“Das Therapiezentrum ist für mich das Boot …”

Ein erheblicher Anteil der in Deutschland schutzsuchenden Geflüchteten (30-40%) leidet aufgrund von Gewalterfahrungen, Folter und Verfolgung im Heimatland und auf der Flucht unter psychischen Belastungsfolgen.  Für diese Menschen, sind die Psychosozialen Zentren die einzige Zugangsmöglichkeit zu dringend notwendiger Beratung und Behandlung. Sie fördern den Erhalt demokratischer Grundwerte und die Wahrung der Menschenrechte!

Anlässlich des Welt-Flüchtlingstags haben wir uns in unserem Caritas-Therapiezentrum für Menschen nach Folter und Flucht mal umgehört und Stimmen unserer Kolleg*innen eingefangen:

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Für mich gehört das Therapiezentrum zu den Orten, die entgegen aller politischen Entwicklungen versuchen, die Humanität gegenüber Menschen in schwerster Not zu erhalten. Ich glaube gesellschaftlich gibt es in Deutschland und Europa einen großen Widerwillen, all das Schreckliche, das Menschen erleben müssen und zu einer Flucht bewegt, wirklich anzuerkennen. Es ist für viele leichter, diese Menschen auszublenden, zu entmenschlichen und zu verteufeln. Es ist keine einfache Arbeit, diese Geschichten an sich heranzulassen, aber ich schätze sie, weil sie der Wahrheit ins Gesicht sieht anstatt sie gegen die Verletzlichsten unserer Gesellschaft zu wenden. Ich glaube an die Aussage von Maya Angelou: „The truth is, no one of us can be free until everybody is free.“

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Das Therapiezentrum ist für mich das “Boot“, das Folter- und Flucht-Überlebende ans sichere Ufer bringen kann. Wie viele Menschen überleben Folter wie Flucht und schaffen es nach Deutschland; und gehen dann kaputt weil (zum Beispiel) das Therapiezentrum wegen mangelnder politischen und finanziellen Unterstützung nicht ausreichend helfen kann.

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Arbeit im CTZ ist praktische Menschenrechtsarbeit.

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  • Was ist das Therapiezentrum, was passiert dort?

Das Therapiezentrum ist als Psychosoziales Zentrum (PSZ) ein Ort, der als Brücke zur Gesellschaft beschrieben werden kann. Das Caritas-Therapiezentrum als Ort für Geflüchtete Menschen, an dem ein Ankommen möglich ist. An dem gemeinsam nach Türen in ein neues, sicheres Leben geschaut wird und Menschen Unterstützung dabei erfahren, sich diese vielfältigen, manchmal auch unzähligen Türen zu öffnen und hindurch zu gehen.

 

  • Was macht die Arbeit für Sie besonders? Wann erfüllt Sie ihr Job?

Wenn Klient:innen mir zurückmelden: „Sie haben mir meine Seele ein bisschen leichter gemacht.“, dann weiß ich, ich tue das Richtige.

 

  • Warum ist das Angebot für den gesellschaftlichen Frieden der Stadt so wichtig?

Menschen deren Seele zur Ruhe kommen kann, weil sie sich (vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben) in Sicherheit fühlen können und die einen Ort und Möglichkeiten finden, alte Belastungen zu lindern oder gar loszulassen werden ihren Weg in eine neue Zukunft gehen können. Eine Zukunft, in der sie sich mit anderen Menschen verbinden, statt sich allein und unsicher zu fühlen. Diese Verbundenheit mit dem Leben und mit den Menschen schafft Begegnung und Perspektive und trägt zum gesellschaftlichen Frieden im Miteinander bei.

 

  • Was erleben sie in Ihrem Berufsalltag? Was war ihr schönstes Erlebnis? Gibt es eine besondere Erfolgsgeschichte?

Die Gemeinsamkeit und die Stärke eines mit den Klient*innen solidarischen, multiprofessionellen Teams und dessen menschenwürdiges Handeln. Die Kompetenz des CTZ-Teams auf allen Ebenen schafft eine belastbare und in dieser Kompetenz helfende Basis, um denjenigen, die alles verloren haben einen Ort zum Ankommen bereiten zu können und ihnen das Weitergehen zu ermöglichen.

 

  • Solidarität mit Geflüchteten Menschen, was kann jede*r einzelne dazu beitragen?

Sich einfach manchmal den Gedanken erlauben:

Was wäre eigentlich, wenn ich die Geflüchtete wäre? … mein Mann vor meinen Augen enthauptet …meine Tochter von Unbekannten verschleppt …mein Leben und meine Seele in Trümmern und mehr als den Schmerz und die kaputten Schuhe an meinen Füßen ist mir nicht geblieben. Würde ich Arme brauchen, in die ich vertrauensvoll sinken kann? … in deren Schutz ich mir das Weinen erlauben kann? … deren Hände mich halten und mir Sicherheit geben, wenn meine Überlebensschuld und verlorene Menschenwürde mich in die Knie zu zwingen drohen? …

Dieser Gedanke kann vielleicht helfen, dass wir als Gesellschaft menschlich bleiben, den Wert eines menschenwürdigen Handelns als hohes Gut in unseren Alltag integrieren und schließlich nicht vergessen, dass Menschenwürde keine Selbstverständlichkeit ist sondern unserer inneren Haltung entspringt.

 

Hintergruninformationen zu den Psychosozialen Zentren für Geflüchtete: 

Die PSZs in Deutschland leisten mit traumzentrierter/psychosozialer Beratung und Psychotherapie sowie der Weiterbildung von Fachkräften einen wesentlichen Beitrag zur Teilhabe und Integration Geflüchteter.

Multiprofessionelle Teams entlasten Behörden und das Aufnahmesystem. Sie stärken Geflüchtete in ihrer Lern- und Arbeitsfähigkeit und begleiten sie auf dem Weg in Schule, Ausbildung und Arbeit. Die Anbindung der Menschen an die Zentren ebnet Wege zur Integration, ermöglicht die Genesung von Menschen, die als Fachkräfte dringend gebraucht werden und baut eine Brücke zur Gesellschaft. Isolation, Ohnmachtserleben und resultierende potenzielle Krisen sowie Gefährdungen werden in den PSZs erkannt und frühzeitig abgewendet. Das Engagement der PSZs fördert auf diese Weise das gesellschaftliche Miteinander und trägt zur Sicherung des sozialen Friedens sowie zur Stärkung der Orientierung an demokratischen Grundwerten bei.

Ein erheblicher Anteil der in Deutschland schutzsuchenden Geflüchteten (30-40%) leidet aufgrund von Gewalterfahrungen, Folter und Verfolgung im Heimatland und auf der Flucht unter psychischen Belastungsfolgen. Postmigrationsstressoren tun ihr Übriges. Für diese Menschen, die kaum Chancen haben im gesundheitlichen Regelsystem anzukommen, sind die Psychosozialen Zentren die einzige Zugangsmöglichkeit zu dringend notwendiger Beratung und Behandlung. Die Identifikation besonderer Schutzbedarfe infolge psychischer Belastungen und die Bereitstellung adäquater Hilfen sind Konsens nach den EU-Aufnahmerichtlinien. Die PSZs in Deutschland setzen diese EU-Richtlinie kompetent und zuverlässig um. Diese Versorgungsstruktur müsste ausgebaut und nicht gekürzt werden.

Die Kürzungen Im Haushaltsentwurf 2025 für die PSZs in der Bundesrepublik Deutschland um 45,8% von 13,1 Mio. € im Jahr 2024 auf 7,1 Mio. € für das Jahr 2025 gefährden diese gesellschaftlich relevante Aufgabe erheblich und führen in der Konsequenz zum Scheitern von Integration und der Zunahme sozialer Konflikte.

Zusätzliche Informationen zu der Arbeit der PSZs in Deutschland und den Konsequenzen der Kürzungen finden Sie hier:

https://www.baff-zentren.org/aktuelles/bundeshaushalt_kuerzung_psz_2025/

2024-08-06_Fact_Sheet_PSZ_BAGFW_aktualisiert_nach_RE_und_mit_BAfF_Daten.pdf

 

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