Darf ich mir meinen Nächsten aussuchen?

“Zum geplanten Bau von Flüchtlingswohnheimen in Kölner Gemeinden.

Dort, wo die Stadt Köln weitere Flüchtlingswohnheime bauen lässt, begegne ich vielen wütenden Bürgerinnen und Bürgern. Ihre Verärgerung richtet sich vor allem gegen die Vorgehensweise der Verwaltung, die erst beschließt und dann die Bürger zum Dialog bittet. Dabei sollte doch erst der Dialog stattfinden, die Bürger sollten gehört und erst dann sollte beschlossen werden. So verstehe ich jedenfalls Demokratie und deshalb kann ich in dieser Sache die Wut der betroffenen Bürgerinnen und Bürger nachempfinden.

Ihr Ärger richtet sich aber auch gegen die Flüchtlinge, für die wir in Köln dringend neue Flüchtlingswohnheime brauchen. Hier gehe ich entschieden auf Distanz, da ihre Argumentation einseitig, unreflektiert und zum Teil „braun eingefärbt“ ist. Sie wollen nicht hören, dass ihre Stadt in der politischen Verpflichtung steht, weitere Flüchtlinge aufzunehmen und dass die aktuelle Aufnahmekapazität von Flüchtlingen in Köln  mehr als ausgeschöpft ist.

Liebe Kölnerinnen und Kölner, der Bau weiterer Flüchtlingswohnheime ist gerechtfertigt und richtig!

Wir brauchen den Platz, weil wir Verantwortung für Menschen übernehmen wollen, die aufgrund ihrer Herkunft, Religion oder politischen Haltung verfolgt, gefoltert und getötet werden. Nur zwei Aspekte seien hier kurz erwähnt. Zwei Aspekte, die für Millionen Menschen stehen, die sich jetzt gerade auf der Flucht befinden, um ihr Leben zu retten.
Aus aktuellem Anlass geht mein erster Gedanke nach Syrien. Ein blutiger Bürgerkrieg fordert täglich unschuldige Tote. Frauen, Kinder, Muslime und Christen, sie alle fliehen. Die meisten fliehen  in die Nachbarländer und nur die wenigsten direkt nach Europa.

Mein zweiter Gedanke gilt allen  Menschen, die wir zur Volksgruppe der Roma zählen. Sie werden bis heute wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit unterdrückt, misshandelt und vertrieben. Nur aufgrund ihres Seins, und das passiert nicht nur weit weg, sondern hier in Europa und auch hier bei uns in Deutschland.

Als Christ fühle ich mich der Nächstenliebe verbunden. Aus dieser Überzeugung  heraus möchte ich auf die verärgerten Kölner Bürgerinnen und Bürger zugehen und ihnen Mut machen, dass wir gemeinsam Menschen Schutz geben, die wegen Krieg und Gewalt ihre Heimat verlassen müssen. Dass wir gemeinsam unterdrückten Roma-Familien eine gesicherte Daseinsberechtigung geben.

Wir möchten in keiner Gesellschaft leben, die sich ihren Nächsten aussuchen darf und somit bestimmt, wer willkommen ist und wer nicht.”

Gastbeitrag von Massimo Marcone, Mitarbeiter im Therapiezentrum für Folteropfer – Caritas-Flüchtlingsberatung

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