Koalitionsvertrag: Bringt er neue Denkansätze zur Pflege in Deutschland?

Der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD enthält wichtige Aussagen zum Thema Pflege. Die öffentliche Berichterstattung hat diese Vereinbarungen nur am Rande zur Kenntnis genommen, obwohl sie den Alltag von Millionen Menschen in Deutschland tiefgreifend betreffen.

Eine zentrale Forderung der Caritas und ihrer Fachverbände war die seit Jahren erwartete Einführung des Neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs. Die Koalitionspartner haben sich diese Forderung zu Eigen gemacht. Der Vertrag sieht ein zweischrittiges Verfahren der Umsetzung vor. Wir hoffen sehr, dass dies nun in der kommenden Legislaturperiode zügig und konsequent gegangen und keine weiteren Verzögerungen zugelassen werden. Die hierfür beschlossene, 0,5%ige, Steigerung des Beitrags zur Pflegeversicherung ist eine entscheidende Voraussetzung für die Umsetzung und darf nicht unterschritten werden.

Der Vertrag sieht vor, dass einzelne Leistungen des Neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs bereits vorgezogen werden. Insbesondere die Verbesserung des Schlüssels für die zusätzlichen Betreuungskräfte nach §87b ist sehr positiv.

Die Forderung, die ambulante häusliche Pflege tarifgerecht zu bezahlen, wird nicht als Ziel formuliert; aber der Vertrag hält fest: „ Zur Stärkung der ambulanten Pflege werden wir die Leistungen im ambulanten und stationären Bereich weiter einander angleichen“.

Die Forderung der Caritas die medizinische Behandlungspflege, die stationär in Heimen erbracht wird, über SGB V zu finanzieren, wird explizit nicht aufgegriffen. Aber es wird nur festgestellt, dass die Schnittstellen zwischen SGB V und SGB XI hinsichtlich der konsequenten Umsetzung der Grundsätze `ambulant vor stationär´ und `Prävention vor Rehabilitation vor Pflege´ geprüft werden sollen. Die Caritas wird in diese Diskussionen unsere Forderungen nach einer angemessenen Berücksichtigung des Aufwandes für die Behandlungspflege weiter einbringen.

Die Forderung der Wohlfahrtspflege nach der Einführung einer „Generalistischen Pflegeausbildung“ findet sich im Vertrag nicht eindeutig wieder. Unterschiedliche Berufsabschlüsse der Pflegenden haben in der Vergangenheit eine Durchlässigkeit der Systeme von Krankenhaus, Altenheim und häuslicher Pflege sowohl innerhalb Deutschlands als auch im internationalen Bereich behindert. Es bleibt also die Erwartung, dass dieser Sonderweg der deutschen Pflegeausbildungen mit der anstehenden Reform beendet wird.

Die Forderung, die Ergebnisqualität in den Mittelpunkt der PTVS zu rücken,wird mit verschiedenen Formulierungen aufgegriffen.  Zu begrüßen ist die Ansage, dass „Qualitätssicherungsverfahren wissenschaftlichen Standards genügen und kontinuierlich -auch im Hinblick auf eine Entbürokratisierung und ein sektorenübergreifendes Vorgehen -weiterentwickelt und verbindlicher gestaltet werden“ sollen.

Die durch Caritas und Berufsverbände langjährig vorgetragene Forderung nach einem wissenschaftlich abgesicherten Verfahren der Personalbemessung setzen wir in Beziehung zur Vereinbarung der Parteien, sich im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten für Personalmindeststandards im Pflegebereich einzusetzen. Solche Standards bedürfen einer wissenschaftlichen Absicherung und dürfen nicht „nach Kassenlage“ bestimmt werden.

Somit ist auch dieser Koalitionsvertrag in Sachen “Zukunft der Pflege” wieder nicht “der große Wurf”, sondern eher ein “kleines Anrollen” notwendiger Reformen. Immerhin steht die Einführung des veränderten Pflegebedürftigkeitsbegriffs, verbunden mit einer verbesserten finanziellen Ausstattung der Pflegeversicherung nun fest. Zu den zentralen Zukunftsthemen der Fragen nach nachhaltiger Finanzierung der Pflege und Verbesserung der Personalsituation gibt er aber weder Antworten noch neue Denkansätze.

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