Susanne Rabe-Rahman, Leiterin des Leistungsbereichs Integration und Beratung im Caritasverband Köln, schildert alltägliche Erfahrungen aus der Flüchtlingshilfe zum Thema Familienzusammenführungen:
“Es ist unglaublich, was die Bundesregierung und die Auslandsvertretungen an Anstrengungen unternehmen, um Familienzusammenführungen für Menschen zu unterbinden, die als Verfolgte einen rechtlichen und menschlichen Anspruch darauf haben, Ehegatten, Eltern oder Kinder nach Deutschland zu holen.
Nicht nur, dass es nicht genug Personal für die Bearbeitung von Verfahren gibt. Die Verfahren dauern sehr, sehr lange! 1,5 bis zwei Jahre für die Durchführung einer Familienzusammenführung sind keine Seltenheit. Inzwischen verlieren Dokumente ihre Gültigkeit und alles geht wieder von vorne los… Auch das Recht auf Familienzusammenführung wird immer weiter eingeschränkt: Für Menschen, die aus Kriegssituationen kommen, besteht das Recht für die ersten zwei Jahre des Aufenthalts nicht. (Da haben Sie doch sicher Verständnis dafür, dass Ihre Frau und Kinder weiterhin im Krieg oder in der Türkei bleiben müssen!), und das, obwohl das Gericht in den meisten Fällen in der nächsten Instanz dann doch wieder das Asylrecht und die Möglichkeit der Familienzusammenführung einräumt (so rund sechs bis zwölf Monate später…).
Minderjährige unbegleitete Flüchtlinge haben, wenn sie vor dem 18. Lebensjahr als Flüchtlinge anerkannt werden (Wir können doch ruhig warten, bis wir einen Asylantrag für Minderjährige stellen?!), ein Recht auf Familienzusammenführung mit ihren Eltern. Aber nicht mit ihren minderjährigen Geschwistern, d.h. der 5-jährige oder die 10-jährige kann doch dann gern alleine in Syrien oder im Irak oder in irgendeinem Drittland bleiben… Überhaupt haben sie das Recht nur, wenn sie – nach ihrer Anerkennung und nach langer Verfahrensdauer der Familienzusammenführung – in Deutschland nicht schon 18 geworden sind. Dann sind sie ja selbstständig – aber manchmal noch unglaublich allein und belastet.
Umgekehrt darf die älteste Tochter einer Familie nach Anerkennung ihrer Eltern in Deutschland nur einreisen, wenn sie nicht während des Asylverfahrens schon 18 Jahre alt geworden ist. Da kann die Familie froh sein, wenn ihr Verfahren schnell positiv abgeschlossen worden ist. Diejenigen, die auf Grund der Überlastungssituation der Behörden lange gar nicht als Asylbewerber registriert wurden, – haben das Nachsehen. Das alles sind keine Einzelfälle, sondern sie begegnen uns täglich in unserer Arbeit in der Flüchtlingshilfe!
Kein Wunder, dass viele Geflüchtete dieses Thema inzwischen als reine Willkür betrachten. Ich muss aufpassen, das ich nicht genauso denke!! Und inzwischen bin ich quasi seelsorgerisch tätig für Menschen, die die Angst um ihre Familienangehörigen nicht aushalten können, aber alles getan haben, was sie in der Sache tun konnten… Das ist doch nicht genug!”