HOCHFAHREN nach dem Lock-DOWN?

Gedanken von Thomas Zumstrull, Stab Christliche Identität und Seelsorge in der Caritas Köln:

Nach dem Lock-DOWN soll nun alles wieder HOCHGEFAHREN werden: Der Tourismus, das Einkaufen, der Verkehr, die Wirtschaft,  Veranstaltungen etc. ect.
Einiges in unserer freiheitlichen Demokratie davon wünsche ich mir auch wieder und habe es schmerzlich vermisst.
Aber war da nicht mal in den Wochen um Ostern das Innehalten als positiv erlebt worden? Mit spielenden Familienrunden und solidarische Nachbarschaftshilfen, regionalem Einkaufen und unterschätzten Naturerlebnissen sowie langen Telefonaten mit Freunden. Beispiele für eher traditionelle Dinge und Werte, die eine Renaissance erlebten.

Sind die nun alle wieder passé? Ist das Gestern unserer Marktwirtschaft und Schnelllebigkeit auch wieder das Morgen?
Ich wäre für ein HOCHFAHREN in einer Geschwindigkeit, bei der möglichst viele mitkommen. Ich wünsche mir, dass die Dinge, die eigentlich mehr Ballast als zukunftweisender Gewinn sind, gar nicht erst mitgenommen werden auf dieser Reise, von der ja noch niemand weiß, wie sie wirklich verlaufen wird.

Frohe Ostern! Gedanken zum Einfluss der Covid-19-Pandemie.

Susanne Rabe-Rahman, Leiterin der Caritas-Perspektivberatung für Flüchtlinge, zum Einfluss der Covid-19-Pandemie, zu problematischen Entwicklungen und was aktuell Hoffnung gibt:

Ich gebe zu, ich habe den Einfluss der Covid-19-Pandemie unterschätzt. Heute fordert der UN-Sicherheitsrat deshalb einen weltweiten Waffenstillstand! Und er weist auf die Gefahren durch „Bio-Terroristen“ hin…
Ich habe unterschätzt, wie stark humanitäre Notlagen mit militärischen Strategien und Begrifflichkeiten verknüpft werden, beginnend damit, dass „Ärzte und Pflegepersonal jetzt an vorderster Front“ kämpfen.
Ich bin erstaunt, wie schnell wir in vermeintlich bedrohlichen Situationen selbst in einem sehr reichen Land dazu neigen, uns selbst in „Sicherheit“ zu bringen, und sei es mit ausreichend Toilettenpapier und Mehl, damit allerdings wieder die Unsicherheit bei anderen erhöhen, was zu zahlreichen Nachahmer*innen führt – und dann wirklich zu vorübergehenden Versorgungsengpässen…

Bitterer in allen Konsequenzen ist der tatsächlich bestehende Versorgungsengpass bzgl. Schutzausrüstung gegen Infektionen für den medizinischen und pflegerischen Bereich, und noch viel relevanter, dass tatsächlich – nicht nur deshalb – in einigen Pflegeeinrichtungen jetzt nicht mehr genügend Personal vorhanden ist… Wir hatten vorher schon vereinzelt den Pflegenotstand ausgerufen. Jetzt wird er allen sehr deutlich.

Und das sich gerade abzeichnende Drama der schnellen wirtschaftlichen Hilfen, die so wichtig sind und an notleidende Wirtschaftszweige ausgeschüttet werden sollten, und jetzt vielfach an die Mafia gegangen sind (?), weil wir uns mit den weltweiten Vernetzungen des Internets immer noch nicht genügend auskennen… Aber auch die andere Seite, dass die Mafia, wie jetzt in Italien, wieder dort einspringt, wo die Politik nicht schnell genug hilfreich reagieren kann, stellen wir besorgt und aufmerksam fest.

Bleibt zu hoffen, dass Politik und Gesellschaft daraus insgesamt für die Zukunft die richtigen Konsequenzen ziehen.
Und dass die tatsächliche und vermeintliche Unsicherheit nicht in falsche Richtungen umgeleitet wird…Schon jetzt kommt mir in der Presse zu häufig die Frage nach dem richtigen „Führer“ mit den besten Umfragewerten in der Krise auf. Es gibt nicht die eine Antwort auf viele Fragen. Und auch mit dem Thema der Kontrolle will insgesamt sehr kompetent und sensibel umgegangen werden.

Wir alle sind an vielen Stellen gefragt.
Wir alle sind in der Verantwortung – nicht nur wir in Deutschland – nicht nur in Europa: 
Die weltweite Dimension dieser Pandemie hat auch die weltweiten Verstrickungen an vielen Stellen sehr deutlich gemacht: Die Frage der Menschen als Fachkräfte und billige Arbeitskräfte, die Frage der materiellen Versorgung und internationalen Abhängigkeiten, die Frage der Eindämmung der Epidemie bei gleichzeitig völlig fehlender medizinischer Versorgung oder Sicherheitsvorkehrungen (z.B. in den Elendslagern Griechenlands oder Bangladeschs), den internationalen Einfluss krimineller Strukturen, usw. usf.

Und die aktuelle Pandemie stellt erneut wichtige Fragen an unsere eigenen Systeme: z.B. die Frage der Wertigkeit und Verlässlichkeit im Vergleich zur Profitorientierung, aber auch die Frage der Menschenrechte, wenn wir z.B. immer noch geflüchtete Menschen, die jahrelang in Deutschland leben und sich tatsächlich hier engagieren und integrieren wollen (übrigens auch im Pflegebereich), die Arbeitserlaubnis vorenthalten oder gar entziehen. Oder wenn das Bundesinnenministerium zur Abschiebung einzelner Frauen spezielle Flüge arrangieren möchte – oder wenn die EU sich nicht in der Lage sieht, Menschen in der Not an ihrer Grenze oder in ihren Mitgliedsländern Beistand zu leisten! Wie steht die Frage der Durchsetzung von Regeln im Vergleich zur Frage der Menschlichkeit?

Immerhin hat die EU jetzt gemerkt, dass sie die Pandemie später los sein wird, wenn sie sich um ihre Krisenherde nicht kümmert… Aber getan hat sie da an der Stelle leider noch fast nichts…

Auch heute könnte Jesus noch am Kreuz sterben.

Es ist immer traurig, wenn Menschen sterben. Es ist sehr traurig, dass viele Menschen als Opfer verfehlter Strategien sterben müssen.

Aber es gibt aktuell auch Hoffnung.
Es ist toll, wie viele sich auch jetzt für die Menschen in Schwierigkeiten engagieren.
Wenn ich mich mal auf vor Ort beschränken darf:
Ich freue mich und bin erleichtert, dass viele kreativ, hilfreich und geduldig in dieser Situation auch von zu Hause aus oder weiterhin im Betrieb tätig sein können. Ich freue mich, dass die Verkäufer*innen und Kassierer*innen immer noch in den Läden sind, obwohl sie sich gerade sehr genervt wundern, wie wir Kölner*innen ticken… Selbst die LKW-Fahrer, die uns früher mit ihren Wagen eher nur im Weg gestanden haben, erfahren jetzt Anerkennung.

Ich freue mich über alle, die gemeinsam Verantwortung tragen, auch über den beständigen kompetenten Einsatz gewählter Politiker*innen an unterschiedlichen Stellen.
Ich freue mich, dass Eltern in ihrer wichtigen Funktion gegenüber ihren Kindern gerade wieder deutlicher wahrgenommen werden.
Ich freue mich, dass durch die aktuellen Herausforderungen die Wichtigkeit der Tätigkeiten an jeder Stelle stärker ins Bewusstsein gerückt ist.
Ich freue mich, dass die besonderen Bedarfe von Menschen unterschiedlicher Generationen und sozialer Zugehörigkeit zum Thema werden.

„Mer sin eins“ hat Kasalla vor wenigen Jahren kreiert und gesungen. Ja, wir gehören zusammen, jede und jeder ist an seiner Stelle wichtig. Nicht nur die Stars, nicht nur die Manager*innen, nicht nur die Deutschen…

Ostern ist das Fest der Auferstehung – bei uns verknüpft mit dem Frühling. Schon ist die Natur draußen wach geworden, das neue Leben…
Ich hoffe, dass wir alle wacher geworden sind – und daraus die richtigen Konsequenzen ziehen.
Jede*r ist mit seiner Arbeit wichtig – darf und muss sich aber natürlich auch Auszeiten nehmen.
Es schadet nicht, sich jedes Jahr zu Ostern daran zu erinnern, dass persönliches und gemeinsames Engagement wichtig sind, es aber auch immer wieder zu hinterfragen, Korrekturen vorzunehmen.

Wir sind nicht allein. Wir dürfen auf Beistand hoffen.

Wie auch immer Gott sich zeigt!
Ich wünsche  allen mit ihren Familien und Freund*innen frohe Ostern!

Ökonomie vor Gesundheit?

Wir stehen in der aktuellen „Corona-Krise“ wahrscheinlich erst am Anfang, bestimmt aber noch nicht auf dem Höhepunkt!. Die Zahlen der Infizierten steigen laufend an. Inwieweit die getroffenen Maßnahmen der Kontaktbeschränkungen eine nachhaltige Wirkung zeigen, kann noch nicht beurteilt werden. Kaum 14 Tage gelten enge Bestimmungen, die alle Menschen belasten und der Wirtschaft schaden, und schon beginnen Diskussionen, in denen vor allem neo-liberale Kräfte einen „Exit“ aus den Beschränkungen fordern.

Menschenleben oder Wirtschaftswachstum – eine solche Auf-Rechnung kann es nicht geben.

Ja, die Finanzierung des Gesundheitswesens bedarf einer funktionierenden Ökonomie. Aber Ökonomie steht gerade jetzt nicht vor der Gesundheit.
Was wir heute schon erkennen können: Die Abwanderung und Auslagerung der Produktion wichtiger Hilfsgüter ins Ausland führt zu einem Versorgungsnotstand der Pflegedienste und Krankenhäuser. Wenn Schutzausrüstung aus Kostengründen weitgehend in Asien produziert wird, führt das zu einem Sicherheitsrisiko. Ökonomie vor Gesundheit?

Und: Wenn uns die Sicherheit der Versorgung in Medizin und Pflege so zentral ist, darf Medizin und Pflege nicht alleine dem Paradigma der Wirtschaftlichkeit und Effizienz unterliegen.

Eine rein privatwirtschaftliches Gesundheitswesen hält den Belastungen einer solchen Krise nicht stand. Die Aufgabe des Staates ist es nicht nur die Finanzierung der Gesundheitswesens und der Pflege zu regeln, sondern auch die Infrastruktur zu sichern und selber Akteur zu sein. Entweder mit staatlichen Einrichtungen oder im Sinne der Subsidiarität, durch nicht gewinnorientierte Sozialorganisationen. Ich hoffe, eine Erkenntnis aus der schlimmen Krise ist, dass nicht nur Bildung und Sicherheit, sondern auch Gesundheitswesen und Pflege nicht durch Renditedenken und Investmentfonds gesichert wird! Ökonomie vor Gesundheit?
Und es wird erkennbar: Medizin und Pflege sind die beiden wichtigsten Akteure für die Versorgung kranker Menschen: Medizin in der kurativen Behandlung und Pflege in der Versorgung. Die Anerkennung für diese Berufe ist heute da, hoffentlich beleibt sie auch in Zukunft!

Auch Ökonomie funktioniert auf Dauer nur in einer gesunden Gesellschaft!

 

Europa, das bist Du nicht!

Gastbeitrag von Susanne Rabe-Rahman/Leiterin der Caritas-Perspektivberatung angesichts der humanitären Katastrophe an der türkisch-griechischen Grenze und in griechischen Flüchtlingslagern 

Noch während wir uns – teilweise zu Recht, teilweise auch völlig übertrieben – Sorgen darüber machen, ob das Coronavirus uns, Verwandte oder Bekannte, das Gesundheitssystem oder das Wirtschaftssystem verletzten oder durcheinander bringen könnte, sterben an den europäischen Grenzen weiterhin, wieder, erneut Geflüchtete, die leider nicht mehr nur „Spielball“ politischer Interessen sind, sondern inzwischen auch als Munition genutzt oder von solcher getroffen werden. Weiterlesen

Flüchtlinge im Arbeitsmarkt: Beschäftigungsquote steigt

Eine der großen Herausforderungen in der Beratung von Flüchtlingen, ist nach dem Spracherwerb die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt.
Die gute Nachricht lautet: Immer mehr ehemalige Asylbewerber finden Arbeit. Aber nach wie vor sind auch Viele auf Hartz IV angewiesen.
Wie sieht rund vier Jahre später die Bilanz tatsächlich aus?

Der Aufenthaltsstatus: Wichtigste Voraussetzung für die Integration in den Arbeitsmarkt

Die Voraussetzungen für die Arbeitsaufnahme ist der Aufenthaltsstatus.  Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge erhielten zwischen Januar 2015 und September dieses Jahres knapp 1,6 Millionen Bewerber*innen den Bescheid über ihren Asylantrag. Fast 600 000 von ihnen wurde der volle Asyl- oder Flüchtlingsstatus zugesprochen, mit dem eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre verbunden ist, die später in eine dauerhafte Niederlassungserlaubnis umgewidmet werden kann. Und damit der uneingeschränkte Zugang zum Arbeitsmarkt gewährt wird. 290 000 erhielten subsidiären Schutz, in gut 80 000 Fällen wurde ein Abschiebeverbot durch die aufnehmende Länder erteilt, und mehr als 600 000 Asylanträge wurden abgelehnt.
Für die Menschen aus den acht wichtigsten Asylherkunftsländern  Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien zeigen die Daten ein gemischtes Bild über den Fortschritt der Integration in den Arbeitsmarkt.
Erfreulich ist, dass die Beschäftigung kontinuierlich steigt. So hatten im August dieses Jahres insgesamt 345 000 Menschen aus diesen Asylherkunftsländern Arbeit, 27 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Die Beschäftigungsquote belief sich damit auf 35,5 Prozent.

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…und auf einmal ist der Krieg ganz nah

Letzte Woche fragten mich syrische Kurden, ob sie im Klarissenkloster eine Gedenkfeier für die Opfer der Militäroffensive der Türkei in Nordsyrien abhalten könnten. Unter den Opfern waren nahe Verwandte und Freunde.

Seit Beginn der türkischen Offensive am 9.10.2019 in Nordostsyrien sind nach Angaben humanitärer UN-Organisationen mehr als 160.000 Menschen vertrieben worden. Die anhaltenden Militäroperationen verschärfen die bereits sehr angespannte humanitäre Situation. 

Die Menschen fliehen aus Angst um ihr Leben vor den Bomben – viele zum zweiten Mal – da sie bereits aus anderen Regionen Syriens in den Norden des Landes geflüchtet waren und als intern Vertriebene hier Schutz gesucht hatten.

Ich finde es beschämend wie die EU und Deutschland auf die türkische Invasion in Syrien reagiert. Wie können wir tatenlos zusehen, wie der skrupellose und rücksichtslose Machthaber in Ankara diese völkerrechtswidrige Invasion in Nordsyrien durchführt. „Wie verlogen, wie schäbig, wie beschämend: Wie anders sonst sollte man die Reaktionen des Westens auf die türkische Invasion in Syrien bezeichnen?“

Geschätzt eine Million kurdischstämmige Menschen leben in Deutschland. Seit letzter Woche demonstrieren viele von ihnen gegen den Einmarsch der Türkei in Nordsyrien – oft aus Angst um ihre Angehörigen.

Ich bin froh, dass wir Menschen in Ihrer Trauer einen Ort des Gedenkens und des Trauerns geben können.

Caritas international leistet mit anderen Hilfsorganisationen Nothilfe für die Menschen in Nordostsyrien. Weitere Informationen finden Sie hier.

 

Ab in den Urlaub – und ständig erreichbar?

Ich bin dann mal weg – und nehme Arbeit mit…

Was ist Urlaub? So mancher meint schlichtweg, wegfahren und nicht arbeiten müssen.
Das Gabler Wirtschaftslexikon definiert Urlaub als „bezahlte Freizeit, die der Wiederherstellung und Erhaltung der Arbeitskraft des Arbeitnehmers dienen soll. Während des Urlaubs darf der Arbeitnehmer deshalb keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit leisten“.

In Zeiten der Digitalisierung und der Vielfalt der mobilen Medien stellt sich mir die Frage: Steht es in einem Widerspruch zum Urlaubszweck, wenn man seine beruflichen E-Mails ab und an checkt? Laut INNOFACT-Umfrage im Auftrag von SAP Concur (2018) haben nämlich 60 % der Beschäftigten schon einmal im Urlaub gearbeitet. Etwa jeder Zweite antwortete dabei auf E-Mails.
Ich frage mich, was der Grund dafür ist: Das Aufgabenvolumen, das ohne fortlaufende Bearbeitung nicht händelbar ist? Der eigene Antrieb, ständig auf dem Laufenden zu sein? Oder gar das über allem schwingende Damokles-Schwert der ständigen Erreichbarkeit, die durch Smartphone und Tablet bestärkt wird? Die Digitalisierung macht’s möglich. Bei manchen mag es sogar eine Mischung aus all dem sein.

Ja, ich kenne diesen Impuls, mal kurz in die E-Mails schauen, es könnten ja wichtige Termine in meinen Kalender gekommen sein. Oder  ist das  Protokoll eines wichtigen Termins kurz vor meinem Urlaub vielleicht schon eingetroffen? Weiterlesen

Europa – wo bist Du gelandet?

Ein Gastbeitrag von Suasanne Rabe-Rahman, Leitung Perspektivberatung für Flüchtlinge und Interkulturelles Zentrum

Gott sei Dank! Carola Rackete ist wieder frei, die mutige Kapitänin des Sea-Watch-Schiffes, die Flüchtlinge vor dem Ertrinken gerettet hat. Gott sei Dank! Es gibt mutige Frauen, die sich für Humanität einsetzen, die rechtsextrem anmutender Abschottungspolitik aktives menschengerechtes Engagement entgegensetzen. Bravo!

Sie wird hoffentlich nicht auf einer dieser seltsamen Listen rechtsextremer gewaltbereiter Verbindungen landen – und in Deutschland wie in anderen europäischen Ländern dauerhaft bedroht sein?

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Blick vor die eigene Haustür – Gedanken zur Europawahl

Gastbeitrag von Nils Freund, Mitarbeiter bei Aktion Neue Nachbarn und in der Caritaspastoral:

Die letzten Wochen standen noch ganz unter dem Eindruck der Europawahlen und der Befürchtung vor dem Erstarken der rechtspopulistischen Parteien in Europa. Im tagespolitischen Geschäft erschöpft sich die Interpretation der Wahlergebnisse leider oft in der Frage, ob die Grünen nun eine Kanzlerkandidatin oder -kandidaten stellen dürfen und die CDU und insbesondere die SPD sich gerade selber abschaffen und noch als sogenannte Volksparteien gelten dürfen. Populismus und rechte Politik wird bestenfalls noch als ein ostdeutsches, weil erwartbares oder als ein außerdeutsches, in Teilen ebenfalls erwartbares, Problem wahrgenommen.
Es lohnt sich aber einmal einen Blick vor die eigene Haustür zu werfen. Erfreulich auch für Köln ist die gestiegene Wahlbeteiligung. Für viele Kölner*innen ist Europa ein wichtiges Thema. Auf den ersten Blick scheint das schwache Abschneiden der sogenannten Alternative für Deutschland mit gerade mal 6 Prozent in Köln ebenfalls eine erfreuliche Entwicklung zu sein. Betrachtet man die Ergebnisse jedoch im Detail, fällt auf, dass die fremdenfeindliche Partei in zwei Stadtbezirken und mehr als 20 Stadtteilen über 10 Prozent der Stimmen geholt hat. Insbesondere dort, wo die Wahlbeteiligung eher niedrig ist und viele Menschen in Armut leben, konnten die Rechten mehr Stimmen holen.
Bleibt die Frage, wie wir die Menschen, die nicht zur Wahl gehen oder ihr Kreuz an der populistischen Stelle machen, abholen können und gemeinsam eine den Menschen zugewandte Stadtgesellschaft entwickeln können.
Begegnungen und Gespräche leisten dabei einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung eines positiven Menschenbildes.
In der Flüchtlingshilfe und Integrationsarbeit gibt es eine vielfältige und bunte Landschaft von Begegnungsangeboten. Die vielen engagierten Ehren- und Hauptamtlichen bauen hier mit ihrem Einsatz Schranken und Vorurteile ab, entwickeln Hilfen und Angebote und leisen so für viele Unterstützung – das ist nicht selbstverständlich. Als Mitarbeiter der Aktion Neue Nachbarn möchte ich an dieser Stelle einfach mal DANKE sagen für diese tolle und wichtige Arbeit!

Hiergeblieben!?

Hiergeblieben!? – Bleibeperspektiven im Spannungsfeld zwischen Ausreisepflicht und Integration“

Voller Saal. So präsentierte sich die 19. Regionale Fachtagung von Kölner Flüchtlingsrat, Ausländeramt und Caritasverband Köln in der vergangenen Woche. Den Veranstalter*innen war es abermals gelungen, ein aktuelles wie spannendes Thema zu finden. Da verwundert es nicht, dass um die 190 Mitarbeiter*innen aus Ämtern und Behörden, Beratungsstellen und Menschenrechtsorganisationen aus dem Regierungsbezirk Köln der Einladung in die Jugendherberge nach Köln-Riehl gefolgt sind und sich im Plenum wie in verschiedenen Workshops aus verschiedenen Blickwinkel mit Bleibeperspektiven von Flüchtlingen im Spannungsfeld zwischen Ausreisepflicht und Integration zu befassen.

Integrationsminister Dr. Stamp mit Stadtdechant Msgr. Kleine (re.)

In seinem Grußwort machte der Vorsitzende des Caritasrates, Stadtdechant Monsignore Robert Kleine zu Beginn der Tagung auf deren Besonderheit aufmerksam, dass Ausländerbehörde, Flüchtlingsrat und Caritasverband die Integrationspolitik als gemeinsames Anliegen definieren und Lösungen entwickeln. Dabei skizzierte er die Fragen, vor denen Flüchtlinge, selbst wenn sie Deutschland und Köln erreicht haben, immer wieder stehen: Werden wir bleiben dürfen? Wie lange? Was kann ich tun, um meinen Status sicher zu machen? Gleichzeitig stellte er aber auch die Frage, ob wir, die aufnehmende Gesellschaft, geflüchteten Menschen überhaupt einen sicheren Hafen bieten können. Ob sich nicht manches Mal eher der Verdacht aufdrängt, dass wir Flüchtlinge durch übertriebene Restriktionen dazu zwingen, eine Lüge zu leben, wenn sie sich für ihre Flucht vorübergehend eine andere Identität geben? Ob mit dieser Schärfe in der Flüchtlingspolitik wir vielleicht manches Mal sogar eher für mehr Unsicherheit und für weniger Sicherheit sorgen?

Auch der Integrationsminister des Landes Nordrhein-Westfalen Dr. Joachim Stamp nutzte die Gelegenheit, Position und Engagement der Landesregierung im landes-, bundes- und europäischen Kontext darzustellen und stellte sich kritischen Fragen aus dem Fachpublikum. Im europäischen Kontext ist nach der Europa-Wahl vor der Europa-Wahl. Schließlich stehen immer noch ein paar Aufgaben auf der Agenda. Zu denen gehört, wenn es nach dem Minister geht, auch bei künftigen Beitrittsländern darauf zu achten, wie diese mit ethnischen Minderheiten in ihrem Land umgehen. Weiterlesen