Für eine humane Aufnahme- und Integrationspolitik in Köln

Wir schaffen das (immer noch)!

Soziales Engagement und sich stark machen für soziale Gerechtigkeit in unserer Stadt, das ist die DNA der Caritas Köln und das bedeutet auch die Kommunalpolitik aktiv mitzugestalten.  Vorstandssprecher Peter Krücker sitzt deshalb schon lange am “Runde Tisch für Flüchtlingsfragen”, dieses Gremium hat jüngst ein Positionspapier zur Integrationspolitik herausgeben.

Seit 20 Jahren setzt sich der Runde Tisch für Flüchtlingsfragen für eine menschengerechte kommunale Integrationspolitik – gerade auch in schwierigen Zeiten ein. Unser Ziel ist bis heute ein gemeinsamer Konsens einer humanen Aufnahme- und Integrationspolitik in Verwaltung, Politik und der Kölner Bürger*innenschaft. Dies hat sich bewährt, so etwa 2015/2016, als über 15.000 Geflüchtete mit großer Empathie in Köln willkommen geheißen, sowie zuletzt 2022, als mehr als 13.000 Geflüchtete u.a. aus der Ukraine in Köln aufgenommen wurden.

Aktuell diskutieren Rechtsextremisten einen „Masterplan zur Re-Emigration“ von Millionen von Menschen aus Deutschland. Diese Pläne beschränken sich nicht auf Migrant*innen und Geflüchtete, sondern beziehen sich auch auf Menschen, die Geflüchteten helfen.

Es ist richtig und gut, dass sich dagegen breiter Protest zu Wort meldet. Aber es darf nicht bei diesen Demonstrationen bleiben. Unsere Diskussionen und unsere Politik müssen sich ändern. Die Rechte aller Menschen müssen wieder geachtet und geschützt werden. Dazu rufen wir auf!

Wir sind der festen Überzeugung, dass die Stadt Köln seit vielen Jahrzehnten von ihrem migrationszugewandten Klima profitiert. Daher laden wir alle an einem Konsens interessierten Akteur*innen der Stadtgesellschaft ein, Rassismus, Antisemitismus und Ausgrenzung entgegenzuwirken, die vielfältigen positiven Erfahrungen mit Migration laut zu benennen und wieder die wahren Ursachen der Mängel in der kommunalen Infrastruktur zu diskutieren.

Der Runde Tisch für Flüchtlingsfragen stellt fest: Ängste und Vorbehalte dürfen nicht dazu führen, internationales und humanitäres Recht außer Kraft zu setzen. Trotzdem müssen alle, die für ein humanes Asylrecht streiten, Ängste mit sachlichen Argumenten entkräften, Feindbilder abbauen und soziale Lösungen für gesellschaftliche Probleme aufzeigen, für die Geflüchtete zu Unrecht verantwortlich gemacht werden.

 

Unsere Forderungen an eine sachliche gesellschaftliche und politische Debatte:

  1. Die Fluchtursachen wieder stärker im Bewusstsein der Öffentlichkeit sichtbar machen

Hinter Flucht und Vertreibung stehen massive geopolitische Konflikte weltweit. Die Fluchtbewegungen sind auch Folgen von bestehenden postkolonialen Strukturen und des Klimawandels, vor allem im globalen Süden.

  1. Eine gerechte Verteilung der Geflüchteten einfordern

Die Europäische Union muss Lösungen für eine neue und gerechte Verteilung nach wirtschaftlichen und sozialen Kriterien unter Berücksichtigung der Interessen der Schutzsuchenden aushandeln.

  1. Das Recht auf Asyl erklären

Das Recht auf Asyl muss erklärt und alle Ermessensmöglichkeiten der Kommune im Asyl- und Aufenthaltsrecht zu Gunsten der Geflüchteten genutzt werden. Es besteht der Eindruck, der aktuelle gesetzliche Rahmen wäre eine offene Einladung zu ungesteuerter Migration. Die Realität sieht anders aus: Das Asylrecht ist kein “Recht einzuwandern“, sondern sichert den im Grundgesetz verankerten Anspruch auf ein rechtsstaatliches Verfahren, um den individuellen Schutzanspruch zu prüfen.

  1. An die positiven Erfahrungen mit Einwanderung nach Deutschland anknüpfen

Migration und Flucht gehören zur Geschichte der Menschheit. Heute ist Deutschland ein Einwanderungsland und fast ein Drittel seiner Bewohner*innen hat eine Migrationsgeschichte. Gerade in Köln wissen viele Menschen aus eigener Erfahrung, dass für die Wirtschaft Menschen mit Einwanderungsgeschichte unverzichtbar sind.

  1. Integration und Zusammenleben in der sozialen Stadt verwirklichen

2015 wie 2022 reagierten die Menschen in Deutschland auf die Geflüchteten aus Syrien und der Ukraine mit einer Welle der Hilfsbereitschaft. Eine schnelle Eröffnung von Teilhabechancen in allen gesellschaftlichen Bereichen ist der Schlüssel zu einer integrativen Stadtgesellschaft.

  1. Kommunen entlasten

Bund und Länder stellen keine ausreichende Finanzierung kommunaler Leistungen sicher. Kommunen müssen finanziell so ausgestattet werden, dass Integration Geflüchteter und der Ausbau der kommunalen Infrastruktur ermöglicht wird.

  1. Sozialen Wohnungsbau fördern

In Köln fehlen rund 80.000 Wohnungen. Dies erschwert den Umzug asylanerkannter Geflüchteter aus Gemeinschaftsunterkünften in Wohnungen. Großunterkünfte stoßen in ihrer Nachbarschaft häufig auf Ablehnung. Es braucht daher eine konsequente Förderung des sozialen Wohnungsbaus für alle Kölner*innen.

  1. Für gute Bildung, Ausbildung und Arbeit sorgen

45 Prozent aller Geflüchteten sind Frauen und Kinder. Alle Kinder haben ein Recht auf einen Platz in Kitas und Schulen. Bildung, Ausbildung und Arbeit sind die besten Wege, um ein eigenständiges Leben zu führen und die Kommunen finanziell zu entlasten. Die Bundesregierung muss Arbeitsverbote für Geflüchtete aufheben und die Vermittlung durch die Jobcenter und Arbeitsagenturen vereinfachen und beschleunigen.

Die Willkommenskultur 2015/2016 hat gezeigt, wie Vorbehalte überwunden und ein Zusammenleben ermöglicht werden kann. Für eine Stadt der Vielfalt!

 Gemeinsam sind wir Köln – das bleibt unsere Aufgabe.

Weitere Infos zum Runden Tisch für Flüchtlingsfragen

„Wir brauchen eine konstruktive Asylpolitik, eine Bezahlkarte ist diskriminierend“

Der Caritasverband für die Stadt Köln kritisiert den Beschluss der Bund-Länder-Vertreter*innen vom 31. Januar zur Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber*innen. Wir haben uns bei den Experten der Caritas Köln umgehört und diese Stimmen eingefangen:

Peter Krücker, Vorstandssprecher:

„Wir lehnen die Bezahlkarte ab. Ein solches Verfahren ist diskriminierend und unterstützt keinen Integrationsprozess. Geflüchtete können so an jeder Supermarktkasse als Asylbewerber*innen identifiziert werden. Das ist unwürdig und schafft kein Vertrauen in unser Land, im Gegenteil: So ist es ein Instrument zur Drangsalierung. Die Etablierung der Karte und die regelmäßige Buchung von Guthaben auf die Karte verdoppeln den bestehenden Verwaltungsaufwand. Zudem ist schon jetzt absehbar, dass mit der Karte nicht überall bezahlt

werden kann. Wie erhalten die bedürftigen Menschen dann die Hilfe, die sie benötigen? Wir brauchen eine konstruktive Asylpolitik, die das Ankommen und die Integration der geflüchteten Menschen erleichtert und ihre Würde erhält.“

Susanne Rabe-Rahman, Leitung Perspektivberatung für Geflüchtete

„Wir werden auf jeden Fall zum Widerspruch gegen eingeschränkte Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz inkl. des neuen Modells der „Bezahlkarte“ aufrufen. Wir hatten das in ähnlicher, etwas „altmodischerer“ Form schon mal in Köln – und viele Geflüchtete sind daran gescheitert, weil Geschäfte das Zahlmittel entweder gar nicht oder nicht für alle Waren annahmen.

Außerdem: Wie können Geflüchtete in Zukunft für rechtlichen Beistand sparen, den sie im Hinblick auf unfaire Asylrechtsentscheidungen in Anspruch nehmen wollen?

Und wenn sie 50€ im Monat an die Eltern oder Kinder im Ausland weiterleiten, damit diese nicht verhungern müssen – was ist so schlimm daran?

Wir wollen doch „sparen“ – warum dann die Ungleichbehandlung fördern und die Kosten hierfür immer weiter ansteigen lassen – nicht nur an den EU-Außengrenzen? Und damit soll „Migration“ gesteuert werden? Das erhöht nur die Steuern der Steuerzahlenden.“

Tim Westerholt, Leitung Leitungsbereich Integration und Beratung

„Bezahlkarten sind aus vielen Gründen abzulehnen und ein vergleichbares System ist nicht ohne Grund bereits in den 90er Jahren einmal eingeführt und wieder abgeschafft worden. Neben den erheblichen zusätzlichen finanziellen und organisatorischen Belastungen für die Kommune (und immerhin hat der Bund zügig signalisiert, keinerlei Kosten für die Einführung einer solchen Karte zu übernehmen), sind es vor allem humanitäre Gründe, die zu einer Ablehnung führen.

Eine Bezahlkarte zwingt Schutzsuchende in aller Öffentlichkeit (etwa an der Supermarktkasse, oder die Kinder beim Schulfest), ihren Status kundzutun. Sie verhindert ein selbstverantwortliches Handeln und reduziert hierdurch das Recht auf finanzielle Selbstbestimmung. Die Finanzierung juristischer Unterstützung wird hierdurch erschwert, ebenso wie die oftmals geleistete lebensnotwendige Unterstützung von hinterbliebenen Verwandten im Krisenstaat. Weiterhin führt sie zu peinlichen Situationen, wenn die finanzielle Transaktion nicht klappt, die Karte nicht anerkannt wird und gleichzeitig noch keine Sprachkenntnisse vorhanden sind, die Situation zu erklären. Vorteile sind kaum zu sehen und es verbleibt die Vermutung, dass die Karte lediglich eingeführt wird, um seitens der Bundesregierung zu suggerieren, eine vermeintlich „außer Kontrolle“ geratene Geflüchtetensituation durch mehr Bürokratie kontrollierbar zu machen.“

Jugendbüro Meschenich gerettet!!!

Lange mussten wir Zittern!!!

Im November hieß es: 6 von 12 Kölner Jugendbüros sollen geschlossen werden, u.a. das Jugendbüro der Caritas am Kölnberg – die Verbleibenden in ihrem Angebot gekürzt. Die Maßnahme ‚Kölner Jugendbüros‘ wird im Auftrag des Jobcenters durchgeführt und bildet ein wichtiges Bindeglied zwischen Jugendlichen / jungen Erwachsenen und den händeringend nach Azubis oder Arbeitskräften suchenden Betrieben. Hoffnung brachte die jüngste Haushaltsbereinigungssitzung, Anfang Dezember. Dort wurde beschlossen, dass der Etat doch nicht wie erwartet reduziert werden soll. Die Entscheidung musste aber noch vom Bundesrat bestätigt werden. Jetzt endlich (am 18.12.) kam die erlösende Nachricht, dass alle Kölner Jugendbüros geretten werden können, z.T. mit 70% statt 100% Auslastung. Nach wochenlangem Hin & Her muss sich diese frohe Kunde erstmal bei allen Beteiligten setzen. 

 

Ein Kommentar von Gernot Schroer, Mitarbeiter Jugendbüro Kölnberg

Ausgerechnet in Zeiten des Fachkräftemangels sollte genau diese wichtige Schnittstellenarbeit der unklaren Finanzierungssituation zum Opfer fallen. Unverständlich und nicht nachvollziehbar. Denn: für das Jobcenter rechnet sich die Maßnahme, fallen doch alle vermittelten Teilnehmer entweder teilweise oder sogar ganz aus dem Leistungsbezug heraus. Und aus Sicht der Teilnehmenden geht es bei der Berufswahl und -entscheidung nicht nur um Geld, sondern auch um individuelle Perspektive und Persönlichkeitsentwicklung.

Zudem arbeiten alle Jugendbüros in den sogenannten sozialen Brennpunkten der Stadt und leisten damit eine wichtige Stadtteilarbeit im Kampf gegen Jugendarbeits- und -perspektivlosigkeit.

So auch das Jugendbüro am Kölnberg in Meschenich. Ursprünglich als Jugendbüro Südstadt im Jugendzentrum GOT Elsaßstraße verortet, dann für kurze Zeit am Waidmarkt, ist es auf ausdrücklichen Wunsch des Jobcenters 2018 an den Kölnberg umgezogen. Vor dem Hintergrund des Bedarfs am Kölnberg durchaus verständlich und mit dem Vorteil des kurzen Weges für die Teilnehmenden verbunden. Eint doch alle Meschenicher Jugendlichen das Problem des weiten Anfahrtsweges, egal wohin es in die Stadt geht – und gerade auch – wenn dann endlich gefunden – zum Ausbildungs- oder Arbeitsplatz.

Die unterstützende Beratung der Jugendbüros ist immer Hilfe zur Selbsthilfe. Die Beratung dient der Verselbstständigung des/der Einzelnen. Konkret: Bewerbungsunterlagen werden erstellt oder optimiert, die später nur aktualisiert werden müssen. Notwendige Ressourcen (Laptop, Internetzugang, Scanner, Kopierer u.a.m.,) werden vom Büro gestellt. In Trainings werden die Teilnehmer gezielt auf Einstellungstests, Vorstellungsgespräche oder / und Assessment-Center vorbereitet. Weiß jemand noch gar nicht, wohin die Reise gehen soll, gehört die individuelle Berufsorientierung zum festen Bestandteil der Beratungstätigkeit. Für andere Problematiken übernimmt das Jugendbüro Lotsenfunktion und vermittelt an passende Beratungsstellen.

Vor diesem vielschichtigen Hintergrund hätte eine Schließung von Jugendbüros sozial wie auch rechnerisch keinen Sinn gemacht, zusätzlich wäre ein wichtiger Bestandteil des sozialen Lebens verloren gegangen.

Köln bleib sozial!

 

„Wir kämpfen für die Rettung der sozialen Infrastruktur!“

Die Angebote und Dienste der Caritas Köln werden durch kommunale, Landes- oder Bundesmittel finanziert. Bei allen drei Finanzierungsquellen zeigen sich momentan Entwicklungen, die die Träger sozialer Dienste vor enorme Herausforderungen stellen: Erhebliche Kürzungen in den Haushaltsplanungen 2024 auf Landes- und Bundesebene und eine nicht-auskömmliche Refinanzierung auf kommunaler Ebene. Und dies in Zeiten, in denen Träger extremen Mehrbelastungen durch tarifbedingte Personalkostenerhöhungen und inflations- und krisenbedingt stark gestiegene Sachkosten ausgesetzt sind!

In Köln sind die Träger mit der folgenden Situation konfrontiert: Im derzeit geltenden Doppelhaushalt 2023/2024 der Stadt Köln sind die Kostensteigerungen nicht eingeplant. Sie können über den sog. Strukturförderfonds der Stadt Köln nur anteilig kompensiert werden. Auch wenn im Haushalt 2024 erneut die Mittel des Strukturförderfonds zur Verfügung stehen, reichen diese bei Weitem nicht aus, um die Kostensteigerungen im Jahr 2024 nur ansatzweise abfedern zu können. Die aktuellen Förderungen sind demnach von den tatsächlichen Kostensteigerungen entkoppelt!

Die Kombination aus Finanzierungsproblemen und gleichzeitig akuter Personalnot führt Träger und Einrichtungen in eine dramatische Lage. Zu erwarten sind die Reduzierung von Öffnungszeiten, die Schließung von Angeboten und drohende Insolvenzen. Die Situation ist fatal, insbesondere für die Bürgerinnen und Bürger, die eine stabile soziale Infrastruktur mit ihren vielfältigen Angeboten dringend benötigen und auf sie setzen!

Die derzeitige Lage ist nicht „hausgemacht“, sondern betrifft alle Träger der freien Wohlfahrt. Laut einer aktuellen Befragung der Diakonie in Nordrhein-Westfalen rechnen beispielsweise vier von fünf Trägern mit negativen Jahresergebnissen und jeder dritte Träger rechnet mit einem Liquiditätsengpass. Zudem erwarten viele Träger Angebotsreduktionen, Zahlungsunfähigkeiten bis hin zu Insolvenzen. Dazu die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (LAG FW NRW): „Die Rahmenbedingungen waren schon in der Vergangenheit selten auskömmlich, sind nun aber endgültig untragbar!“

In der Trägerlandschaft herrscht durch diese Umstände eine hohe Verunsicherung. Diese Sorge strahlt auch auf die Beschäftigten aus. Aus diesem Grund ist der Caritasverband in Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (LIGA, LAG) politisch aktiv und befindet sich in Gesprächen mit Ratsmitgliedern der Stadt Köln sowie mit Kölner Abgeordneten des Landtags und des Bundestages. Zudem beteiligt sich der Caritasverband an der Kampagne „NRW bleib sozial“ der LAG FW NRW. Im Rahmen der Kampagne hat bereits eine große Kundgebung vor dem Düsseldorfer Landtag am 19.10.2023 stattgefunden. Am 08.11.2023 hat die LIGA Köln zudem eine Mahnwache vor dem Kölner Rathaus organisiert.

Da es nach wie vor keine konkreten Entscheidungen gibt (Stand Ende November 2023), hat die LIGA eine für die Freie Wohlfahrt in Köln historische Protestaktion initiiert. Am 28. und 29.11. blieben mehr als 500 soziale Einrichtungen geschlossen. Höhepunkt der Protestaktion war eine Demonstration mit deutlich mehr als 8.000 Menschen durch die Kölner Innenstadt.

Wir setzen uns dafür ein, dass Politik und Verwaltung jetzt handeln, um soziale Angebote in Köln und Nordrhein-Westfalen zu sichern und eine qualitativ hochwertige soziale Arbeit aufrechtzuerhalten.

Peter Krücker/Caritas-Vorstand und Raphael Kösters/Vorstandsreferent

Erklärung zu den massiven Kürzungen in der Integrationsarbeit im Bundeshaushalt 2024

Mit den von der Bundesregierung vorgesehenen Kürzungen werden Armut, soziale Ungleichheit und gesellschaftliche Konflikte auch in Köln weiter zunehmen. Der Runde Tisch für Integration lehnt dies entschieden ab. Die Wahrung der Schuldenbremse darf nicht auf Kosten des sozialen Friedens in unserer Stadt umgesetzt werden. Tim Westerholt, Leitung Leistungsbereich Integration und Beratung vertritt die Caritas Köln im “Kölner Runden Tisch für Integration e.V.”.

Zur Wahrung der sogenannten „schwarzen Null“ vollziehen sich aktuell drastische Kürzungen, bis hin zu Streichungen von teils jahrzehntelang bestehenden Programmen der Förderung und Unterstützung neu eingewanderter Menschen, die auch dramatische Folgen für die Integrationsarbeit der Stadt Köln haben. Der Kölner Runde Tisch für Integration lehnt die von der Bundesregierung bereits für 2024 vorgesehenen drastischen Kürzungen entschieden ab und bittet Sie, sich diesbezüglich als Oberbürgermeisterin einer der größten deutschen Metropolen im Städtetag sowie gegenüber der Bundesregierung gegen die Kürzungen einzusetzen.

Vollständig gestrichen werden sollen die Bildungsberatung und Förderung (und damit Hilfen zur Fachkräftegewinnung) ausländischer Studierender durch den Garantiefond Hochschule. Auch das Programm Respekt Coaches zur Rassismus- und Extremismusprävention an bundesweit über 270 Schulen soll gestrichen werden. Der Abbau demokratiefördernder Strukturen und Programme durch die Bundesregierung erscheint dabei gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Umfrageergebnisse rechtsextremer Parteien mehr als fragwürdig.

Von Kürzungen zwischen 30 und 60 Prozent ist auch die aktive Integrationsarbeit der Beratungs-programme des Jugendmigrationsdienstes (JMD), der Migrationsberatung für Erwachsene Zuwandernde (MBE), die gerade erst von der Bundesregierung aufgebaute bundesweite, behör-denunabhängige Asylverfahrensberatung (AVB), sowie das Bundesprogramm der Psychosozialen Zentren (PSZ), durch welches traumatisierte Geflüchtete eine therapeutische Unterstützung erhalten, betroffen. Weitere negative Auswirkungen sind durch die drastische Kürzung der Freiwilligendienste, sowie die Unterstützung unter 25-jähriger Bürgergeldbezieher*innen, insbesondere durch eine Reduzierung des entsprechenden Eingliederungstitels im SGB II zu befürchten.

Dies alles steht im krassen Gegensatz zur Absicht der Bundesregierung, Armut und soziale Ausgren-zung zu bekämpfen, sowie Integration und Fachkräftegewinnung zu fördern! Die vorgesehenen Kürzungen haben deutliche Einschränkungen zur Folge. Sie gefährden die qualitative Unterstützung von eingewanderten Menschen, die Begleitung und Stabilisierung ihrer sprachlichen Förderung, die Information über hiesige politische und behördliche Strukturen, die gute Vorbereitung auf die Annahme und den erfolgreichen Abschluss von Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten. Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgekosten dieses Sozialabbaus werden die beabsichtigten Einsparungen um ein Vielfaches übersteigen – auch in Köln.

Konkret sind durch die im Raum stehenden Kürzungen in Köln ca. 13 VZ-Beratungsfachkräfte betroffen.

Rechnen wir die durchschnittlichen Beratungszahlen einer Fachkraft aufs Jahr hoch, so stehen ab 2024 rund 15.000 Einzelberatung auf dem Spiel, die anderweitig aufgefangen werden müssten. Hinzu kommen die gestrichenen „Empowerment-orientierten“ Angebote der politischen Bildungsarbeit, von denen in den letzten vier Jahren über 2.000 Schüler*innen profitieren konnten.

Tim Westerholt, Leitung Leistungsbereich Integration und Beratung vertritt die Caritas Köln im Kölner Runden Tisch für Integration e.V.. Der Kölner Runde Tisch für Integration wurde 1991 gegründet. Hier kommen Menschen mit und ohne deutschen Pass, vor allem aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft, Verbänden und Initiativen zusammen, die sich um ein gutes Zusammenleben zwischen Kölnerinnen und Kölnern – einheimischen und eingewanderten – bemühen. Der Verein engagiert sich für eine solidarische und sozial gerechte Stadt, für das Recht auf Asyl und die Konvention zum Schutz von Flüchtlingen. 

 

Sozialarbeiter*innen des Herzens

Mit Terminen ist das mitunter so eine Sache. Zu manchen will man nicht. Zu manchen muss man. Zu anderen würde man gern. Wieder andere scheinen einfach nicht in den Kalender zu passen. Und dann gibt es da Termine, die sind ein echter Gewinn. Die lassen einem einfach nur das Herz aufgehen. Die sind echte Highlights. Einen solchen Termin hatte ich in dieser Woche, auch wenn der Anlass an sich recht spröde und simpel mit dem Begriff „Zertifikatsübergabe“ in meinem Kalender überschrieben war.

Tatsächlich ging es auch um eine Zertifikatsübergabe. Die vierte seit Bestehen des Projektes zur Qualifizierung von Stadtteilmüttern und -vätern im Caritasverband Köln. Ein Projekt, das seit 2009 in Meschenich beheimatet ist, in der Vergangenheit sich immer wieder neuen Anforderungen und geänderten Begebenheiten angepasst hat und unter Schirmherrschaft des Bezirksbürgermeisters für den Kölner Süden steht.

Warum war das ein toller Termin? Weil sich wunderbare, selbstbewusste und stolze Frauen präsentiert haben, die aus unterschiedlichen Ländern wie Irak und Ägypten kommen. Weiterlesen

Phantasialand – Verzichtserklärung statt Barrierefreiheit

Buntes RiesenradWie die meisten von uns, haben auch unsere Klientinnen und Klienten und alle anderen Menschen mit Behinderung große Freude an einem Besuch im Phantasialand in Brühl bei Köln. Dort gelten jetzt allerdings besondere Regelungen für „Menschen mit besonderen Einschränkungen“, die in einer Broschüre erläutert werden.

Gleich zu Beginn wird betont, dass gemäß einer geltenden DIN-Norm „ein Ausschluss von der Fahrt aufgrund von Gesundheits- oder Sicherheitsgründen nicht als Diskriminierung zählt“. Spätestens dann, wenn etwas so explizit erwähnt wird, sollte man meiner Meinung nach hellhörig werden. So wurden alle Fahrgeschäfte von einem Sachverständigenbüro darauf geprüft, für welche Behinderungsformen welche Nutzungsverbote auszusprechen sind und dass sich jeder mit dem Hinweis auf das „Selbstbestimmungsrecht“, durch eine Verzichtserklärung und eine Begleitperson, über dieses Verbot hinwegsetzen kann. Dazu ist es notwendig sich am Eingang an den Gästeservice zu wenden, dort seine Einschränkungen und seine Personalien darzulegen und die Nutzungs- und Verzichtsvereinbarung zu unterzeichnen. Mit dieser darf man dann über den normalen Eingang – unter Vorzeigen des Durchschlags – die jeweilige Attraktion nutzen. Weiterlesen

Zahlen, Daten, Menschen! Wie gut ist unser Krankenversicherungssystem?

Arzt misst bei Patient BlutdruckDas Glas ist ziemlich voll, würde unser amtierender Gesundheitsminister Jens Spahn voller Optimismus wahrscheinlich sagen. Und wirklich: 80 Millionen Menschen in Deutschland sind über eine private oder gesetzliche Krankenversicherung gesundheitlich mehr oder minder zufriedenstellend versorgt. Und den gesetzlichen Kassen geht es gut – 2017 erzielten sie einen Überschuss von rund drei Milliarden Euro, ihr Zuschuss wuchs damit auf über 28 Milliarden.

Und doch ist es wie so oft eine Frage der Perspektive, denn auch das gehört zur Wahrheit: Die ehrenamtlichen Sprechstunden von Ärzt_innen in Köln, in denen Menschen ohne Krankenversicherungsschutz behandelt werden, sind ebenso voll, wie die Behandlungszimmer der Malteser Migranten Medizin oder des Gesundheitsamtes. Zu ihren Patient_innen gehören Erwerbstätige ebenso wie Kinder, alte wie junge Menschen, hier geborene sowie Eingewanderte. Die Zahl der Versicherten zu benennen ist ein leichtes, Zahlen zu den Nicht-Versicherten sind immer unscharf. Rund 80.000 Menschen ohne Krankenversicherung, sagt das statistische Bundesamt – ohne Aufschluss über die Zahl der Menschen ohne Aufenthaltspapiere, der abgelehnten Asylbewerber oder der eingewanderten EU-Bürger_innen zu geben. Wer sich hierzu ein wenig in die Recherche begibt, findet unterschiedlichste Zahlen: Mal sind es 100.000 Menschen alleine in Berlin, dann doch nur „rund“ 100.000 Personen in ganz Deutschland, dann insgesamt wieder rund 800.000 bundesweit. Die Informationen schwanken zumeist je nach politischer Färbung und Absicht. Weiterlesen

Weihnachten kommt. Weihnachten kommt?

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Weihnachten kommt in diesem Jahr so schnell…
Wir sind doch noch nicht fertig!? Baustellen überall…
Ob das unsere bundespolitische Baustelle „Regierungsbildung“ ist, ob es die Baustelle „Europa: Sein oder nicht sein?“ ist, oder die Baustelle „Menschenrecht auf Asyl“: Die Regierungen haben Schwierigkeiten, den Platz für Menschlichkeit zwischen Grenzzäunen und Lagern oder Gesetzen und Richtlinien einzubauen und aufrecht zu erhalten. Antwort: Ja, das kommt noch… Aber erst später, im Moment ist anderes wichtig! Wir wollen zuerst das Rechte (!?) tun…

Noch wackelt alles – oder es wird so statisch, dass menschliches Leben keine Rolle mehr spielt bzw. spielen kann. Vielleicht mauern wir einfach alles zu, so doch auch die Idee für den Ebertplatz. Dann haben wir jedenfalls keine Probleme mehr…
Köln ist sowieso Baustelle. Bietet Köln Raum? Für wen oder was? Und wie lange dauert das? Und wenn es dann fertig ist – hält das auch? Wir haben eine schnelllebige Zeit und Materialien werden scheinbar auch schneller alt. Der Bezirk Kalk unterscheidet sich da nicht. Die Baustellen an der Hauptstraße oder auf dem Fabrikgelände, oder im nächsten Jahr im Caritas-Zentrum Kalk… Weiterlesen

Armut, Exklusion, Wahlverhalten und Politik in Köln

Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Thomas Münch/Hochschule Düsseldorf:

„Wahlbeteiligung höchst unterschiedlich…“ betitelt die Stadt Köln in ihrem Handout in einer Pressekonferenz zur Bundestagswahl 2017 die Wahlergebnisse, um dann im nächsten Kapitel zu beschreiben, wie sich diese Wahlbeteiligung zwischen 45,8 und 88,5 Prozent verortet. Die geringsten Wahlbeteiligungen findet man in den Stadtteilen Chorweiler, Vingst, Gremberghoven und Finkenberg. Die höchste in den Stadtteilen Hahnwald, Klettenberg, Lindenthal, Sülz, Lövenich und Junkersdorf.
Kölnerinnen und Kölner mit nur durchschnittlichem Interesse an ihrer Stadt können diese Stadtteile direkt zuordnen – in armen Stadtteilen gehen weniger Menschen zur Wahl als in wohlhabenden bzw. reichen. Oder, um erneut aus dem Handout des Presseamtes der Stadt zu zitieren: „Nichtwähleranteile nach wie vor hoch in sozial schwächeren Gebieten…“ (a.a.O.: 8).

Ohne an dieser Stelle weiter auf die interessante Frage einzugehen, was denn wohl das Presseamt der Stadt Köln unter „sozial schwach“ versteht, kann vermutet werden, dass hier der Zusammenhang zwischen sozioökonomischer Lage und Wahlbeteiligung gemeint ist. Und so ist es auch und wird empirisch belegt: In Kölner Stadtteilen und Stadtvierteln mit einem hohen Anteil an Leistungsbeziehern nach dem Sozialgesetzbuch II (umgangssprachlich auch „Hartz IV“ genannt) kann der Anteil der Nichtwähler bis auf über 60 % steigen.

Armut – so wir denn das Leben in der Grundsicherung nach dem SGB II entsprechend dem sozialwissenschaftlichen Diskurs als Leben in Armut bezeichnen (vgl. Cremer 2017) – führt zu geringerer politischer Teilhabe in Form von Wahlbeteiligung als das Leben in ökonomischer Sicherheit oder gar im Überfluss. Der reiche Kölner im Hahnwald, so könnte man diesen Befund verkürzen, schätzt den Wert seiner Wahlstimme höher ein, als der Arme in Chorweiler. Weiterlesen