Zulassung des Praena-Testes: Genetische Disposition bestimmt über Lebensrecht

In diesen Tagen lesen wir viel von der Zulassung eines neuen Testes, der die Diagnose einer geistigen Behinderung  zuläßt. Lesen sie dazu einen Gastkommentar von Susanne Steltzer, Mitarbeiterin im Caritasverband:

“Mit der Zulassung des Praena-Testes in Deutschland wird erneut eine ethische Debatte in Gang gesetzt.
Dieser Test ermöglicht der Schwangeren, durch eine einfache Blutuntersuchung während der Schwangerschaft festzustellen, ob das ungeborene Kind das Down Syndrom (Trisomie 21) hat.
Hierzu war bisher eine Fruchtwasseruntersuchung notwendig, die aufgrund des invasiven Vorgehens laut dem Hersteller des Praena-Test zu rund 700 Fehlgeburten pro Jahr in Deutschland führte.
Schon jetzt werden 9 von 10 Kindern mit der Diagnose Down Syndrom abgetrieben.
Natürlich möchten alle Eltern ein gesundes und nichtbehindertes Kind und natürlich möchten diejenigen, die das vorab testen lassen, einen möglichst ungefährlichen Test.
Liest man die Kommentare, z.B. auf Spiegel online, ist dies aber gar nicht der Gegenstand der Diskussion.
Es geht auch nur am Rande darum, ob und wie das Leben mit einem behinderten Kind gelingen kann.
Die Frage, was nach einem positiven Test passiert, scheint in vielen Kommentaren längst entschieden: Steht die Diagnose, kommt die Abtreibung!
Behinderung wird hier mit Belastung, Einschränkung und Hilfsbedürftigkeit in Verbindung gebracht und die Abtreibung als Entlastung für alle Beteiligten beschrieben.
Da wirken unsere Diskussionen zu Inklusion, Vielfalt, Teilhabe und der Ausspruch „Man ist nicht behindert, sondern wird es“ scheinheilig und unaufrichtig.
Die genetische Disposition bestimmt über Lebensrecht.
Was bedeutet diese Haltung für aktuell lebende Menschen mit Behinderungen und ihren Platz in unserer Gesellschaft?
Die Medizin hält Frühchen ab der 24. Schwangerschaftswoche am Leben und führt komplizierte Operationen im Mutterleib durch. Häufig ist damit eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit von bleibenden schweren Behinderungen (oft viel einschränkender als Trisomie 21) verbunden.
Wie passt das zusammen?
Immer wieder wird hier die Kirche als veraltete, bevormundende Instanz mit fragwürdiger Moral als Prügelknabe bemüht.
Die vielen kritischen Stimmen aus Politik, Ethik und Wissenschaft bleiben weitgehend unbeachtet.
Pränataldiagnostik ist heute schon selbstverständlicher Teil der Schwangerschaft, die Beratung zu den Möglichkeiten und Alternativen zu einem Abbruch oder auch zu dessen Folgen leider nicht.
Eltern müssen sich für behinderte Kinder rechtfertigen: „Das muss doch heute nicht mehr sein.“
Ich arbeite seit über 20 Jahren mit Menschen mit überwiegend geistigen Behinderungen und durfte viele von ihnen kennenlernen: Und ich möchte keine einzige dieser Begegnungen missen. Ich leugne nicht die Not der Eltern, die immens hohe Verantwortung und die extreme Belastung. Im Rahmen der ganzen Inklusionsdebatte wird doch aber deutlich, die Gesellschaft muss den Eltern zu Seite stehen, muss sie informieren über Unterstützungsmöglichkeiten und muss sich so verändern, dass jeder in ihr seinen Platz finden und sich einbringen kann und Behinderung nicht länger als Last und Belastung verstanden werden muss.
Genau diesen Auftrag der Beratung und Entlastung von Familien, der anwaltschaftlichen Tätigkeit für  Menschen mit Behinderungen und einem Beitrag zur gesellschaftlichen Debatte erfüllen übrigens besonders die vielgescholtenen  Kirchen und ihre Verbände schon sehr lange.”
Susanne Steltzer, Leiterin des Leistungsbereichs Wohnen und Leben im Caritasverband Köln

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert