Abtragung

ABTRAGUNG, F Windisch ©joschwart.com

ABTRAGUNG, F.Windisch ©joschwartz.com

Ludger Hengefeld ist Leiter der Stabsabteilung Engagement und Zivilgesellschaft

Eine junge Frau schleift einen Tisch ab. Der hell erleuchtete Raum hat glatte weiße und Wände kaum weiteres Inventar, aber Schaufensterscheiben in zwei Richtungen, so dass Passanten nicht nur das Geräusch hören, sondern ihr auch bei der Arbeit zusehen können. „Die trägt keine Micky-Mäuse“, stellt einer fest, „wenn das ihr Chef sieht – dann gibt es gleich Ärger!“ Wenn schon keine Ohrschützer, einen Mundschutz und einen Blaumann trägt Franziska Windisch allerdings; der große Raum ist inzwischen auch schon reichlich mit dem Staub besetzt, den die tägliche Abschleifarbeit erzeugt hat. Außerdem ist es Dezember und abends schon einmal etwas frischer. Auch die ausliegenden Drucksachen der Galerie liegen unter einer Schicht aus Holzstaub. „Abtragung“ kann man an der Schaufensterscheibe lesen, und die Arbeitszeiten der Brüsseler Künstlerin nachlesen: zwei Wochen lang will sie zu den Werktagen jeweils eineinhalb Stunden schleifen. Eine Abschlussperformance ist ebenfalls angekündigt.

Weiterlesen

Lampedusa ist überall

Von Westafrika zu den kanarischen Inseln, von Nordafrika in die spanischen Enklaven und nach Lampedusa, von der Türkei nach Griechenland. Über diese Routen versuchen tausende Menschen ihre Sicherheit, ihr Glück. Es sind nicht immer die „Ärmsten der Armen“, die dies versuchen, es sind oft die jungen und starken, die gut ausgebildeten, die, die Verantwortung zu übernehmen bereit sind, die für ihre Familie oder das ganze Dorf zu sorgen bereit sind. Es sind aber auch die, die bedroht sind, an Leib und Leben – aus politischer Gesinnung oder weil im (Bürger-)Krieg einfach niemand sicher ist. Sie machen sich auf den Weg oder werden geschickt, riskieren im vollen Bewusstsein ihr Leben, um ihre Passion zu erfüllen. Ein Leben in Europa, sicher sein, arbeiten, Geld nach Hause schicken. Sorgen, dass die Familie überlebt, das Dorf.

Doch wir in Europa schotten uns ab. Weiterlesen

Das Recht auf Freizügigkeit in der EU

Seit dem 01.01.2014 ist der deutsche Arbeitsmarkt offen für Menschen aus Bulgarien und Rumänien. Eine Arbeitserlaubnis ist dann nicht mehr nötig, um nach Deutschland kommen zu können. Noch ist unklar, wie viele das sein werden. Experten erwarten keine Völkerwanderung, wohl aber Zuzug im sechsstelligen Bereich. Die CSU macht im Vorfeld bereits Front gegen Armutszuwanderung. Weiterlesen

Koalitionsvertrag: Bringt er neue Denkansätze zur Pflege in Deutschland?

Der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD enthält wichtige Aussagen zum Thema Pflege. Die öffentliche Berichterstattung hat diese Vereinbarungen nur am Rande zur Kenntnis genommen, obwohl sie den Alltag von Millionen Menschen in Deutschland tiefgreifend betreffen.

Eine zentrale Forderung der Caritas und ihrer Fachverbände war die seit Jahren erwartete Einführung des Neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs. Die Koalitionspartner haben sich diese Forderung zu Eigen gemacht. Der Vertrag sieht ein zweischrittiges Verfahren der Umsetzung vor. Wir hoffen sehr, dass dies nun in der kommenden Legislaturperiode zügig und konsequent gegangen und keine weiteren Verzögerungen zugelassen werden. Die hierfür beschlossene, 0,5%ige, Steigerung des Beitrags zur Pflegeversicherung ist eine entscheidende Voraussetzung für die Umsetzung und darf nicht unterschritten werden.

Der Vertrag sieht vor, dass einzelne Leistungen des Neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs bereits vorgezogen werden. Insbesondere die Verbesserung des Schlüssels für die zusätzlichen Betreuungskräfte nach §87b ist sehr positiv. Weiterlesen

„Ankommen in Deutschland“ – eine Jugendliche aus Rumänien erzählt

 

Es ist Mittagspause an einer Kölner Realschule, mit der der Caritasverband für die Stadt Köln e. V. kooperiert. Gedrängel, Lachen, Geschrei – eben alles was zu einer großen Pause dazugehört. Zwischen den Kindern und Jugendlichen tummeln sich ungefähr 30 Schülerinnen und Schüler aus zwei interkulturellen Klassen. Einige von ihnen sind schon länger in Deutschland und je nach Sprachstand in die Regelklassen integriert, manche sind erst vor einigen Tagen aus den unterschiedlichsten Ländern in Köln angekommen und sprechen noch kein Wort deutsch.

Die 14-jährige Christina, die im Pausenraum sitzt und Musik hört, ist vor einem Jahr mit ihrer Schwester aus Rumänien nach Deutschland gekommen. Während ihre Mutter bereits seit acht Jahren in Deutschland lebt und arbeitet, wohnten die beiden Mädchen bei der Urgroßmutter im Heimatland. Letztes Jahr ziehen Christina und ihre Schwester zu ihrer Mutter nach Köln. Heute ist es kaum vorstellbar, dass Christina vor 12 Monaten noch kein einziges Wort Deutsch sprechen konnte.

„Wie war die Anfangszeit für dich in Deutschland und wie geht es dir heute?“, frage ich sie. „Am Anfang habe ich fast ununterbrochen geweint und wollte wieder in meine Heimat“, ist ihre Antwort und sie berichtet von Vorurteilen und heftigen verbalen Angriffen, die ihr immer wieder begegnen – hauptsächlich in der Schule von Mitschülerinnen und Mitschülern. Weiterlesen

Thema Flüchtlinge nicht den Rechten überlassen! Um was geht es hier eigentlich?

Hier ein Gastbeitrag von Clemens Zahn, Fachberater für Caritaspastoral:

“Die Themen Flucht und Flüchtlinge, Armut und Armutswanderung bewegen Europa, zwischen Erschütterung und Abwehr, zwischen Anteilnahme und rechtsnationalistischer, gezielter gewalttätiger Mobilisierung gegen die Ärmsten der Armen.
Worum geht es zuallererst? Der italienische Fotograf und Journalist Fabrizio Gatti hat die Fotos der Kinder gesammelt, die vor Lampedusa ertrunken sind und im Magazin L’Espresso veröffentlicht. Anbei finden Sie die Links zu der englischen Version des Artikels und des Blogs, die uns alle verstummen lassen.

http://espresso.repubblica.it/attualita/2013/10/30/news/names-and-photographs-of-the-children-who-drowned-on-october-11th-while-europe-postpones-the-issue-1.139493

http://gatti.blogautore.espresso.repubblica.it/2013/10/30/The-kids-that-Europe-has-fed-to-the-fish/ 

Das Thema beschäftigt auch die Kirchengemeinden in Köln, die sich, u. a. in Deutz, Porz, Poll, Ehrenfeld, Weiden und Godorf, bereits sehr verdienstvoll engagieren, auch gegen Kampagnen und die heftige Ablehnung einer aufgebrachte (Teil-)Bürgerschaft, die durch Pro Köln und andere rechte Gruppen  gesteuert werden.

Angesichts der Kommunal- und Europawahlen im nächsten Jahr werden wir die Instrumentalisierung dieses Themas durch die radikale europäische Rechte erleben und einer diffamierenden emotionalen Mobilisierung gegen Flüchtlinge auch hier in Köln, die möglicherweise tief bis in die bürgerlichen Schichten hineinreichen wird. Fabrizio Gattis Dokumentation erinnert uns daran, um wen und um wie viel es geht, wenn wir uns gegen diese Kampagnen engagieren und warum wir diese bekämpfen und uns für das Asylrecht und die Integration von Flüchtlingen engagieren müssen.”

Sind Sie glücklich?

Zum Glücklich sein gehört deutschen Spruchweisheiten nach bekanntlich nicht viel. Der Duden beschreibt Glück als eine angenehme und freudige Gemütsverfassung oder einen Zustand innerer Befriedigung und Hochstimmung.

Wie glücklich die Deutschen sind, denen eher eine pessimistische Grundeinstellung nachgesagt wird, darüber gibt der jüngst veröffentlichte „Glücksatlas 2013“ Auskunft. Nach dieser Studie, bei der die Forscher das Glück in messbare Faktoren wie Einkommen, Berufs- und Familiensituation, Gesundheit und Freizeit aufteilen, ist das Glück vor allem im Norden Deutschlands zu Hause und zwar in dieser Reihenfolge: Schleswig-Holstein,  Hamburg und das nördliche Niedersachsen. Unglücklich oder eher unzufrieden sind dagegen die Brandenburger, Sachsen-Anhalter und Thüringer. Weiterlesen

Vom Umgang mit der Etikette – oder geht es um „Etikettierung“? Roma haben gar kein Interesse an Bildung – heißt es…

Ein Gastbeitrag von Susanne Rabe-Rahman, Leistungsbereichsleiterin Integration und Beratung im Caritasverband Köln:

“Ihre Kinder lassen sie allein oder schicken sie zum Betteln – heißt es…  In normalen Wohnungen leben? Das geht doch schon gar nicht gut – heißt es…  Alles falsch – so jedenfalls die Erfahrung im Rahmen einer Gruppenarbeit im Caritas-Zentrum Kalk.  Ihre Kinder sind schon in den Herkunftsländern Serbien, Montenegro, Kosovo größtenteils zur Schule gegangen. Ihre jetzige Unterkünfte sind eng, aber topp instand gehalten. Die Romafrauen haben nur der Ermutigung bedurft – und schon legen sie los. Weiterlesen

Ich fasse es einfach nicht!

Heute schlage ich beim Frühstück den Kölner Stadtanzeiger auf und es fehlen mir einfach die Worte. Da sterben vor Lampedusa Hunderte Flüchtlinge, – es werden immer mehr Leichen aus dem Meer geborgen-, und es ist gerade mal eine Mini-Meldung von 2 Sätzen wert, dass die Bundesregierung sich angesichts dieser Katastrophe beeilt zu erklären, sie werde keine weiteren Flüchtlinge aufnehmen. Einen Kommentar oder weiteren Hintergrundbericht dazu sucht man vergeblich.

Was für ein Zynismus, wenn Deutschland als das reichste Land der EU bereits vor der  heutigen  Zusammenkunft der EU-Innenminister ein solches Signal sendet. Weiterlesen