„Dein Land. Deine Zukunft. Jetzt.”

Werbekampagne des Bundesinnenministeriums in sieben Sprachen zur freiwilligen Ausreise von Migrant*innen irritiert

„Wanted: dead or alive.“ So geht es mir ein wenig, wenn ich mir die Plakate der aktuellen bundesweiten Kampagne des Bundesinnenministeriums anschaue. Auf Großflächen wird in mehreren Sprachen dafür geworden, dass Menschen wieder in ihre Heimat zurückkehren und dafür Geld bekommen. Gut, als Weihnachtsgeld würde ich das jetzt nicht bezeichnen wollen. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Kampagne fällt wahrscheinlich eher zufällig in die Zeit, in der Geben seliger ist denn Nehmen, bzw. die Herzen und Geldbeutel der Menschen großzügig weit geöffnet sind.

Nein, dass Thema ist viel zu ernst, um darauf mit Ironie oder Sarkasmus zu reagieren. Die Plakate mögen bei den Betrachtenden Unterschiedliches auslösen:

Diejenigen, die sich darüber ärgern und schon immer den Eindruck haben, dass Menschen aus anderen Ländern bei uns nichts zu suchen haben und sich woanders unter die Wohlstandsdecke legen sollen, werden frohlocken, dass die Botschaft für die Menschen, die mit den Plakaten beworben werden sollen, eine freundliche, aber deutliche Aufforderung ist, zu gehen und zwar lieber freiwillig.

Diejenigen, die der Ansicht sind, dass die ganze Migrationsdebatte nur zu deutlich gezeigt hat, dass der Staat die Kontrolle darüber verloren hat, wer sich bei uns aufhält: zu recht, zu unrecht, erschleppt, mit Papieren, ohne Papiere, unter Vortäuschung falscher Tatsachen. Diejenigen sehen darin vielleicht ein Zeichen des harten Durchgreifens des Staates und den Versuch Handlungskontrolle, Durchsetzungsfähigkeit und verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen.

Und was denken die Menschen, die es geschafft haben, nach Deutschland zu fliehen? Sich hierin zu uns gerettet haben, die aufgrund des nicht wirklich funktionierenden Familiennachzugs, auch nachdem dieser seit Sommer dieses Jahres wieder möglich ist, den Gedanken an ihre getrennt im Herkunftsland oder noch irgendwo auf dem Transit befindlichen Familienangehörigen nicht mehr ertragen können? Seit Jahren vor Sorge um zurückgelassene Kinder, Elternteile oder Ehepartner verzweifeln? Überlegen zurückzukehren in eine ungewisse Zukunft, aber in der Gewissheit, mit ihren engsten Familienangehörigen wieder vereint zu sein, gleich, ob ihre Heimatregion vor kriegerischen Auseinandersetzungen verschont ist, sie vor Ort die medizinische Versorgung bekommen, die sie benötigen? Nicht nur in ein kaputtes Land zurückkehren; selbst „kaputt“ sind von dem, was sie zuvor in ihrer Heimat oder auf der Flucht erfahren und erlebt haben? Tja, was werden sie denken? Ein tolles Schnäppchen? Bingo – Jackpot? Zukunft gesichert? Überleben garantiert? Krieg und Terror beendet? Ende gut, alles gut …?

Die Rückkehr in das Heimatland ist immer eine Option und auch Bestandteil der Beratung, die die Caritas wie andere Wohlfahrtsverbände in Form eines spezialisierten Dienstes anbietet. Für die Rückkehrberatung gelten jedoch klare Bedingungen. Dazu gehören die absoluten Prinzipien der Freiwilligkeit und der Ergebnisoffenheit. Es wird und darf kein Druck auf die Menschen ausgeübt werden. Die Menschenrechte und die Menschenwürde von Rückkehrbereiten erfordert geradezu eine Rückkehr in Sicherheit und Würde. Daher sind mit der Rückkehrberatung hohe ethische Anforderungen verbunden, gerade bei der Gruppe der von zur Ausreise verpflichteten Menschen. Ein Vorgang in der Beratung, der dem erklärten Willen des Ratsuchenden entgegensteht. Auch hier gilt im EU-Recht der Vorrang der freiwilligen Rückkehr vor der Abschiebung, ohne dass für diese Menschen die Ergebnisoffenheit faktisch besteht und der Druck in dieser Situation erhöht.

Wie die Botschaft auf den Plakaten zu verstehen sind, liegt wie immer im Auge des jeweiligen Betrachters.

 

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