Ausgezeichnet als Leuchtturmprojekt beim Nationalen Integrationspreis: „Stadtteilmütter und -väter in Köln-Meschenich“

Katja Hendrichs, Leiterin des Caritas-Zentrums Köln-Meschenich, berichtet von ihrer Reise mit zwei ehrenamtlich engagierten Stadtteilmüttern zur Preisverleihung nach Berlin:

Nasrin Ramadan und Nida Ali Rasho bei der Verleihung des Nationalen Integrationspreises im Bundeskanzleramt Berlin

Am 29.10.2018 bin ich mit zwei Vertreterinnen der „Stadtteilmütter und –väter in Köln-Meschenich“ zur Verleihung des Nationalen Integrationspreises der Bundeskanzlerin nach Berlin gereist. Das Sozialprojekt aus dem Stadtteil im Kölner Süden war für den Preis nominiert und die beiden ehrenamtlichen Stadtteilmütter und ich als Projektkoordinatorin waren zur Preisverleihung eingeladen.

Die Anreise per Flugzeug gestaltete sich aufregend. Als eine meiner beiden Mitreisenden besonders lange vor dem Einlass warten musste, stand die Frage für mich plötzlich im Raum: Wird hier gerade eine Person aufgrund ihrer Herkunft mit höherer Aufmerksamkeit bei der Kontrolle bedacht, die heute für ihr besonderes Engagement im Bereich der Integrationsarbeit geehrt werden soll?

Der Preis wird seit 2017 jährlich an ein Projekt vergeben, das sich in besonderem Maße für die Integration von Menschen mit Fluchthintergrund einsetzt. Die beiden Vertreterinnen der  „Stadtteilmütter und –väter in Meschenich“ arbeiten mehrmals monatlich in Flüchtlingswohnheimen mit. Sie gestalten Elterncafés, bei denen sie interessierte Bewohner*innen über Familienthemen informieren, bei Übersetzungen behilflich sind und dabei mit den Heimleitungen zusammen arbeiten. Seit vier Jahren engagieren sich Beide mit Herz für ihren Stadtteil an dem Projekt, das seit 2011 besteht und seitdem viel Zuspruch erhält. Frau Ali Rasho und Frau Ramadan wissen viel über die Informationen und Hilfestellungen, die die Menschen in Unterkünften benötigen. Sie selbst haben diese Lebensphase mit ihren Familien vor mehr als zehn Jahren erlebt und sich in der Zwischenzeit grundlegend für ihre vielseitige Tätigkeit qualifiziert.

Als angenehm bodenständig, abgeklärt und gut informiert erlebte ich die Beiden – ebenso bei der Kontrolle am Flughafen Tegel wie beim gemeinsamen Spaziergang entlang des Berliner Mauer-Geschichtswegs. Das Thema deutsch-deutsche Geschichte halten beide für sehr wichtig. Sie sind der Meinung, dass man etwas darüber lernen kann, wie besonders rigide Staatsysteme funktionieren und wie man sie verändern oder überwinden kann.

Bei der Auswahl der ausgezeichneten Projekte wurde in diesem Jahr ein Schwerpunkt auf „Wertevermittlung“ gelegt. Die beiden Frauen diskutierten die Werte, die sie in ihrer Arbeit vermitteln können. Offenheit und Überwindung von Vorurteilen sind Begriffe, die ich von ihnen hörte. Aber auch, „zu seinem Wort stehen“ und „sich einsetzen, etwas tun“. Bildung sei ein wichtiger Wert. Das passt zu vielen der vorgestellten Projekte: Betriebe, die sich in besonderer Weise für Flüchtlinge einsetzen, Patenschaften zwischen Senior*innen und Flüchtlingen und eine neue, innovative Form der Vernetzung von Engagierten und Akteurinnen.

Bei der Verleihungszeremonie freuten sich Frau Ramadan und Frau Ali Rasho mit dem diesjährigen Preisträger: Im Projekt „Brückenbau – Vielfalt begegnen“ aus Frankfurt am Main unterstützen arabisch-israelische, jüdisch-israelische und deutsche Spezialisten gemeinsam die Integration und psychosoziale Versorgung von Flüchtlingen in Erstaufnahmeeinrichtungen. Träger des Projekts sind die Hilfsorganisation IsraAID Germany und die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. Auch ein wichtiges Stück deutscher Geschichte findet sich hier wieder, mit dem sich Frau Ramadan und Frau Ali Rasho auseinander setzen. Außerdem sehen sie sich selbst ebenfalls als „Brückenbauerinnen“ zwischen unterschiedlichen Menschen, ihren Traditionen und Wertevorstellungen, Sprachen und Möglichkeiten im Hinblick auf gesellschaftliche Teilhabe.

Sicher sind sie an diesem Tag in ihren persönlichen Interessen angesprochen und in ihren Überlegungen und ihrem Handeln gestärkt worden. Befand sich ihr Projekt doch nicht nur unter den 33, für den Nationalen Integrationspreis nominierten Projekten und Initiativen, sondern wurde auch als eines der zehn preiswürdigen Leuchtturmprojekte ausgewählt.

Bei der Veranstaltung vorgestellt wurde das Projekt von Jurymitglied Frau Professor Dr. Naika Foroutan der Humboldt-Universität Berlin. Die Integrationsforscherin lenkte den Blick auf die Leistungen der Migrantinnen und Migranten selbst, die sich in herausragender Weise um verbesserte Integrationschancen der Zuwanderer und Öffnung der gesellschaftlichen Strukturen bemühen: Das Engagement der Stadtteilmütter und –väter in Köln-Meschenich beurteilte die Jury als preiswürdig besonders hinsichtlich der Kriterien „Nachhaltigkeit“ und „Übertragbarkeit“, aber auch im Hinblick auf den hohen persönlichen Einsatz der Mitwirkenden.

Beim abendlichen Empfang im Kanzleramt wurden die beiden Ausgezeichneten von anderen nominierten Projektvertreterinnen und –vertretern nach ihren Erfahrungen befragt. Sie erhielten Anerkennung und Vernetzungsangebote. Der Tag ging für sie zwar mit verspätetem Heimflug, doch mit positiven Gefühlen zu Ende: Es war bereichernd, einmal die Kanzlerin aus der Nähe zu sehen, das Kanzleramt zu besichtigen und die Stimmung im politisch trubeligen Berlin zu erleben. Wir hatten eine kurze Zeit Teil an etwas, das uns widerspiegelte, dass es wichtig und richtig ist, was wir tun. Die Frage der Kanzlerin danach, wann Integration eigentlich beendet sei, beantworten Frau Ali Rasho und Frau Ramadan an diesem Tag mit ihr gemeinsam: Wenn man Teilhabe erlebt.

Links zum Thema:

www.deutschlandfunk.de/berlin-bundeskanzlerin-merkel-verleiht-nationalen-integrationspreis

https://www.integrationsbeauftragte.de/blueprint/servlet/ib-de/themen/projekte-und-forschung/widmann-mauz-positive-integrationsgeschichten-sichtbar-machen–1542416

 

Über das Projekt:

Das sozialräumliche Kooperationsprojekt „Stadtteilmütter und –väter in Köln-Meschenich“ befindet sich federführend in der Koordinierung durch den Caritasverband Köln. Gesteuert wird es in Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt und dem Bezirksjugendamt Köln-Rodenkirchen, dem Interkulturellen Dienst der Stadt, dem Amt für Weiterbildung Köln, den Meschenicher Familienzentren, der Grundschule und dem Schwerpunktträger im Stadtteil „Praxis Jugendhilfe“. Das Projekt finanziert sich derzeit vorwiegend über Spenden und Stiftungsmittel der CaritasStiftung, der Hans-Günther-Adelsstiftung, der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft “ und der Glücksspirale.

Stadtteilmütter und –väter unterstützen Menschen, die neu in den Stadtteil und in die umliegenden Flüchtlingswohnheime gezogen sind. Sie begleiten zu Ämtern, Behörden und medizinischen Einrichtungen. Dabei informieren sie über viele wichtige Familienthemen wie die soziale, gesundheitliche und sprachliche Förderung von Kindern und Jugendlichen, soziales Zusammenleben in Familien und Nachbarschaft. Sie arbeiten eng mit dem Hilfesystem der Träger und der Stadt Köln zusammen. Ihr Wissen und ihre Erfahrungen möchten sie gerne weiter geben und sind als Mentor*innen für neue aktive Ehrenamtliche tätig. Sie vertreten ihre Initiative selbst in Gremien und bereichern die kooperative Netzwerkarbeit im Stadtteil.

Die Bewerbung für den Nationalen Integrationspreis der Bundeskanzlerin wurde durch den Diözesan-Caritasverband im Erzbistum Köln e.V. an die Deutsche Bischofskonferenz DBK geleitet. Diese legte der Preisjury den Vorschlag zur Nominierung vor, was zunächst zur Nominierung und letztendlich zur Auswahl als eines der zehn „Leuchtturmprojekte“ führte.

 

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