Von Westafrika zu den kanarischen Inseln, von Nordafrika in die spanischen Enklaven und nach Lampedusa, von der Türkei nach Griechenland. Über diese Routen versuchen tausende Menschen ihre Sicherheit, ihr Glück. Es sind nicht immer die „Ärmsten der Armen“, die dies versuchen, es sind oft die jungen und starken, die gut ausgebildeten, die, die Verantwortung zu übernehmen bereit sind, die für ihre Familie oder das ganze Dorf zu sorgen bereit sind. Es sind aber auch die, die bedroht sind, an Leib und Leben – aus politischer Gesinnung oder weil im (Bürger-)Krieg einfach niemand sicher ist. Sie machen sich auf den Weg oder werden geschickt, riskieren im vollen Bewusstsein ihr Leben, um ihre Passion zu erfüllen. Ein Leben in Europa, sicher sein, arbeiten, Geld nach Hause schicken. Sorgen, dass die Familie überlebt, das Dorf.
Doch wir in Europa schotten uns ab. Wir rüsten an den Grenzen grenzenlos auf, bauen Mauern um „die Festung Europa“, wie es vor uns nur die DDR gemacht hat. Mit allen Mitteln will die europäische Politik die Afrikaner und andere Flüchtlinge raus halten. Chancenlos für Afrikaner, ein Visum zu bekommen, selbst wenn sie eindeutig Touristen sind, Geld und Rückflugticket haben. Chancenlos für einen syrischen Arzt in Deutschland, seine Nichten und Neffen aus dem Bürgerkrieg zu holen und einzuladen, selbst wenn er sie sicher versorgen kann. Egal ob Flucht aus Armut, politischer Verfolgung, Lebensgefahr im (Bürger-)Krieg, wir schotten uns ab – aus scheinbar panischer Angst, unseren Reichtum zu teilen.
Die europäischen Grenzschützer und ihre beauftragte Agentur „Frontex“ machen alles dicht – um jeden Preis. Von 60.000 Afrikanern auf dem Weg zu den kanarischen Inseln ertrinken 10%. Die Bilder der sterbenden Flüchtlinge vor Lampedusa haben wir alle vor Augen. Fischer, die helfen und retten wollen, werden nach italienischem Recht bestraft. Es gibt gesicherte Berichte, dass europäische staatliche Organisationen Flüchtlingen die Außenborder von den Booten genommen haben, die Motoren ins Meer geworfen haben und die Boote haben treiben lassen. Die Schicksale der Flüchtlinge sind längst keine Tragödie mehr – es ist ein Massaker!
Doch Lampedusa ist nicht nur in Sizilien. Lampedusa ist dort, wo Flüchtlinge in Zelten leben müssen. Lampedusa ist dort, wo ein Senat die Menschen zurück nach Sizilien schicken will, Lampedusa ist dort, wo Flüchtlinge in Turnhallen und Einfachst-Container gesteckt werden – wie Vieh.
Auch in Köln stehen wir hart an der Grenze zu Lampedusa. Die Flüchtlingsunterkünfte sind voll gestopft, Menschen schlafen in den Treppenhäusern der Wohnheime. Auf dem Hof der Erstaufnahmeeinrichtung Herkulesstraße leben Flüchtlinge in Containern, obwohl im Gebäude ganze Etagen leer stehen. Mehr als 700 Menschen werden in zum Teil fragwürdigen und teuren Hotels untergebracht, koste es, was wolle. Die Stadt hat es verschlafen, rechtzeitig vorzusorgen und neue Wohnheime zu erstellen.
Aber die Stadt alleine wird und kann es nicht schaffen. Seit 10 Jahren arbeitet in Köln der Runde Tisch für Flüchtlingsfragen. Die Ratsfraktionen, die Verwaltung, Kirchen, Wohlfahrtsverbände und Initiativen erarbeiten im Konsens Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Flüchtlingen. Hier wurden die Kölner Leitlinien entwickelt, die Situation von Illegalen untersucht. Der Runde Tisch ist die Schnittstelle der Verwaltung in die Gesellschaft, denn vernünftig, würdig und achtsam mit allen Menschen umzugehen, ist eine Herausforderung an die ganze Gesellschaft. Jede und jeder ist gefragt, ebenso die Kirchen, die Wohnungsbaugesellschaften, die Unternehmen unserer Stadt. Papst Franziskus hat uns allen ein großartiges Zeichen gesetzt, als er seine allererste Reise nach Lampedusa unternahm. Wir alle sind gefordert, es gleich zu tun.