Der Blick von meinem Arbeitsplatz auf Ehrenfeld… Vielfalt oder Abschottung?

Aus meinem Fenster sehe ich den Dom, den Fernsehturm, die Minarette der Großmoschee, bunte Graffitis über den Bahnbögen. Ich sehe Offenheit, Vielfalt, all das, was eine Großstadt wie Köln so ausmacht. Es regt mich an, wenn ich beim Schreiben von Texten, den Blick kurz schweifen lasse, und macht meinen Kopf freier.

Täglich fahre ich an der Großmoschee vorbei, für mich ein architektonisches Meisterwerk des Architekten Paul Böhm, das mit den Durchbrüchen nach oben Licht, Himmel, die Welt draußen nach innen lässt. Das Gebäude ist eigentlich das genaue Gegenteil eines Symbols der Abschottung, wie Carsten Fiedler es nach dem Erdogan-Besuch in seinem Kommentar im Kölner Stadt-Anzeiger vom 01.10. beschreibt. Aber leider war dieser denkwürdige Tag nicht anders zu verstehen. Die Kommunikation der Ditib, der Affront gegen städtische Vertreter*innen, die Inszenierung des Erdogan-Besuchs, das Auftreten der Ditib-Sicherheitspersonals, die Erdogan-Anhänger*innen, die ihren Beschützer enthusiastisch und geschlossen feierten.

Die Stadt stand am Samstag still und auch ich war wie viele andere sprachlos über die Inszenierung des Autokraten, über die vertane Chance, mit der offiziellen Eröffnung ein Fest der Begegnung in der Stadtgesellschaft zu feiern, die für gegenseitiges Verständnis wirbt, so wie auch der Beirat es immer angeregt hatte. (mehr …)

Sozialarbeiter*innen des Herzens

Mit Terminen ist das mitunter so eine Sache. Zu manchen will man nicht. Zu manchen muss man. Zu anderen würde man gern. Wieder andere scheinen einfach nicht in den Kalender zu passen. Und dann gibt es da Termine, die sind ein echter Gewinn. Die lassen einem einfach nur das Herz aufgehen. Die sind echte Highlights. Einen solchen Termin hatte ich in dieser Woche, auch wenn der Anlass an sich recht spröde und simpel mit dem Begriff „Zertifikatsübergabe“ in meinem Kalender überschrieben war.

Tatsächlich ging es auch um eine Zertifikatsübergabe. Die vierte seit Bestehen des Projektes zur Qualifizierung von Stadtteilmüttern und -vätern im Caritasverband Köln. Ein Projekt, das seit 2009 in Meschenich beheimatet ist, in der Vergangenheit sich immer wieder neuen Anforderungen und geänderten Begebenheiten angepasst hat und unter Schirmherrschaft des Bezirksbürgermeisters für den Kölner Süden steht.

Warum war das ein toller Termin? Weil sich wunderbare, selbstbewusste und stolze Frauen präsentiert haben, die aus unterschiedlichen Ländern wie Irak und Ägypten kommen. (mehr …)

Leistungskürzungen bei Hartz-IV haben oft dramatische Folgen und verschärfen Armut

Wer beim Jobcenter einen Termin verpasst, bekommt weniger Geld. Von den knapp 15.000 Sanktionen, die gegen Hartz-IV-Bezieher*innen in der Stadt Köln 2017 verhängt wurden, sind 80 Prozent auf Meldeversäumnisse zurückzuführen. Das geht aus dem Arbeitslosenreport der Freien Wohlfahrtspflege NRW zu Sanktionen hervor, der gestern veröffentlicht wurde.

Vor allem Migranten, Langzeitarbeitslose, Alleinerziehende, gesundheitlich Eingeschränkte und junge Menschen unter 25 Jahre kommen in unsere Caritas-Beratung und sind verzweifelt, weil ihnen Geld gekürzt wurde, wenn sie einen Termin verpasst haben. Gründe für ein Termin-Versäumnis sind zum Teil Sprachbarrieren, manchmal werden auch die Konsequenzen nicht richtig eingeschätzt. Die Folgen der Kürzungen sind für die Betroffenen dramatisch: Hartz IV deckt ohnehin nur das Existenzminimum ab. Wird das unterschritten, reicht das Geld bald nicht mehr für Lebensmittel. Rechnungen werden nicht mehr bezahlt, die Schulden steigen. Die Menschen kommen in eine Armuts-Spirale, aus der sie alleine nicht mehr herauskommen. (mehr …)

Köln zeigt Haltung – Es geht um unsere Demokratie!

Gastbeitrag von Susanne Rabe-Rahman, Leitung Perspektivberatung für Flüchtlinge

„Köln zeigt Haltung!“ Und es geht gar nicht um die Frage, ob Karneval im Sommer oder Winter gefeiert wird, es geht nicht um die Frage, wie lange das mit den Fahrradwegen oder dem Aufbau der historischen Mitte noch dauert… Nein, es geht um unsere Demokratie. Richtig gelesen: Es geht um unsere Demokratie!

Ja, es geht auch um unsere Verfassung, die nicht nur eine Versammlungsfreiheit garantiert, sondern auch die Würde eines jeden Menschen als unantastbar festgestellt hat, die ein Menschenrecht auf Asyl beschreibt, die Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates gestellt hat! Angesichts der Not und des Todes vieler Flüchtlinge auf dem Mittelmeer, der Abschottung der EU ohne Rücksicht auf den Verlust jedweder Menschlichkeit, der zunehmenden rechtsextremen Ausschreitungen gegenüber Geflüchteten und gläubigen Muslimen oder Juden in Deutschland, der zunehmenden Kriminalisierung von Flüchtlingshelfer*innen, der weiterhin bestehenden Ausgrenzung von Roma, der Verschärfung der Abschiebungspraxis für Menschen aus Afghanistan (obwohl UNHCR aktuell festgestellt hat, dass es keine innerstaatliche Fluchtalternative und Sicherheit im dortigen Land mehr gibt) – angesichts der Tatsache, dass selbst der Leiter des Amtes für Verfassungsschutz unsere Verfassung nicht mehr zu schützen gewillt zu sein scheint – gehen wir auf die Straße! (mehr …)

Impressionen aus Holland!

Windmühlen, Tulpen, Käse…… das können typische Impressionen aus den Niederlanden sein. Ich hatte gestern die Möglichkeit das niederländische Demenzdorf De Hogeweyk zu besuchen. Dieses wurde und wird immer wieder in deutschen Medien hervorgehoben, wenn es um neue und andere Wege der stationären Pflege und Betreuung Demenzkranker geht.

Mir hat wirklich sehr gefallen, wie entspannt und ruhig die Atmosphäre dort ist. Tatsächlich wirkte das Ganze mit dem Zugang über eine zentrale Markthalle mit Cafe, Restaurant, Kneipe und Mini-Supermarkt für mich als ausflugserfahrener Familienvater eher wie ein Centerparc, als wie ein Altersheim.

Das Konzept folgt im Wesentlichen der Idee, dass ein demenzkranker Mensch in seiner eigenen Lebenswelt lebt. Die Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger wollen die Erfahrung so real wie möglich für die Bewohner machen. So kaufen  die Betreuer mit Bewohnern im Supermarkt ein und die Bewohner assistieren dann beim Zubereiten und Kochen wie zu Hause. Die Wohnstile der Gruppen folgen der Lebenskultur der Biographie Ihrer Bewohner, und es wird versucht, den neuen Bewohner in eine für ihn passende Lebenswelt einziehen zu lassen. Die kann eine eher bürgerlich-intellektuelle, wie auch eine aus dem Arbeitermilieu sein, je nachdem, welche Umgebung für den Bewohner vertraut wirkt. Bewohner in jedem Haus haben ihr eigenes großes Schlafzimmer und teilen sich mit anderen Bewohnern Badezimmer, Wohnzimmer, Küche und Esszimmer. Das Leben läuft im Wesentlichen in diesen Hausgemeinschaften ab, wobei jeder Bewohner fast immer das Haus verlassen und sich in der Anlage frei bewegen kann. Die Mitarbeiter sind angehalten, die Realitäten des alten Menschen zu akzeptieren, statt zu korrigieren.

Insgesamt leben dort 152 Menschen in 24 Einheiten für 6-8 Personen.

Ich möchte jetzt nicht in eine Diskussion eintreten, ob ein solches Konzept richtig oder falsch ist, oder ob man hier nicht eine Scheinwelt wie im Film „die Truman-Show“ mit Jim Carrey aufbaut, oder auch nicht, ob die Holländer wie immer einfach viel innovativer und ideenreicher als wir Deutschen sind.

Auch in Holland ist De Hogeweyk nicht das übliche Konzept! (mehr …)

Gekommen, um zu bleiben

SuppenkücheLudger Hengefeld ist Leiter der Stabsabteilung Engagement und Zivilgesellschaft

Ludger Hengefeld ist Leiter der Stabsabteilung Engagement und Zivilgesellschaft

Lebensmittelausgaben entwickeln sich zum festen Bestandteil unseres sozialen Sicherungssystems

Die Angebotspalette der verschiedenen Lebensmittelausgaben in Deutschland ist vielfältig. Es gibt große Suppenküchen, die täglich mehrere hundert warme Mahlzeiten zubereiten, es gibt Verteilerzentren von Lebensmittelpaketen in Größenordnungen von mehreren tausend Paketen pro Monat, es gibt Ausgabestellen für Lebensmittelgutscheine und viele andere Formen der Unterstützung.
Trotz der Unterschiedlichkeit ihrer Ausformung haben die meisten einige Gemeinsamkeiten vorzuweisen. Sie haben häufig klein angefangen, sie wachsen und entwickeln sich in ihrem Wirkungsraum zu zentralen Anlaufstellen für Menschen mit verschiedenen Hilfebedarfen. Genau hier liegt ein Kernproblem der Lebensmittelausgaben. (mehr …)

Quo vadis, politische Kultur in Deutschland?

Franz Josef Strauß hat einmal gesagt: „Politik wird mit dem Kopf gemacht, nicht mit dem Kehlkopf!“

Betrachtet man die derzeitigen politischen und durchaus auch medialen bzw. öffentlichen Debatten zu diversen Themen, so könnte man meinen, dass es sich in den Zeiten der Trumps, Erdogans, Gaulands und Seehofers genau andersherum verhält. Das ist insofern bemerkenswert, als dass das Zitat von einem Politiker der CSU stammt, der selbst im verbalen Austeilen kein unbeschriebenes Blatt war. Dabei zeigt die Notwendigkeit seiner Verwendung in diesem Text eindrucksvoll, an welchem Punkt wir derzeit stehen.

Die Debattenkultur in unserem Land und darüber hinaus hat in den vergangenen Jahren in einer Art und Weise Veränderungen durchgemacht, die ich für meinen Teil als besorgniserregend, zum Teil als beängstigend empfinde. An die Stelle des sachlichen Austausches von inhaltlichen Argumenten, den (durchaus auch mit harten Bandagen zu führenden) Streit um die richtigen Konzepte und das Finden eines gemeinsamen Kompromisses zur Lösung gesellschaftlicher Problemlagen und Herausforderungen ist eine andere Kultur getreten: Sie ist geprägt von persönlichen Beleidigungen, dem Aufbauschen oder sogar der Schaffung falscher Zahlen und Statistiken und einer Verrohung der Sprache, die ich als höchst abstoßend empfinde. Gepaart mit der (offenbar salonfähig gewordenen, weil auch in den so genannten etablierten Parteien praktizierten) Hexen- oder Sündenbockjagd, der (offensichtlichen) Lüge und dem Agieren von „Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt“-Politikern a lá Trump, Orban, Morawiecki, Conte und Seehofer ergibt sich eine explosive Mischung, die die Werte unserer Demokratie und des europäischen Zusammenhaltes nicht nur infrage stellt, sondern bereits begonnen hat, zu erodieren. Der europäische Rechtsruck im Rahmen der jüngsten Flüchtlingsdebatten ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür.

Aber selbst auf kommunaler Ebene sind die Gräben tief: (mehr …)

Harmonie wird überschätzt

Tisch mit vielen KuchentellernMaria Hanisch, leitet im Geschäftsfeld Alter und Pflege die Stabsstelle Ethik, Seelsorge und gesundheitliche Versorgungsplanung

Mit dieser Überschrift, las ich in diesen Tagen einen interessanten Artikel von Prof. Aladin El- Malaalani. Er ist Prof. für Politikwissenschaft und politische Soziologie und arbeitet im NRW Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration.
Er befasst sich, mit seinen Äußerungen mit dem Thema Integration und deren Folgen. Seine These, Integration wird zu oft mit einen Missverständnis verbunden, nämlich der Idee von einer konfliktfreien Gesellschaft. Er schreibt: „ Wenn Integration oder Inklusion oder Chancengleichheit gelingt, wird unsere Gesellschaft nicht homogener, nicht harmonischer und nicht konfliktfreier. Nein, das Gegenteil ist viel wahrscheinlicher. Die zentrale Folge gelungener Integration ist ein erhöhtes Konfliktpotential.“
Er vergleicht unsere Gesellschaft mit einer Tischgemeinschaft bei der mehr Menschen partizipieren wollen und können, sich aktiv beteiligen und etwas vom Kuchen abbekommen wollen. Da ist die Idee von Harmonie eher naiv oder eine Projektion von Wünschen und Hoffnungen.
Er schreibt:“ gelungene Integration erhöht deshalb das Konfliktpotential, weil Inklusion, Gleichberechtigung und eine Verbesserung der Teilhabechancen nicht zu einer Homogenisierung der Lebensweisen, sondern zu einer Heterogenisierung, nicht zu mehr Harmonie und Konsens in der Gesellschaft, sondern zu mehr Dissonanz und Neuaushandlungen führt.“
Das dauerhafte Ausgeschlossensein vom Tisch steigert die Wahrscheinlichkeit für abweichendes Verhalten, für Kriminalität und Gewalt. Bei der Integration hingegen, handelt es sich um grundlegende, die Gesellschaft verändernde Konflikte

Ich finde die Gedanken von Prof. El- Malaalani spannend und kann seinem Ansatz gut folgen.
Ich frage mich: Sind wir, als Gesellschaft diesen Aushandlungsprozessen gewachsen? Sind wir bereit, mit Menschen verschiedener Herkunft und Lebensweise den Kuchen zu teilen?
Unsere Gesellschaft und das Miteinander wird weiter komplexer und dem müssen wir uns als mündige, reflektierte, konfliktbereite Menschen stellen. Eine ängstliche Abschottung und nationales Denken und Handeln wird uns dabei nicht helfen.

Plädoyer für pragmatischen Umgang mit Datenschutz

Die Umsetzung der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)und des für uns als Caritas darüber hinaus gültigen Kirchlichen Datenschutzgesetzes (KDG) treibt seine Blüten. Sie haben es alle selbst erlebt: In der ersten Zeit wurden wir überschüttet mit unterschiedlich formulierten E-Mails im Rahmen der Zusendung von Newslettern. Diese Welle ist jetzt abgeebbt und wird abgelöst von schriftlichen Datenschutz-Formularen, die wir als Kund*innen beim Friseur oder Optiker ausfüllen. Auch Postsendungen enthalten jetzt Anschreiben mit Absicherungen zum Datenschutz.

Ja, natürlich müssen die Privatsphäre jedes Einzelnen ausreichend geschützt und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gestärkt werden.

Aber was wir jetzt vorliegen haben, und das KDG spitzt einzelne Aussagen der DSGVO noch weiter zu, hat eine tiefe Verunsicherung ausgelöst und verleitet zu panischen Reaktionen: (mehr …)

Schild hinter Gitterzaun mit dem Schriftzug "Refugees Welcome".

Beschämende Asyl-Politik    

Wer sich gerade mit der Asylpolitik in Europa und auch hier in Deutschland befasst, hat immer den Impuls, sich wegzudrehen. Es kann einem speiübel werden – jedenfalls geht es mir so.

Humanität, Gerechtigkeit, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit waren bislang die tragenden Werte Europas. Auf diesem Fundament ist eine starke Gemeinsamkeit und Freundschaft der Völker entstanden. Die europäische Politik – getrieben von Rechtspopulisten à la Le Pen in Frankreich, Kaczynski in Polen, Orban in Ungarn und neuerdings auch Seehofer in Deutschland – vergisst ihre Werte. Die politischen Ideen zur Lösung des globalen Gerechtigkeitsproblems und den daraus entstehenden Migrationsströmen verstoßen eklatant gegen die europäischen Werte.  Sie haben mit Humanität, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit oft nichts mehr zu tun.

Die österreichischen Hilfsorganisationen Caritas, Diakonie, Rotes Kreuz, Volkshilfe, Amnesty International und Ärzte ohne Grenzen haben einen gemeinsamen Appell zur aktuellen Asylpolitik gestartet. Sie fordern den Zugang schutzsuchender Menschen zu fairen und rechtsstaatlichen Verfahren in den europäischen Ländern. Sie fordern eine solidarische Politik und gemeinsame Verantwortung aller Staaten der EU. Die derzeitigen Vorschläge, Menschen vor den europäischen Grenzen „zwischenzulagern“, werden abgelehnt, da in den Lagern in Nordafrika – unter Beteiligung fragwürdigster politischer Regime – Menschen oft unmenschlich behandelt werden, ja an diesen Lagern sogar wieder Sklavenmärkte entstehen. Sie fordern die Rettung von Menschen in Seenot und die Einhaltung elementarer Menschenrechte und der Gebote der Humanität. Sie fordern eine deutliche Ausweitung der Hilfen in den Herkunftsländern der Migranten. Schließlich fordern Sie ein Ende der Kriminalisierung zivilgesellschaftlichen Handelns durch Diffamierung von Hilfsorganisationen. Hier der Link zum Aufruf.

Der Aufruf der Österreicher regt an, es Ihnen nachzutun. Auch wir Deutschen sollten uns zusammenschließen und in einem breiten Bündnis der Hilfsorganisationen und Wohlfahrtsträger die Politik auffordern, ihre eigenen tragenden Werte wieder ernst zu nehmen und zum Maßstab der eigenen Politik zu machen.