Phantasialand – Verzichtserklärung statt Barrierefreiheit

Buntes RiesenradWie die meisten von uns, haben auch unsere Klientinnen und Klienten und alle anderen Menschen mit Behinderung große Freude an einem Besuch im Phantasialand in Brühl bei Köln. Dort gelten jetzt allerdings besondere Regelungen für „Menschen mit besonderen Einschränkungen“, die in einer Broschüre erläutert werden.

Gleich zu Beginn wird betont, dass gemäß einer geltenden DIN-Norm „ein Ausschluss von der Fahrt aufgrund von Gesundheits- oder Sicherheitsgründen nicht als Diskriminierung zählt“. Spätestens dann, wenn etwas so explizit erwähnt wird, sollte man meiner Meinung nach hellhörig werden. So wurden alle Fahrgeschäfte von einem Sachverständigenbüro darauf geprüft, für welche Behinderungsformen welche Nutzungsverbote auszusprechen sind und dass sich jeder mit dem Hinweis auf das „Selbstbestimmungsrecht“, durch eine Verzichtserklärung und eine Begleitperson, über dieses Verbot hinwegsetzen kann. Dazu ist es notwendig sich am Eingang an den Gästeservice zu wenden, dort seine Einschränkungen und seine Personalien darzulegen und die Nutzungs- und Verzichtsvereinbarung zu unterzeichnen. Mit dieser darf man dann über den normalen Eingang – unter Vorzeigen des Durchschlags – die jeweilige Attraktion nutzen.

Die Einschränkungen sind nach bestimmten Oberbegriffen gegliedert, denen dann wiederum zu erwartende Nutzungsprobleme zugeordnet werden. Dazu zählt dann z.B. dass hörbehinderte Menschen akustische Signale nicht hören können. Stimmt: Aber es gibt ja durchaus die Möglichkeit, Lichtsignale zu ergänzen.

Abgabe von Verantwortung zu Lasten der Betroffenen

Menschen mit „neurologischen und psychischen Beschwerden“ wird unterstellt, dass eine Begleitung zwingend ist, „da sie nicht zu jedem Zeitpunkt selber mental im Stande sind über die Nutzung der Attraktion zu entscheiden“. Zudem könnten Anweisungen und Durchsagen nicht verstanden werden. Diese Fähigkeiten würde ich manch einem Besucher, ohne die beschriebenen „besonderen Einschränkungen“, ebenfalls nicht gleich zugestehen.

Ich denke auch, dass nicht jedes Fahrgeschäft für jeden Menschen mit Behinderung gleichermaßen geeignet ist. Dennoch sollte der richtigen Weg viel eher die technische und bauliche Umrüstung zu mehr Barrierefreiheit sein, anstatt der Stigmatisierung von einzelnen Personengruppen und der Verschiebung von Verantwortung auf Begleitpersonen und eine Verzichtserklärung!

Sollte man nicht außerdem davon ausgehen, dass jemand der/die nachweislich unter „Höhenangst“ leidet, von selber auf die Idee kommt, keine besonders hohen Fahrgeschäfte zu nutzen?

Um auch die Fachkenntnis zu verdeutlichen, hier noch eine Passage aus dem Abschnitt über die Menschen  mit „neurologischen und psychischen Beschwerden“: „Personen, die auf einen gesetzlichen Begleiter angewiesen sind, ist die Mitfahrt untersagt!“ Ob den Kollegen des Betreuungsvereins klar ist, dass die Nutzung von Fahrgeschäften zu Ihrem Wirkungskreis gehört?!

Ich finde, dass neben der deutlichen fachlichen Defizite, hier einfach ein bequemer Weg gefunden wurde, um die Abwendung möglicher Gefahren auf die Besucher abzuwälzen, statt ein kluges Konzept zur barrierefreien Gestaltung des Parks zu entwickeln, um allen Besuchern einen vergnüglichen Tag zu ermöglichen.

Und egal, was die Norm DIN EN 13814 dazu besagt: Ich finde den ganzen Vorgang ausgesprochen diskriminierend und werde meine Teams nicht mehr ermutigen, das Phantasialand zu besuchen!

Susanne Steltzer, Abteilung Leistungsbereich Wohnen und Leben

3 Kommentare zu “Phantasialand – Verzichtserklärung statt Barrierefreiheit

  1. Die allerschönsten Momente hatte ich im Phantasialand mit sogenannten “Menschen mit Behinderungen”. Ihren Spaß und ihre Freude zu erleben, die unterschiedlichsten Angebote für sich zu nutzen, erwärmt heute noch mein Herz. Jeder nach seinem persönlichen und individuellen Ermessensspielraum. Diese Möglichkeit sollen sie behalten – für ein selbstbestimmtes freudiges Leben. Karin Wieland aus Köln

  2. Leider wird dort, wie auch in vielen anderen (deutschen!) Parks mit deutscher Gründlichkeit das AGG umgangen und unter vermeintlichen ‘Sicherheitsbedenken’ unterwandert. Die Verzichtserklärung ist das Eine, trotzdem werden die meisten Fahrgeschäfte grundsätzlich untersagt. Einfache Möglichkeiten (Anhalten oder Verlangsamen zum Einstieg) waren früher selbst dort möglich, im Ausland gar kein Thema. Kurz: man WILL gar keine Möglichkeiten schaffen. Aufgrund der Nachfrage kann man auf einen Teil des Kundenkreises durchaus verzichten, man will eben nur Geld verdienen…. So ist es nun Mal. Wir haben diesbezüglich eh aufgegeben….

  3. Ich kann die Verärgerung der Betroffenen verstehen, allerdings sollte man auch schauen, warum bzw wann der Park diese Regelung getroffen hatte- nämlich nachdem Großbrand in 2001, wo es eben wichtig war, dass sämtliche Gäste den Gefahrenbereich zügig verlassen haben. Und das ist halt bei körperlich eingeschränkten Personen ohne Hilfe, hier kommt die Begleitperson ins Spiel, nicht immer möglich.

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