Stopp! „Nein zu Missbrauch“


Studien des Bundesfamilienministeriums belegen, dass Menschen mit Behinderung einem größeren Risiko ausgesetzt sind, Opfer von sexueller Gewalt zu werden als Menschen ohne Einschränkung. Im Zuge der Diskussionen, Medienberichte und runden Tische, die im Jahr 2010 um das Thema sexueller Missbrauch entstanden sind, blieben jedoch die Kinder und Jugendlichen mit speziellem Förderbedarf häufig außen vor.

In der Bundesrepublik Deutschland leben ca. 80.000 Gehörlose. Nach Angaben des Deutschen Schwerhörigenbundes gibt es ca. 16 Millionen Schwerhörige. Davon haben ca. 140.000 einen Grad der Behinderung von mehr als 70 % und sind auf Gebärdensprach-Dolmetscher angewiesen. Etwa ein Drittel von Ihnen sind unter 18 Jahren. Bei diesen ereignen sich mehr als die Hälfte aller Übergriffe im Kontext ihrer Behinderung -also genau an den Orten, die hörgeschädigte junge Menschen aufsuchen, um Hilfe zu bekommen oder an denen sie Schutz erwarten.

Bei den Kindern und Jugendlichen mit einer Hörschädigung zeigt die Statistik, dass 45,8% der Mädchen und 42,4% der Jungen Opfer von sexueller Gewalt werden. Fast jedes zweite Kind mit Hörschädigung wurde hiernach Opfer von sexueller Gewalt. Dieses hohe Risiko liegt  nicht an der Behinderung an sich, sondern an den Lebensbedingungen der Kinder und Jugendlichen.

Hörgeschädigte Kinder und Jugendliche bewegen sich in kleineren Peergroups. Sie haben oftmals nur wenige Freunde und Gleichgesinnte in ihrem Wohnumfeld/Sozialraum. Da nur wenige Menschen die Gebärdensprache beherrschen sind sie abhängig von wenigen Bezugspersonen (Lehrer, Betreuer in Schule und Sportvereinen). Selbst in der Familie gibt es in den meisten Fällen keine gesicherte solide Kommunikation. Eltern sind zudem verunsichert, behüten ihre Kinder sehr und geben ihnen geringe Möglichkeiten zur freien Entfaltung. Das hat zur Folge, dass diese Kinder und Jugendlichen sich in der Regel nur wenig ausprobieren können, ihr Selbstvertrauen nicht sehr ausgeprägt ist und sie Schwierigkeiten haben, Gefahrenpotenziale richtig einzuschätzen. Diese Umstände nutzen Täter gezielt um das Vertrauen der Kinder und Jugendlichen zu erlangen. Oft dauert der Missbrauch über Monate und Jahre an.

Auch im Caritasverband Köln haben wir, unter anderem im Jugendcafé „Bugs“, mit jungen Menschen mit Hörschädigung zu tun. Das ist für uns ein Grund mehr, uns dem Thema zu widmen und hier noch genauer hinzuschauen. Insbesondere Institutionen, die für hörgeschädigte Menschen eine Anlaufstelle sind, müssen für das Thema sensibilisiert sein. Sie müssen das Selbstbewusstsein junger Menschen stärken und ihnen beibringen, konsequent NEIN! sagen zu können. Im Rahmen des Arbeitskreises „Begleitung von Menschen mit Hörschädigung“ der Diözesan-Arbeitsgemeinschaft Behindertenhilfe im Erzbistum Köln, entstand im letzten Jahr das Präventionsmaterial „Nein zu Missbrauch“ in Herausgeberschaft des Erzbistums. Neben einem Begleitheft gibt es zwei Comics, die ohne Schriftsprache das Thema sexuelle Gewalt visualisieren. Sie unterstützen den Einstieg in die Präventionsarbeit, können Beratungsgespräche begleiten und regen zur Kommunikation über sexuellen Missbrauch an. Ein Elternbrief in leichter Sprache unterstützt das Material. Auch die Kolleginnen und Kollegen im Caritasverband, die sich mit der Zielgruppe beschäftigen, liefern gerne weitere Informationen zum Thema.

Einen kurzen Film zu der genannten Broschüre finden Sie hier: https://www.youtube.com/watch?v=PIgaDfvna1s&feature=youtu.be.

Ein Gastbeitrag von Sabrina Exler, Einrichtungsleitung “Bugs” Jugendarbeit

1 Kommentare zu “Stopp! „Nein zu Missbrauch“

  1. Diese Broschüre ist sehr gelungen und das sage ich nicht nur, weil ich seinerzeit als Mitarbeiterin des Bugs-Jugendcafés daran mitgearbeitet habe. Die Broschüre ist inklusiv und damit überall einsetzbar: bei Gehörlosen, dort wo es Sprachbarrieren gibt, eigentlich ÜBERALL, denn sie ist sehr ansprechend gestaltet. Mittlerweile haben viele Menschen, Einrichtungen, Fachkräfte aus den unterschiedlichsten Bereichen ihr Interesse an dieser Broschüre bekundet. Meiner Meinung nach ist es wichtiger denn je unsere Kinder und Jugendlichen, aber auch die gesamte Gesellschaft immer wieder für dieses Thema zu sensibilisieren, denn so lange es weiter solche Gerichtsentscheidungen, wie im Fall Edathy gibt, sind unsere Kinder nicht sicher – so erhält Herr Edathy beispielsweise keinen Eintrag ins Polizeiliche Führungszeugnis und könnte somit jederzeit eine Anstellung in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen finden…
    Also: Broschüre bestellen, ins Gespräch kommen, Kinder und Jugendliche stärken!

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