Deutliche Worte in der Predigt von Kardinal Woelki beim Festgottesdienst anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Kölner Caritas in St. Ursula. Jeden Einzelnen ruft Woelki dazu auf, sich für Flüchtlinge zu engagieren: In Anlehnung an ein Bibelzitat formulierte er die Frage „Bin ich denn wirklich der Hüter meines Bruders oder meiner Schwester? Ja, das bist Du, verdammt noch mal!“
Bereits als die ersten Gastarbeiter Anfang der 1960er Jahre nach Köln kamen, setzte sich der Caritasverband für sie ein. 1980 eröffnete Kardinal Höffner das “Ausländerzentrum” an Groß St. Martin als Begegnungszentrum für Menschen aus verschiedenen Nationen.
Zurzeit kommen täglich neue Flüchtlinge in Köln an. Inzwischen sind es 7000, die die Stadt unterbringen muss. Mit einem breit aufgestellten Hilfenetz an Sozialberatung und Angeboten möchte der Caritasverband ihnen erleichtern, bei uns Fuß zu fassen. Schwer traumatisierte Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten werden durch das Caritas-Therapiezentrum für Folteropfer begleitet.
„Ich bin stolz auf Sie“, sagte Kardinal Woelki in seiner Predigt zu den Teilnehmern des Festgottesdienstes am vergangenen Freitag in St. Ursula und hob die Bedeutung der Caritas in seiner 100-jährigen Geschichte hervor: Sie bringe „Dampf auf die soziale Maschine“. Zur Feier des 100-jährigen Bestehens hatte der Caritasverband Köln rund 350 Gäste aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Kirche zu Gottesdienst und anschließendem Festakt eingeladen.
Am kommenden Freitag, 19.06.2015 gibt es ein großes Caritasfest für 2.300 haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter und ihre Angehörigen im Biergarten der Rennbahn.
Die soziale Not im Ersten Weltkrieg war Anlass für die Gründung des Kölner Caritasverbandes am 18. Juli 1915. Von Beginn an wurde als Leitlinie festgelegt, überkonfessionelle Hilfe für alle Menschen zu leisten, die Rat und Hilfe suchen. Ein Grundsatz, der nach wie vor selbstverständliche Basis der Caritasarbeit ist.
Zunächst lag die Hauptaufgabe des Caritasverbandes in der Koordination und Unterstützung der sozialen Hilfen in den Pfarrgemeinden.
Es war überwiegend existenzielle Not, die die Caritasarbeit bestimmte: Der Hunger in und nach dem Ersten Weltkrieg, die Zunahme der Wohnungsnot. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise 1930 nahmen die sogenannten „Armenspeisungen“ zu. Im Jahr 1929 verzeichnet der Jahresbericht eine Million Essensausgaben.
Anders als heute unterhielt die Caritas vor dem Zweiten Weltkrieg keine eigenen Einrichtungen. In den Gründungsjahren arbeitete nur eine Handvoll Mitarbeiter im Caritasverband. Heute, 100 Jahre später, sind es 1.500 hauptamtliche Mitarbeitende und 1.030 Ehrenamtliche.
Nach dem Zweiten Weltkrieg gründete der damalige Caritasdirektor Prälat Dr. Koenen die ersten Caritas-Einrichtungen: Es entstanden Altenzentren, Angebote für Wohnungslose, Sozialdienste und -beratung für Migranten, Einrichtungen für Menschen mit Behinderung wie Werkstätten und Wohnhäuser, Kindertagesstätten und Jugendzentren.
Viele Schwerpunkte in der Caritasarbeit wie Angebote der Ambulanten und Stationären Pflege sind bis heute geblieben. Orientiert an den gesellschaftlichen Herausforderungen und an dem Bedarf der hilfesuchenden Menschen werden die sozialen Unterstützungsangebote allerdings kontinuierlich weiterentwickelt. Der Bedarf und die Nachfrage nach sozialen Angeboten sind ungebrochen.
Seit 2011 wird der Caritasverband von Peter Krücker und Hubert Schneider gemeinsam geleitet. Auf den unterschiedlichsten sozialpolitischen Ebenen kämpfen sie für bessere Unterstützungsangebote für Flüchtlinge, für Verbesserungen in der Pflege und ganz grundsätzlich für mehr Lebensqualität und Rechte von Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen.
Im Festakt zum Jubiläum richtete der Caritasverband in einem Talk mit den Gästen Rupert Neudeck/Gründer Cap Anamur, Prof. Woopen/Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Caritas-Präsident Dr. Neher und Peter Krücker unter der Moderation von Joachim Frank vom Kölner Stadtanzeiger den Blick in die Zukunft. Neudeck rief zur Eigeninitiative auf, um Flüchtlingen zu helfen. Dabei müssen es manchmal auch anarchische Wege sein, wenn die bürokratischen Mühlen zu langsam laufen. Im anarchischen Prinzip, so wie Neudeck es versteht, sieht Peter Krücker keinen Widerspruch zur institutionellen Hilfe der Caritas. Auch hier brauche es innovative und immer wieder kreative Formen. Bezogen auf die Stadt Köln vertritt er eine dezentrale Kommunalpolitik, die vom Kopf auf die Füße gestellt werden solle. Menschen können in Zukunft ihre Lebensqualität, auch angesichts des demographischen Wandels, nur erhalten, wenn sie in ihrem Stadtteil selbst bestimmen und sich gegenseitig unterstützen können. Jeder der 86 Stadtteile brauche einen Quartiersmanager, der mit umfangreichen Kompetenzen ausgestattet ist.
Das Kabarett-Trio Jürgen Becker, Pfarrer Franz Meurer und Martin Stankowski rundeten die Vision mit „Vorschlägen zur Weltverbesserung – die nächsten 100 Jahre“ ab.
Weitere Informationen zu 100 Jahre Caritas und zur Caritasarbeit finden Sie unter www.caritas-koeln.de. Videobeiträge und Fotos vom Festakt sind können Sie hier abrufen.