Heute einen Gastbeitrag von unserem Mitarbeiter Robert Schlappal, Leitung des Sozialpsychiatrischen Zentren Innenstadt und Porz:
Wer dieser Tage die Publikationen von Einrichtungen der Behindertenhilfe, Kostenträgern oder politischen Parteien anschaut, findet sie überall: Die Inklusion, also die Idee, nach der jeder Mensch in seiner Individualität uneingeschränkt von der Gesellschaft akzeptiert wird und in vollem Umfang an ihr teilhaben kann.
Als Adjektiv wird die Inklusion allen möglichen Events vorangestellt, so dass inklusive Konzerte, Museumsfeste, Tanztheaterprojekte und Sportturniere aus dem Boden sprießen. Ist die inklusive Gesellschaft damit Wirklichkeit geworden? Leider nicht. Nicht wenige dieser Veranstaltungen werden nach wie vor originär für Menschen mit Behinderung erdacht, und als inklusives Element lädt man nichtbehinderte Besucher oder Künstler zur „Begegnung“ dazu.
Da öffnen z.B. an einem bestimmten Tag die Verkehrsbetriebe einer Stadt und ein örtliches Museum die Pforte für Menschen mit Behinderung, die dann in von Helfern organisierten Scharen dort hinfahren. Sie begegnen gutwilligen Menschen die eigens wegen des Projekttages (und nicht, weil sie mal wieder ins Museum wollten) angereist sind und sich freundlich auf die behinderten Besucher einlassen. Und schon inkludieren Menschen mit Behinderung diese Abgesandten der nichtbehinderten Mehrheit. Bestimmt eine schöne Veranstaltung und eine gute Begegnung, aber danach ist man im Museum und im Nahverkehr wieder unter sich.
Das Problem beginnt schon, wenn man eine Veranstaltung als „inklusiv“ bewirbt – angesprochen fühlen sich davon vor allem professionelle Helfer, die ihre Bewohner / Klienten dorthin begleiten und empfehlen, damit sie Inklusion erleben. Otto Normalbürger weiß dagegen nicht, was das ist, und wenn er es herausfindet, bleibt er dem Event fern, denn er möchte lieber zu einer attraktiven statt zu einer inklusiven Veranstaltung gehen – genau wie jeder Mensch mit Behinderung. Und da muss Inklusion ansetzen: Räume, Organisationen und Veranstaltungen für alle individuell zugänglich machen, statt behinderungsspezifische Räume, Organisationen und Veranstaltungen für Nichtbehinderte zu öffnen.
Inklusion ist eben keine liebevoll konstruierte Begegnung an einem einzelnen Tag sondern die selbstverständliche, individuelle Einbeziehung aller Menschen in Sportvereine, Schulen, Fanclubs, den Kulturbetrieb und in Unternehmen – ohne Adjektiv.
Frei nach einem Sommerhit aus diesem Jahr “Applaus, Applaus, für deine Worte,….” lieber Robert du sprichst mir aus dem Herzen!
Inklusion beginnt im Kopf! Wenn es für alle Menschen selbstverständlich ist, dass jeder Mensch überall willkommen ist und uneingeschränkt am öffentlichen Leben teilnehmen kann, dann ist unsere Gesellschaft oder auch unser Verband inklusiv.
Allerdings gibt es dann immer noch viele Hürden wie z.B. bei den hörgeschädigten Menschen die Kommunikation… denn Dolmetschereinsätze bei Konzerte, in Museen, beim Theater oder im Fernsehn sind in Deutschland leider noch nicht üblich… daher sind hörgeschädigte Menschen von vielen Angeboten ausgeschlossen, ihnen fehlen Informationen… so mussten Hörgeschädigte zuletzt wieder dafür Kämpfen, dass wenigstens die Nachrichten beim Sender Phoenix weiterhin mit Dolmetschereinblendung ausgestrahlt werden (… der Sender wollte dieses einzigartige Angebot in Deutschland abschaffen).
Für uns im bugs Jugendcafé ist Inklusion normal – wir haben auf bewußt auf das Adjektiv “inklusives” Jugendcafé verzichtet… wir sind das bugs und bei uns ist jeder Willkommen. Doch im Laufe des Zusammenwachsens der beiden Einrichtungen bugs und bugs.gl (gl steht für gehörlos) haben wir uns viele Gedanken gemacht:
Es reicht nicht aus Begegnung zu schaffen – es reicht nicht aus Gesetze zu befolgen – es reicht nicht aus Konzepte zu formulieren! Inklusion muss gelebt werden im Team, im Alltag… in den Köpfen. Seit dem wir genau das Leben, lebt die Inklusino im Alltag des Café…. ausbaufähig ist das natürlich immer!
Das Umdenken in den Köpfen ist der Beginn gelungener Inklusion, aber die Umsetzung braucht noch viel Zeit, Aufklärung und vor allem die nötigen finanziellen Mittel.