10. Dezember – Ein Tag des Erinnerns, Mahnens und Hinschauens
ein Kommentar von Zwan Karim – Leitung Perspektivberatung für Geflüchtete und des Caritas Therapiezentrum für Menschen nach Folter und Flucht
Der Internationale Tag der Menschenrechte erinnert uns jährlich daran, dass die Würde jedes Menschen unantastbar ist. Dieses Prinzip bildet das Fundament unserer demokratischen Gesellschaft – und es verpflichtet uns, für jene einzustehen, deren Rechte bedroht sind. Dazu gehören in besonderem Maße geflüchtete Menschen.
Sie fliehen nicht aus „Bequemlichkeit“, sondern vor Krieg, Verfolgung, Gewalt und Perspektivlosigkeit. Sie suchen Schutz – und die Suche nach Asyl ist ein Menschenrecht. Dieses Recht ist in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Artikel 14) festgeschrieben und in Deutschland durch Artikel 16a Grundgesetz garantiert. Asyl ist kein politisches Zugeständnis. Es ist ein Grundrecht, das nicht von Stimmungen oder Mehrheiten abhängig sein darf.
Menschenrechte unter Druck: Wie Geflüchtete zunehmend dargestellt werden
In der öffentlichen Debatte geraten diese Grundsätze jedoch immer häufiger aus dem Blick. Begriffe wie „illegale Migration“, „Grenzsicherung“ oder „Abschiebungen“ dominieren die Diskussion – während die menschlichen Schicksale in den Hintergrund treten. Doch hinter jeder Zahl steht ein Mensch – mit einer Geschichte, mit Hoffnungen und häufig mit tiefen Verletzungen. Der Internationale Tag der Menschenrechte mahnt uns: Wer Schutz sucht, hat ein Recht darauf, gehört, gesehen und geschützt zu werden.
Weltweite Dimension: Millionen auf der Flucht
Die aktuellen Zahlen des UNHCR (Juni 2025) verdeutlichen, wie dringlich der Schutz von Menschenrechten weltweit ist:
- 122 Millionen Menschen sind derzeit gewaltsam vertrieben.
- Darunter 42,7 Millionen Flüchtlinge, die über internationale Grenzen fliehen mussten.
- Zusätzlich rund 73,5 Millionen Binnenvertriebene (IDPs) im eigenen Land.
- 67 % aller Geflüchteten bleiben in unmittelbaren Nachbarstaaten – oft in Ländern mit sehr begrenzten Ressourcen.
Diese Realität zeigt: Flucht und Vertreibung sind globale Phänomene – kein „europäisches Problem“.
Europa im globalen Vergleich
In Europa leben etwa 8,9 Millionen Flüchtlinge und Asylsuchende – Geflüchtete. Das entspricht weniger als 8 % aller weltweit Vertriebenen. Geflüchtete machen 1,7 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU aus. Europa ist damit keineswegs Hauptziel von Menschen auf der Suche nach Schutz. Die überwältigende Mehrheit bleibt in ihrer Herkunftsregion.
Deutschland im internationalen Kontext
Deutschland bleibt eines der wichtigsten Aufnahmeländer weltweit. Rund 2,6 Millionen Menschen haben Ende 2024 hier Schutzstatus oder ein laufendes Asylverfahren gehabt. Deutschland gehört damit zu den Top-5-Aufnahmestaaten weltweit. Dennoch: Die meisten Geflüchteten erreichen nie Europa. Viele finden Schutz in ärmeren Nachbarstaaten – dort, wo geografische Nähe wichtiger ist als wirtschaftliche Stärke.
Besonders schutzbedürftige junge Geflüchtete
Wie fragil Menschenrechte im Alltag sein können, zeigt sich besonders deutlich bei jungen Geflüchteten. In Köln beobachten wir eine besorgniserregende Entwicklung. Jugendliche, die nur wenige Wochen oder Monate vor ihrem 18. Geburtstag stehen, werden zunehmend vorschnell als volljährig eingestuft – häufig allein auf Basis einer kurzen Inaugenscheinnahme, ohne fundierte Prüfung, ohne transparente Kriterien und ohne Berücksichtigung ihres individuellen Entwicklungsstandes.
Diese Entscheidungen führen regelmäßig dazu, dass die Inobhutnahme beendet wird und die Jugendlichen ohne Schutz in regulären Unterkünften landen. In mehreren Fällen mussten wir Unterstützung bei Widerspruch einlegen und Eilantragstellung anbieten, um ein korrektes Verfahren zu gewährleisten und die Jugendlichen in ein medizinisches Altersgutachten zu überführen.
Wie gravierend die Folgen für die Betroffenen sein können, zeigt ein Fall aus unserer Beratungspraxis:
M., ein unbegleiteter minderjähriger Jugendlicher war im Juli in unserer Beratungsstelle. Er hatte vor kurzem den Termin beim Jugendamt. Bei der Inaugenscheinnahme wurde er als 18 Jahre eingeschätzt, woraufhin die Inobhutnahme beendet wurde. Wir haben bei der Eilklage und dem Widerspruch unterstützend begleitet, da er keinen sachkundigen Vertreter hatte. Erst dadurch wurde ein medizinisches Altersgutachten durchgeführt und er unter 18 Jahre eingestuft. Bis Anfang November hatte M. keine Zuweisung nach Köln und konnte keine Termine bei der Kommunalen Integration bekommen um eine Zuweisung für eine Schule oder einen Sprachkurs zu erhalten. Es sollte noch im November eine Vormundschaft eingerichtet werden – erst dann kann einen Antrag auf Asyl beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gestellt werden.
Der Fall zeigt, wie schnell Jugendliche in existenzielle Unsicherheit geraten können. M. hätte jetzt eine passende Unterkunft, eine Schule oder Sprachkurs haben können und ihm hätte eine Menge Unsicherheiten erspart bleiben können, wenn das System und die Strukturen geregelt gelaufen wären.
Mehr erfahren:
Perspektivberatung Caritas Köln
Quellen:
https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/563237/weltfluechtlingstag-2025/
https://www.uno-fluechtlingshilfe.de/informieren/fluechtlingszahlen
https://www.uno-fluechtlingshilfe.de/hilfe-weltweit/hilfe-in-deutschland

