Weniger Schulabbrecher und mehr Bildungsabschlüsse. Das sind zunächst die durchaus positiven Ergebnisse, zu der die neueste Studie der Bertelsmann-Siftung kommt, die in diesen Tagen veröffentlicht wurde. Die bittere Nachricht dagegen lautet: Nach wie vor gibt es einen engen Zusammenhang zwischen schulischem Erfolg und sozialer Herkunft.
Die Erwartung, dass Schule und Bildung integrationsfördernd wirken und Chancengerechtigkeit herstellen, scheint noch lange nicht ausgeträumt zu sein. Ist das nun etwas, was einfach lakonisch festzustellen ist oder muss dies nicht vielmehr als weiteres Alarmzeichen zu sehen sein, dass etwas nicht stimmt bzw. sich etwas dringend und nach wie vor ändern muss? Genügt es, dass alle Bundesländer Schwächen und Stärken in diesem System haben? Ist es gut so, dass in Mecklenburg-Vorpommern der Anteil der Schulabbrecher mit 13,3 Prozent fast dreimal so hoch ist wie im Saarland mit nur 4,8 Prozent? Ist es in Ordnung, dass in Sachsen der Leistungsabstand zwischen Schülern oberer und unterer Sozialschichten nur halb so groß ist wie in Bayern? Können wir uns zurücklehnen, weil in Nordrhein-Westfalen immerhin 59,1 Prozent die Berechtigung zu studieren erreichen, in Sachsen-Anhalt aber nicht einmal 37 Prozent? Reicht der Blick nur auf das eigene Land, um froh darüber zu sein, sich entweder erleichtert zurücklehnen zu können oder Schweißperlen auf der Stirn stehen zu haben? Ich finde nicht!
Gleiche Zugangs- und Lebenschancen in allen gesellschaftlich, politisch und wirtschaftlich relevanten Bereichen sichern den sozialen Frieden und stärken das Gemeinwesen. Es geht also mehr als nur Sekundärtugenden oder zu vernachlässigende Teilergebnisse. Chancengerechtigkeit heißt, auf gleiche Chancen hinwirken. Schulen kommt dabei mit Sicherheit eine wichtige Rolle zu. Aber eben keine alleinige.
Familien müssen als primäre Sozialisations- und Bildungsinstanz stärker anerkannt und entsprechend gestärkt und gefördert werden. Kindertageseinrichtungen und Tagespflegeangebote sind zu befähigen, gemeinsam mit den Eltern die freie Entfaltung der Kinder optimal zu fördern und Chancengleichheit zu verwirklichen. Das beinhaltet die kontinuierliche und systematische Förderung von Sprachsicherheit in der deutschen und ggf. der anderen Familiensprache. Bei der Optimierung der Angebote muss auch die interkulturelle Kompetenz der Betreuungskräfte gefördert werden.
Chancengerechtigkeit in allen gesellschaftlichen Bereichen herzustellen, muss ein gesamtgesellschaftliches Ziel werden. Persönliche Merkmale wie beispielsweise ausländisch klingende Namen dürfen nicht dazu führen, dass Chancen, beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt, nur theoretisch bestehen, praktisch aber verschwindend gering sind. Der gleichberechtigte Zugang zu Chancen muss sowohl gesetzlich gesichert als auch im Alltag umgesetzt werden. Bildung ist ein Schlüssel zu persönlichen, sozialen, materiellen, religiösen und ethisch-moralischen Entwicklungsmöglichkeiten. Sie ist eine Zugangsvoraussetzung zur selbstbestimmten gesellschaftlichen und politischen Teilhabe. Deutschland ist auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft. An manchen Stellen sind wir immer noch sehr exklusiv.