Seit letzter Woche liegt der lange angekündigte Referentenentwurf zum Bundesteilhabegesetz vor, der am 24.05. dann erstmals im Bundestag beraten wird.
Nach einem aufwändigen Beteiligungsverfahren über Partei- und Verbandsgrenzen hinaus, scheint wenig übrig geblieben zu sein, von den großen Ideen wie einem Teilhabegeld für alle Menschen mit Behinderungen, klaren Abgrenzungen zwischen unterschiedlichen Versorgungssystemen wie Eingliederungshilfe, Pflege, Jugendhilfe.
Sieht das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in dem Gesetz viele Verbesserungen für die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen und die Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe zu einem modernen Teilhaberecht,
so sehe ich
- dass Menschen mit Behinderungen zwar zukünftig ein bisschen Vermögen ansparen dürfen und mehr von ihrem Einkommen behalten dürfen, die Eingliederungshilfe aber trotzdem weiterhin eine nachrangige steuerfinanzierte Sozialhilfeleistung bleibt und kein echter konsequenter vermögensunabhängiger Nachteilsausgleich,
- dass der Begriff der Behinderung modernisiert wurde und die ehemals „wesentliche Behinderung“ durch „erhebliche Teilhabebeschränkungen“ ersetzt wird, mit der Anforderung in fünf Lebensbereichen auf Unterstützung angewiesen sein zu müssen, was aber unendlich vielen Menschen – besonders psychisch Kranken – den Zugang zu Leistungen der Eingliederungshilfe verwehren wird (z.B. all denen, die nur in VIER Lebensbereichen dauerhaft und umfassend auf Unterstützung angewiesen sind!),
- dass zwar flächendeckend ein Teilhabeplanverfahren unter Beteiligung der Menschen mit Behinderung einführt wird, wie wir es im Rheinland schon seit vielen Jahren erfolgreich umsetzen (genau wie die neutrale Beratung für alle Menschen mit Behinderungen in den KoKoBe bzw. SPZ), die Zielplanung jetzt aber vom Leistungs(=Kosten)träger durchgeführt wird und wir Leistungserbringer – also die, die mit den Menschen seit Jahren Beziehungsarbeit pflegen, pädagogisch ausgebildet sind und unseren Klienten eine Stimme geben – allenfalls noch als Statisten am System der Bedarfsfeststellung beteiligt sind,
- dass Personenzentrierung als Deckmantel für Zugangsteuerung und Zugangsbeschränkung genutzt wird,
- …
Ich kann nur hoffen, dass die deutliche Kritik der Wohlfahrtsverbände, der Betroffenenvertretungen und der Betroffenen selber Gehör findet und dieses Gesetz noch so massiv nachgebessert wird, dass es wenigstens an der einen oder anderen Stelle den Begriff TEILHABE ernst nimmt.
Denn im jetzigen Referentenentwurf sehe ich nur, wie mit modernen Begriffen sehr unmodern noch mehr Menschen mit Behinderungen echte Teilhabe in unserem Land erschwert oder gar vorenthalten wird und Wunsch- und Wahlrecht sowie persönliche Lebensplanung dem Spardiktat untergeordnet werden!
Ein Gastbeitrag von Susanne Steltzer, Leitung Leistungsbereich Wohnen und Leben