Christoph ist schwerbehindert, er kann nicht sprechen und sich nur sehr eingeschränkt bewegen. Schnell passiert es, dass er um sich schlägt. Der Niederländer Willem Kleine Schaars, Referent beim Fachkongress Inklusion der Caritas, hat jahrelang mit Menschen mit Behinderung gearbeitet und vermittelt eine andere Sichtweise auf Christoph: Er ist nicht von Grund auf aggressiv, sondern wir verstehen ihn nicht und tun nicht, was er möchte.
Was hat dieses Beispiel mit Inklusion zu tun? Man könnte denken, Christoph sei „inkludiert“: Er lebt in einem Wohnheim und ist dort Teil der Gesellschaft. Doch für Kleine Schaars geht der Begriff noch weiter: „Inklusion ist auch, dass ein Mensch mit Behinderung selbst entscheiden kann, was er möchte und dass die Menschen um ihn herum einen Weg finden, seine Bedürfnisse und Entscheidungen herauszufinden.“
Über 200 Teilnehmer kamen am 05. März zum Fachkongress der Caritas Köln ins Bürgerhaus Stollwerck, um mit Willem Kleine Schaars und weiteren renommierten Experten über innovative Formen der Inklusion zu sprechen. Hier stellte Kleine Schaars auch das nach ihm benannte WKS-Betreuungsmodell vor, das ein selbstbestimmteres Leben für Menschen mit Behinderung vorsieht: „Jeder Mensch hat immer die Regie über seine Möglichkeiten“, so Kleine Schaars. Auch Menschen mit Behinderung. Nur, dass sie andere Möglichkeiten haben als Menschen ohne Behinderung. Aber verwalten können sie diese trotzdem allein. Warum müssen wir einem Behinderten sagen, wann er ins Bett gehen soll und dass er besser in einem Pflegeheim wohnt statt allein oder in einer Wohngemeinschaft? Wir denken, wir wüssten es besser. Aber jeder Mensch hat seine eigenen Werte und Normen, die behinderten Menschen besonders oft aufgedrängt werden. Natürlich mit guter Absicht: Wir wollen helfen. Doch Kleine Schaars bringt es auf den Punkt: „Ein Mensch muss nur die Unterstützung bekommen, die er braucht.“
Seit sechs Jahren arbeiten die Caritas-Wohnhäuser für Menschen mit Behinderung bereits sehr erfolgreich mit dem WKS-Modell.
Diese Art der Inklusion muss erst einmal verinnerlicht werden: Von Menschen wie zum Beispiel den Angehörigen und Betreuern von Christoph, damit sie seine Bedürfnisse und Entscheidungen erkennen und annehmen. Aber auch von den Betroffenen selbst, die erst lernen müssen, eigene Entscheidungen zu treffen. Damit Inklusion funktioniert, sind wir alle gefordert, umzudenken. Wir brauchen neue Strukturen, neue Denkweisen. Nur dann können Menschen mit Behinderung nicht nur teilhaben, sondern auch teilnehmen. Und das als Kleinkinder, im Schulalter und nachher im Beruf. Der Fachkongress Inklusion hat für dieses Ziel wertvolle Impulse geliefert. Einer war besonders einprägsam. Er kam von der Architektin Prof. Dipl.-Ing. Brigitte Caster: „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir alle behindert werden.“ Irgendwann ist jeder Mensch auf Hilfe angewiesen, deswegen sollte Inklusion in unser aller Interesse sein.
Wie ist Ihre Meinung? Selbstbestimmtes Leben für Menschen mit Behinderung: Inklusion oder Überforderung? Wir freuen uns über Ihren Kommentar.
Ein Gastbeitrag von Jana Banse, Mitarbeiterin Stab Öffentlichkeitsarbeit.