von Susanne Rabe-Rahman/Perspektivberatung für Flüchtlinge der Caritas Köln
#offen geht. So lautet das Motto der diesjährigen Interkulturellen Woche, dass sehr gut zum Tag des Flüchtlings in dieser Woche am 01.10.2021 passt!
#offen geht – in Köln haben wir die „Interkulturellen Woche“ schon lange zu einem „Interkulturellen Jahr“ gemacht… Aber in der Flüchtlingspolitik braucht es aktuell länger, eine viel zu lange Zeit, Verschlossenheit zu überwinden. Wir denken aktuell insbesondere an die Zustände an den Grenzen – zwischen Polen und Belarus, zwischen USA und Mexiko, zwischen Türkei und Griechenland, zwischen Afghanistan und Pakistan, zwischen Meer und Land.
#offen geht! Stoppt die Kriminalisierung der Rettung von Menschen aus dem Mittelmeer! Stoppt die illegalen Push Backs an den Grenzen! Nehmt Geflüchtete und Schutzsuchende auf, statt sie zum Spielball politischer Interessen zu machen! Es sind Menschen! Sie haben das gleiche Recht zu leben wie wir!
Leider sind laut Angaben des UNHCR seit 2014 mehr als 21.500 Menschen im Mittelmeer ertrunken…. Sie haben sich nicht leichtfertig auf die gefährliche Reise begeben. Sie waren dazu gezwungen, haben keine Alternative gesehen, manche kriminelle Organisationen haben ihnen auch keine Alternative gelassen. Wir europäischen Länder haben das geschehen lassen. Unsere Regierungen sind aus meiner Sicht mitverantwortlich, dass so viele ertrunken sind. Oder sie haben Schutzsuchende auf dem Meer „zurückgeführt“ durch die europäische Grenzschutzpolizei Frontex, z.B. nach Libyen, in gefängnisähnliche Lager, in denen sie unmenschlicher Behandlung und Zwangsarbeit ausgesetzt worden sind…
Einige Asyl- und Schutzsuchende haben es dennoch in die EU geschafft, immer wieder neu versuchend, verzweifelt, Opfer von unrechtlichen und unmenschlichen Abwehrversuchen an den europäischen Grenzen durch dortige Helfer der Grenzschutzpolizei. Und auch in der EU kommen sie nicht aus den Lagern heraus…Wir haben hier in unseren Beratungsstellen und in den Unterkünften mit vielen verzweifelten Menschen gesprochen.
Weltweit sind laut UNHCR rund 84,5 Millionen Menschen auf der Flucht, eine so hohe Zahl, wie es sie noch nie gegeben hat… Zwei Drittel davon sind Binnenflüchtlinge. Sicherheit haben sie in den meisten Fällen dennoch nicht. Der UN-Flüchtlingshochkommissar Grandi sagte bei der Vorstellung der Zahlen: „Wir beobachten eine veränderte Realität. Vertreibung betrifft aktuell nicht nur viel mehr Menschen, sondern sie ist auch kein kurzfristiges und vorübergehendes Phänomen mehr. Wir brauchen eine grundlegend neue und positivere Haltung gegenüber allen, die flüchten, gepaart mit einem viel entschlosseneren Bestreben, Konflikte zu lösen, die jahrelang andauern und die Ursache dieses immensen Leidens sind.“
#offen geht! Es gab kürzlich erfreulicherweise die Aktion eines breiten zivilgesellschaftliches Bündnisses, das sich für eine europaweite Rettungskette einsetzt – über 300 Organisationen! Auch hier in Köln hat die Initiative „Köln zeigt Haltung“ erneut demonstriert, dass viele Organisationen in Köln sich dafür stark machen, Menschen in Not aufzunehmen.
Danke dafür!
#offen geht? Immerhin verschließt sich die Stadt Köln auch nicht ganz: Köln hat sich bereit erklärt, ein paar minderjährige Geflüchtete aus den griechischen Lagern aufzunehmen, Köln hat sich bereit erklärt, gefährdete Menschen aus Afghanistan aufzunehmen… Aber die Willenserklärung hilft nicht weiter. Das Land und insbesondere der Bund verschließen sich. Die Grenzen bleiben dicht.
Die EU will dieses Jahr z.B. 544 Mio. Euro für die Front gegen Geflüchtete ausgeben, für die Grenzschutzpatrouille „Frontex“! Das wären nach meiner Rechnung – bei 84,5 Mio. Geflüchteten weltweit, von denen sich, wie gesagt, zwei Drittel noch in ihren Ländern aufhalten – pro Geflüchtetem mehr als 6 Millionen!? Damit ließe sich Besseres anfangen – etwas Aufbauendes, Gerechtes – in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit Schutzsuchenden.
#offen geht? – Es muss gehen!
Europa, mach Dich in Deiner Politik endlich stark für die von Dir propagierten Menschenrechte! Erinnere Dich, Du wolltest Flüchtlinge schützen – nie mehr Menschen so behandeln wie die Flüchtenden im 2. Weltkrieg.
Europa, stoppe endlich die Misshandlungen von Menschen an den europäischen Grenzen! Zeige den Menschen Wege auf, die sie weiterbringen, und die Dich auch weiterbringen, statt zum gewalttätigen Handlanger fragwürdiger Motive zu werden. Wer nicht mehr menschlich handeln kann, wer Menschen nicht schützt, macht sich unglaubwürdig! Die unwürdige Behandlung von Schutzsuchenden an den europäischen Grenzen muss aufhören, egal, ob in Griechenland, in Bulgarien, in Ungarn oder aktuell auch zwischen Belarus und Polen.
Europa – nimm Schutzsuchende auf! Gib ihnen faire Verfahren und faire Bedingungen für ein menschliches Leben! Vereinfache die Familienzusammenführungen für Geflüchtete mit Schutzstatus!
Stopp den Ankerzentren und Landesunterkünften auch hier in Deutschland, wo Schutzsuchende wieder bis zu zwei Jahren kaserniert, retraumatisiert werden und resignieren.
#offen geht! Hoffen geht auch – auf eine bessere Politik der sich neu konstituierenden Bundesregierung, auf einen stärkeren politischen Einfluss der Menschen mit Migrations- und Fluchterfahrungen, auf anhaltendes Engagement der Einheimischen diverser Länder für Gerechtigkeit….
#offen geht. – Ich bin sicher!