Ein Beitrag von
Robert Schlappal, Leiter Sozialpsychiatrische Zentren im Caritasverband Köln:
Mitte letzter Woche endete die 3. KölnBonner Woche für Seelische Gesundheit. (Link: http://www.woche-seelische-gesundheit.de/koeln/news/index.html ) Die sich über zwölf Tage erstreckende Veranstaltungsreihe war nicht zuletzt eine Art Leistungsschau professioneller Anbieter sozialer und medizinischer Dienstleistungen, aber gerade auch von Selbsthilfe- und Angehörigeninitiativen der Region. Das Themenspektrum begann bei seelischen Wellnessangeboten und erstreckte sich über Vorträge und praktische Beispiele präventiver Konzepte bis hin zur Behandlung, Rehabilitation und Entstigmatisierung psychiatrischer Störungen.
An dieser Stelle darf normalerweise der Hinweis auf die besorgniserregende Entwicklung bei den psychischen Krankheiten nicht fehlen. Und in der Tat, egal welcher Studie man auch folgt, die Zahl der von seelischen Beschwerden Betroffenen kennt seit Jahren nur den Weg nach oben. Werden wir psychisch immer kränker? Liegt es am Stress, an der Hektik unserer Zeit, am Mangel an Achtsamkeit?
Nach Friedrich Nietzsche ist Gesundheit „dasjenige Maß an Krankheit, das es mir noch erlaubt, meinen wesentlichen Beschäftigungen nachzugehen“. Nach dieser, zugegeben, nüchternen Definition ist Gesundheit also nicht die unrealistische Vorstellung, man könne ein Leben lang die vollständige Abwesenheit von Krankheit genießen. Vielmehr besteht Gesundheit, neben der Bekämpfung von Symptomen und Ursachen von Krankheit, vor allem im konstruktiven, akzeptierenden und integrierenden Umgang mit Einschränkungen, Verletzlichkeiten und Grenzen.
So einen Umgang kann man selbst pflegen, in dem man die Seele auf ganz individuelle Weise Kraft tanken lässt, egal ob ganz für sich allein oder gut organisiert bei einem der Angebote, wie sie während die Woche für Seelische Gesundheit vorgestellt wurden. Die zweite Stellschraube nach Nietzsches Definition ist aber die „wesentliche Beschäftigung“. Und deren Gestaltung ist bei uns, zumindest in der Berufswelt, von gesellschaftlich-wirtschaftlichen Anforderungen und Vorstellungen bestimmt. Gibt es dort Raum für Menschen mit schwankendem, abweichendem Leistungsvermögen, so werden sie sich in vielen Fällen trotzdem als seelisch gesund, weil teilhabend, erleben. Fehlt dieser Raum, entstehen Krankheit und Exklusion.
In sofern brauchen wir noch viele Wochen für seelische Gesundheit, nicht nur als Angebot für achtsamkeitswillige Individuen sondern auch für eine inklusionsfähige Gesellschaft.