicht mehr selbst bestimmen können, was und wo sie wieviel bezahlen wollen.
  • Die damit einhergehenden örtlichen und sachlichen Beschränkungen sind massive und diskriminierende Eingriffe in die Handlungsfreiheit und die Würde der Betroffenen.
  • Die Bezahlkarte basiert auf Beweggründen, die falsch und widerlegbar sind. Ein Beispiel: Eine Bezahlkarte wird Menschen in Bedrohungs- und Notsituationen nicht davon abhalten, nach Deutschland zu kommen. Menschen fliehen vor Krieg und Verfolgung in ihren Heimatländern und nicht wegen der deutschen Sozialleistungen.

Gemeinsam mit einem breiten Bündnis von Organisationen hat die Caritas vor diesem Hintergrund die Kölner Kampagne „Selbstbestimmung statt Bezahlkarte“ aufgesetzt. Uns ist viel daran gelegen, dass die Stadt Köln weiterhin an ihrem migrationsfreundlichen Klima arbeitet, von dem sie seit Jahren profitiert. Weil dieses Klima Integration schafft, ein Aufeinanderzugehen schafft, Frieden schafft.

Was ich an dieser Stelle verdeutlichen will: Mit unserem politischen Engagement senden wir als Caritas immer ein wichtiges Signal: Frieden beginnt immer bei uns selbst. Es liegt in unserer Hand. Der demokratische Weg wird von uns selbst gestaltet und täglich vorgelebt.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, dies ist heute meine letzte Rede im Rahmen des Caritas-Jahresempfangs. Es dürfte kein Geheimnis mehr sein, dass ich zum 30.09.2024 aus dem aktiven Dienst der Caritas ausscheide. Mein Nachfolger, Markus Peters, ist dank seiner sozialpolitischen Expertise und Erfahrung seit vielen Jahren bestens vertraut mit allen sozialen und sozialpolitischen Themen, die uns in Köln bewegen.

Ich wünsche ihm schon heute viel Erfolg und eine gute Hand in der weiteren Entwicklung der Caritas als erfolgreiche und friedensstiftende Wohlfahrtsorganisation.

Abschließend ein organisatorischer Hinweis zu unserer Fotoaktion. Sie haben sicherlich schon die Wäscheleine mit den Porträtfotos zur Jahreskampagne entdeckt. Falls sie vorab noch kein Foto erstellt haben, können Sie heute hier vor Ort eins von unserem Öffentlichkeitsarbeit-Team erstellen lassen. Am Ende der Veranstaltung können Sie Ihr Foto gerne mit nach Hause nehmen und an den Spiegel hängen. Zudem ist auch ein Spiegel mit dem Kampagnenaufkleber aufgestellt. Hier können Sie selbst ein Foto erstellen und in die Online-Plattform der Caritas hochladen. Beteiligen Sie sich gerne an dieser tollen Aktion!

Liebe Gäste, ich möchte mich bei Ihnen allen bedanken. Für ihre Zusammenarbeit mit der Caritas und ihren Fachverbänden. Und dafür, dass auch Sie – jede und jeder auf ihre bzw. seine Art – tagtäglich etwas dazu beitragen, das Zusammenleben in unserer Stadt friedvoll zu gestalten. Frieden beginnt bei mir, Frieden beginnt bei Dir, Frieden beginnt mit uns allen. Fangen wir‘s an und machen wir weiter…… 

Vielen herzlichen Dank!

Einen statt spalten

Caritas steht fest zur Demokratie: 
„Münsteraner Erklärung“ zum Tag des Grundgesetzes: Bekenntnis zu Pluralität, Dialog und Toleranz

Mit einer „Münsteraner Erklärung“ zum 75. Geburtstag des Grundgesetzes (23. Mai) ruft die Caritas in NRW zum Zusammenhalt der Gesellschaft und zu innerem Frieden als Grundlage für das Miteinander in einem offenen, demokratischen Staat auf: 

Die Caritas hat sich seit ihrer Gründung fest an den grundlegenden Menschenrechten orientiert: Wir stellen die Menschen in den Mittelpunkt. Unser Anliegen ist das Wohler-gehen aller Menschen in körperlicher, geistiger, seelischer und materieller Hinsicht. Wir sehen es als einen unserer zentralen Aufträge an, uns für Nächstenliebe, Demokratie, Respekt, Vielfalt und Toleranz einzusetzen und uns gegen rechtsextreme Tendenzen zu positionieren, die insbesondere für Ausgrenzung, Rassismus, Antisemitismus und einen völkischen Nationalismus stehen.
Als christliche Organisation bekennen wir uns zur Pluralität und Vielfalt als Stärke der Gesellschaft, respektieren unterschiedliche Meinungen, Überzeugungen und Lebens-weisen und fördern den Dialog und die Toleranz zwischen verschiedenen Kulturen, Religionen und Identitäten.

Schutz der Menschenwürde
Ein zentraler Wert, der unsere Arbeit prägt, ist der im Grundgesetz an erster Stelle be-nannte Schutz der Menschenwürde. Wir machen uns stark für die Einhaltung der Grundrechte, setzen uns für die Universalität persönlicher Freiheits- und Schutzrechte für alle Menschen ein. Dabei respektieren wir die Einzigartigkeit und den Wert eines je-den Menschen, unabhängig von der Herkunft,

dem sozialen Status oder den Lebens-umständen. Diese Anerkennung der Menschenwürde bildet die Grundlage für unseren Verband sowie unsere Aktivitäten und Programme, sei es in der Arbeit mit und für Kin-der, Jugendliche, alte Menschen, kranke Menschen, armutsbetroffene Menschen, Menschen mit Behinderung oder Geflüchtete.

Solidarität und soziale Gerechtigkeit
Ein weiterer essenzieller Wert ist die Solidarität. Als Caritas verstehen wir uns als Teil einer globalen Gemeinschaft, in der jedes Mitglied Verantwortung für das Wohl anderer trägt. Dies spiegelt sich auch im Engagement der zahlreichen Ehrenamtlichen wider, die uns in unserer Arbeit unterstützen und tragen. Solidarität bedeutet, dass wir uns ak-tiv für die Bedürfnisse anderer einsetzen, soziale Ungerechtigkeiten bekämpfen und da-ran arbeiten, die Lebensbedingungen für alle zu verbessern. Wir setzen uns dafür ein, dass das Existenzrecht Einzelner in der solidarischen Gesellschaft nicht von ihren kör-perlichen und geistigen Fähigkeiten oder ihrer Leistung abhängig ist. Alle Menschen sind wertvoll und haben Platz in der Gesellschaft, schutzbedürftigen Menschen muss der erforderliche Schutz gegeben werden.

Zusammenhalt der Gesellschaft
Wir machen uns stark für den Zusammenhalt der Gesellschaft und den inneren Frieden als Grundlage für das Miteinander in einem offenen, demokratischen Staat. Unser Ziel ist es, ein respektvolles und gewaltfreies Miteinander zu schaffen, in dem sich alle hier lebenden Menschen wohl und zugehörig fühlen. Daher engagieren wir uns für den Dia-log zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen, institutionellen und religiösen Gruppen. Dazu gehört auch die Integration von zugewanderten Menschen. Integration ist für uns nicht nur eine Aufgabe der hier ankommenden Menschen, auch die Ankom-mensgesellschaft muss mit Offenheit und Aufgeschlossenheit und der Schaffung von Räumen für alle Menschen ihren Teil dazu beitragen. Von einer möglichst schnellen und nachhaltigen Integration profitieren nicht nur die Menschen, die zu uns kommen, sondern die gesamte Gesellschaft.

Gerechtigkeit und Chancen

Großen Wert legen wir auch auf Gerechtigkeit und Fairness. Wir setzen uns dafür ein, dass jeder Mensch die gleichen Chancen und Möglichkeiten hat, sein volles Potenzial selbstbestimmt zu entfalten und den gleichen Zugang zu Bildung hat. Dies bedeutet, Ungleichheiten abzubauen, Barrieren zu überwinden und strukturelle Veränderungen anzustoßen, um eine gerechtere Gesellschaft zu schaffen.

Demokratie ist Fundament für Freiheit, Gleichheit und Partizipation
Neben diesen zentralen Werten stehen die demokratischen Grundwerte im Mittelpunkt unserer Arbeit. Als Organisation bekennen wir uns zur Demokratie als einem fundamentalen Prinzip der Freiheit, Gleichheit und Partizipation. Demokratie bedeutet für uns, dass alle Menschen das Recht haben, ihre Meinung frei zu äußern, an Entscheidungsprozessen teilzunehmen und ihre Interessen zu vertreten. Wir stärken demokratische Prinzipien in allen Bereichen unserer Arbeit, sei es in der internen Organisation, der Zusammenarbeit mit Parteien oder der Interaktion mit der Gesellschaft. Dies bedeutet, dass wir die Eigenkräfte der Menschen stärken, ihre Selbstständigkeit sowie Beteiligung fördern und uns gegenüber der Politik und Gesellschaft anwaltschaftlich für unsere Klientinnen und Klienten einsetzen.

Rechtsstaatlichkeit
Ein weiterer wichtiger Aspekt der demokratischen Grundwerte ist für uns die Achtung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten. Rechtsstaatlichkeit bedeutet für uns, das Recht des Staates zu respektieren. Gewalt ist kein zulässiges Mittel, um demokra-tisch legitimierte Entscheidungen zu stoppen oder rückgängig zu machen. Wir setzen uns dafür ein, dass die Rechte aller Menschen geschützt werden und stellen uns Diskriminierungen und Benachteiligungen entgegen. Das Recht auf Leben, Freiheit, Gleichheit

und Gerechtigkeit für alle ist für uns in der Caritas nicht verhandelbar.

Insgesamt setzen wir uns dafür ein, eine Welt zu schaffen, in der jeder Mensch in Würde leben kann, frei von Armut, Ungerechtigkeit und Ausgrenzung. Wir schätzen und stützen die Freiheiten unserer Demokratie, insbesondere die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit. Durch unsere tägliche Arbeit und unser Engagement tragen wir als Caritas dazu bei, diese Vision zu verwirklichen.
Als Caritas sind wir mit unserem Engagement nicht allein. Wir brauchen eine breite demokratische Mobilisierung, wir müssen stärker denn je als Demokratinnen und Demokraten zusammenstehen. Es kommt auf jeden Einzelnen an, sich in der Demokratie und für sie zu engagieren und die Welt zu einem besseren Ort für alle zu machen.

Münsteraner Erklärung zum 75. Geburtstag des Grundgesetzes: 23. Mai 2024

Herausgegeben von:
Caritasverband für das Bistum Aachen
Caritasverband für das Bistum Essen
Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln
Caritasverband für die Diözese Münster
Caritasverband für das Erzbistum Paderborn

 

„Irgendwo“ in Afrika …

Unsere Kollegin Emily Mlosch ist Projektmanagerin im Geschäftsfeld Teilhabe. Ihren Urlaub hat sie in Tansania verbracht und besuchte vor Ort eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Sie teilt mit uns ihre Erfahrungen, zieht Prallelen zur Arbeit hier vor Ort und regt zum Nachdenken an …  

Irgendwo in Afrika …

… um genau zu sein in Arusha, einer Stadt im Nordosten von Tansania, durfte ich im Oktober eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung besuchen. „Be kind and recycle“ ist das Motto der Einrichtung „Shanga“, die mehr als 35 Menschen einen Arbeitsplatz bietet. Dort werden zum Beispiel Teppiche gewebt, Perlen aufgefädelt, Kleidungsstücke genäht und Gläser geblasen. Im Mittelpunkt steht die Kreativität und die daraus erzeugten Produkte werden im integrierten Laden verkauft. Im Prinzip so wie in unserem CariLädchen. Das Besondere: Für die Arbeiten werden bereits gebrauchte Materialien recycelt.

Zurück in Köln bin ich noch immer nachdenklich darüber, was das Team von Shanga mir in kurzer Zeit nachdrücklich vermittelt hat. Die Kunst des Nähens war es zur Belustigung einer Gruppe junger Frauen jedenfalls nicht 😊
Vielmehr habe ich verstanden, dass es keine gemeinsame Kultur oder Sprache benötigt, um an zwei nicht nur geografisch weit voneinander entfernten Orten auf der Welt die gleichen gesellschaftlichen und ökologischen Ziele zu formulieren – und sie zu leben. Dass die Menschen in Tansania bei der Umsetzung vor den größeren Herausforderungen stehen, muss ich nicht betonen.

 

Als ich mich dann heute Morgen, an meinem ersten Arbeitstag, innerlich wieder über den brummenden Berufsverkehr auf der Inneren Kanalstraße aufregte musste ich kurz innehalten und an eine Begegnung bei Shanga denken: Ein junger Mann erklärte mir auf einer spontan zwischen uns entwickelten Kommunikationsebene seine Aufgaben. Mich interessierte dann noch, wie sein täglicher Arbeitsweg aussieht. „Ein bis zwei Stunden, je nach Wetterlage – pro Fahrt. Im Rollstuhl und ohne Unterstützung“ – informierte mich sein Kollege. Er lächelte mich an und wir verglichen unsere Oberarmmuskeln. Als Reaktion auf mein verblüfftes Gesicht schob er noch „Pole, Pole“ hinterher, was auf Swahili so viel wie „immer mit der Ruhe“ bedeutet. Wir lachten.

Harald ist tot.

In Nippes war Harald (62) überall bekannt. Mit seinem Plüschtier „Bernie“ im Arm war er immer vor seiner Haustür anzutreffen.
Die Nachricht von seinem plötzlichen Tod im Krankenhaus hat seine Nachbarschaft in Nippes sehr bewegt. An seinem Wohnhaus ist eine kleine Gedenkstätte mit Blumen und Kerzen entstanden. Sogar ein Brief und eine Zigarre kleben an der Hauswand. Express und der Kölner Stadt-Anzeiger berichteten.

Auch Frank Schomaker und Roman Weyers, Leiter des Begleiteten Wohnens im Kölner Caritasverband, und seine Kolleg*innen trauern um ihn. 13 Jahre haben Schomaker und weitere Mitarbeitende Harald viermal in der Woche besucht und in lebenspraktischen Dingen unterstützt. Unzählige Gespräche gehörten dazu. Manchmal waren seine sozialen Kontakte Thema, und wie Reaktionen und alltägliche Erlebnisse richtig einzuordnen sind. Mit einer zusätzlichen Rechtlichen Betreuung des SKM zur Geldeinteilung, dem Pflegedienst und der hauswirtschaftlichen Unterstützung vom Caritasverband gelang es Harald, selbstständig in seiner eigenen Wohnung zu leben.
Auf dieses Ziel hatte er lange hingearbeitet. Vorausgegangen war eine Odyssee als Jugendlicher durch verschiedene Jugendhilfeeinrichtungen. Als Erwachsener lebte er viele Jahre im Caritas-Wohnhaus Gut Pisdorhof für Menschen mit geistiger Behinderung.

„Harald hatte Strahlkraft, er war ein absolut empathischer Mensch, der ohne Scheu auf die Menschen zugegangen ist und sie auf der Straße persönlich begrüßt hat. Manche haben sich auf ein Gespräch mit ihm eingelassen und so auch mal einen anderen Blick auf einen besonderen Menschen bekommen.“ beschreibt Schomaker seinen Klienten.

Meistens wird in der Begleitung eines Klienten nach ein paar Jahren intern gewechselt. Die Dauer von 13 Jahren, in denen Schomaker die Fachleistungsstunden bei Harald übernommen hat, sind eher die Ausnahme. „Eine professionelle Distanz zu wahren, ist wichtig, um wirklich gut helfen zu können“, sagt Schomaker. „Aber es geht ja immer um die direkte Arbeit mit Menschen, und natürlich entsteht eine Beziehung. Die Klient*innen wachsen mir und meinen Kolleg*innen auch ans Herz. Wenn jemand verstirbt, bedeutet das für uns ebenfalls Trauerarbeit und Loslassen. Haralds Tod hat mich und uns zum Nachdenken gebracht. Wir planen in unserem Team eine Abschiedsfeier für ihn“, erzählt Schomaker. „Im Caritasverband gibt es für uns Mitarbeitende den Kollegen Tim Schlotmann für Seelsorge. Mit ihm konnte ich über alles sprechen. Er wird den Abschied von Harald mitgestalten.“

Frank Schomaker (Foto links) leitet gemeinsam mit seinem Kollegen Roman Weyers (rechts) das Begleitete Wohnen (WiV) der Caritas.

Zurzeit werden 75 Personen von 18 bis rund 60 Jahre und sehr unterschiedlichem Hilfebedarf mit jeweils durchschnittlich drei Fachleistungsstunden in der Woche unterstützt. Im Team Begleitetes Wohnen arbeiten 21 Personen (Heilerziehungspfleger*innen, Sozialarbeiter*innen und studentische Mitarbeitende). Die Hilfe umfasst alltagspraktische Themen, aber auch Termine beim Amtsgericht, Begleitung zu Ärzt*innen und Gespräche zur „Psychohygiene“.
„Gemeinsam erstellen wir Hilfepläne und legen Ziele fest. Unsere Arbeit wird nie langweilig. Wie haben es schließlich mit sehr unterschiedlichen und besonderen Menschen und ihren ganz persönlichen Anliegen zu tun. Ich liebe an meiner Arbeit vor allem, dass sie so abwechslungsreich ist.“ meint Schomaker.

Weitere Informationen zum Begleiteten Wohnen der Caritas Köln gibt es unter diesem Link: https://shorturl.at/tX256

Marianne Jürgens/Leitung Öffentlichkeitsarbeit

Phantasialand – Verzichtserklärung statt Barrierefreiheit

Buntes RiesenradWie die meisten von uns, haben auch unsere Klientinnen und Klienten und alle anderen Menschen mit Behinderung große Freude an einem Besuch im Phantasialand in Brühl bei Köln. Dort gelten jetzt allerdings besondere Regelungen für „Menschen mit besonderen Einschränkungen“, die in einer Broschüre erläutert werden.

Gleich zu Beginn wird betont, dass gemäß einer geltenden DIN-Norm „ein Ausschluss von der Fahrt aufgrund von Gesundheits- oder Sicherheitsgründen nicht als Diskriminierung zählt“. Spätestens dann, wenn etwas so explizit erwähnt wird, sollte man meiner Meinung nach hellhörig werden. So wurden alle Fahrgeschäfte von einem Sachverständigenbüro darauf geprüft, für welche Behinderungsformen welche Nutzungsverbote auszusprechen sind und dass sich jeder mit dem Hinweis auf das „Selbstbestimmungsrecht“, durch eine Verzichtserklärung und eine Begleitperson, über dieses Verbot hinwegsetzen kann. Dazu ist es notwendig sich am Eingang an den Gästeservice zu wenden, dort seine Einschränkungen und seine Personalien darzulegen und die Nutzungs- und Verzichtsvereinbarung zu unterzeichnen. Mit dieser darf man dann über den normalen Eingang – unter Vorzeigen des Durchschlags – die jeweilige Attraktion nutzen. Weiterlesen

Kinderwunsch – Wunschkind: Ökumenische Woche für das Leben

In der diesjährigen „Woche für das Leben“ stellen die evangelische und die katholische Kirche verschiedene Veranstaltungen und Publikationen unter das Schwerpunktthema „Pränataldiagnostik“.

Als Mutter („Risikoschwangere“ mit 38 und 41 Jahren), als jemand mit 26 Jahren Erfahrung in der Arbeit mit Menschen mit Behinderungen, als Christ und einfach als Mensch, bewegt mich dieses Thema immer wieder. Ich kenne die Diskussionen um die Vorteile des medizinischen Fortschritts, um die Vermeidung von Leid, wenn Kinder mit Behinderungen ein „unwürdiges“ Leben erspart bleibt, um die Notwendigkeit, in dieser Gesellschaft leistungsfähig sein zu müssen und mithalten zu können.

Was mich dabei immer wieder am meisten erschüttert ist neben dem dahinterstehenden Menschenbild, dem fehlenden Zutrauen in das Leben und der Gleichsetzung von Behinderung mit Leid, dass Mütter und Familien sich so alleine gelassen fühlen, Beratung nie den Blick auf Chancen und Machbares und auf Entwicklung lenkt, sondern nur auf das was nicht geht, was zur Last wird und dass eigentlich alles immer nur noch schlimmer wird.

Schwanger sein als Zustand „guter Hoffnung“ wird immer mehr abgelöst vom einem Hochrisikozustand in andauernder Alarmbereitschaft.

Gleichzeitig wird die Debatte aus meiner Sicht zunehmend scheinheilig und teilweise absurd geführt: 9 von 10 Kindern mit der Diagnose Down Syndrom werden abgetrieben, ohne dass Eltern und Verantwortliche überhaupt wissen, wie die Behinderung tatsächlich ausgeprägt sein wird. Gleichzeitig werden in hochspezialisierten Kliniken Frühgeborene mit 600 Gramm Geburtsgewicht und der Gewissheit auf schwere Behinderung mit allen medizinischen Möglichkeiten am Leben gehalten.

Mit der UN-Behindertenrechtskonvention und dem neuen Bundesteilhabegesetz werden die Rechte von Menschen mit Behinderung gestärkt, ihr Wert für die Gesellschaft und ihre Gleichberechtigung an jeder Stelle betont und Inklusion als höchstes Gut und gesellschaftliches Muss propagiert.

Ist Leben somit erst nach der Geburt schützenswert?

Ist die Behinderung im Mutterleib der Garant für Leid und nach der Geburt der Mensch mit Behinderung eine Bereicherung für das Zusammenleben aller?

Wenn man sich jetzt noch darüber klar wird, dass 96 Prozent der Behinderungen erst im Laufe des Lebens erworben werden (vgl. Statistisches Bundesamt), wird die Frage noch viel schmerzhafter: Dann betrifft die Frage nach lebenswertem Leben nämlich nicht mehr nur die ungeborenen Kinder, sondern jeden von uns!

Es gibt kein Recht auf Gesundheit, auf Glück oder auf ein erfolgreiches Leben, aber eben auch kein Recht, eine solche Entscheidung für andere zu treffen.

Pränataldiagnostik kann helfen, dass bei bestimmten Diagnosen frühzeitige Therapien begonnen werden können, Ärzte und Eltern für die Geburt bestimmte Vorkehrungen treffen können und Eltern sich auf ihr besonders Kind vorbereiten können. Dazu bedarf es qualifizierter und lebensbejahender Beratung und keiner immer früher, einfacher und schneller einzusetzender Selektionsinstrumente.

Ich glaube nämlich ganz fest, dass jeder/jede so gewollt ist und dass es richtig ist, sich mit aller Kraft für die gleichberechtigte Teilhabe aller einzusetzen…

Und das nicht erst nach der Geburt!

Infos zur Themenwoche vom 14.-21.04.2018, zu Materialien und Veranstaltungen finden Sie hier:

Ein Gastbeitrag von Susanne Steltzer, Leitung Leistungsbereich Wohnen und Leben