Es ist empörend und eine Katastrophe!!! Eine vergewaltigte Frau bekommt auf Nachfrage der Notfallärztin keine Hilfe in einem katholischen Krankenhaus. Von zwei Kölner Krankenhäusern der Stiftung der Cellitinnen wird die notwendige Hilfe verweigert! Das kann, das darf nicht sein.
Das Verhalten der Ärzte und Ärztinnen ist dem christlichen Gebot der Nächstenliebe und mit dem hippokratischen Eid der Mediziner unvereinbar. Was muss geschehen, um Ärzte und Ärztinnen so zu verunsichern, dass sie diese fundamentalen Richtschnüre außer Acht lassen?
Die sachliche Ebene wird schnell klar: Die Stiftung der Cellitinnen hatte kurz vorher ein ethisches Grundsatzpapier erstellt. Dieses Grundsatzpapier regelt eindeutig und unmissverständlich, dass die Frau behandelt werden musste. Eine Grenze ist jedoch klar gezogen: Die sogenannte “Pille danach” darf in einem katholischen Krankenhaus nicht verschrieben werden. Dieses ethische Grundsatzpapier war offensichtlich den Ärztinnen und Ärzten der beiden Krankenhäuser nicht bekannt oder aber sie haben es anders interpretiert.
Wie entsteht so etwas? In der katholischen Kirche, bei Beratern und Beraterinnen, Ärzten und Ärztinnen und anderen Menschen, die unmittelbar helfend tätig sind, gibt es eine große und anscheinend übermächtige Verunsicherung. Fragen von Empfängnisverhütung und Schwangerschaft werden nur noch in einem Klima von Angst, Unsicherheit und Vorsicht behandelt. Diese Angst ist so mächtig, dass die ethischen Grundsätze nicht mehr mit nüchternem und klarem Menschenverstand gelesen und interpretiert werden.
Im Oktober 2011 hat eine ultrakonservative Gruppierung rund um Kreuz-Net und Gloria-TV katholische Krankenhäuser bespitzeln lassen. Das Bistum reagierte leider auf diese Bespitzelung mit Anweisungen und Rundschreiben. Bistumssprecher Heckeley hat selber jüngst gegenüber dem KStA geäußert: “Denunziantentum und Spitzelei nehmen weder die Not der Frau noch die Gewissensfrage einer angemessenen Behandlung ernst. Dem Opfer- und Lebensschutz wird ein Bärendienst erwiesen”.
Vielleicht schauen wir doch besser auf das, was Jesus uns gelehrt hat. In seinem Gleichnis des barmherzigen Samariters stellt Jesus klar: Die sofortige, unmittelbare und umfassende Hilfe steht immer an erster Stelle, jenseits aller Regeln und Konventionen!
Eines vorweg:
Als Mitarbeiter des Caritasverbandes der Stadt Köln e.V. war sehr froh, als ich heute über das Intranet von Ihrem Kommentar erfuhr. Bloss wo bleibt der Kommentar zu der Missbrauchsstudie und Pfeiffers-Kündigung? Ich bin gespannt.
Aber ich will ja nicht nörgeln, sondern hinterfragen, denn einige Aspekte in Ihrem Text sind mir nicht klar:
1. Ich würde gerne das Grundsatzpapier der Cellitinnen (Leitsatz: Der Mensch in guten Händen) lesen. Wo kann man das einsehen?
2. Sie meinen wirklich, alleine eine konservativ fehlgeleitete Plattform von Ewiggestrigen (kreuz.net) verursacht die von Ihnen beschriebene Angst und Verunsicherung?
Das glaube ich nicht. Ist es nicht vielleicht eher so, dass die katholische Kirche noch mindestens zwei Generationen benötigt, um wirklich so weltoffen und kritikfähig zu sein, wie sie sich nach Außen gibt?
Ihr Kommentar ist zumindest ein Schritt in die richtige Richtung. Danke dafür!
Vielen Dank für Ihren Kommentar.
Zu den von Ihnen beschriebenen Aspekten:
Die Stellungnahme der Ethikkommission der Cellitinnen finden Sie unter diesem Link http://www.domradio.de/sites/default/files/pdf/stellungnahmenfk.pdf
Zum 2. Aspekt verweise ich auf den Satz in meinem oben stehenden Beitrag “Das Bistum reagierte leider auf diese Bespitzelung mit Anweisungen und Rundschreiben.”
In der Presseerklärung des Katholikenausschusses in der Stadt Köln, an der wir als Caritas auch mitgewirkt haben, heißt es zu den Vorfällen: “Wir bedauern sehr, dass im Erzbistum Köln, im Umgang mit Opfern sexueller Gewalt, eine Atmosphäre der Angst entstanden ist, die eigenverantwortliches und situationsgerechtes Handeln offensichtlich behindert.”
In der Tat wird man bei solchen Ereignissen (sexueller Missbrauch, Weigerung von Hilfen für Menschen in Not) in der Kirche als Teil der gleichen Kirche vor grundsätzliche Fragen der Übereinstimmung mit der Organisation der man ja nun seit seiner Geburt angehört gestellt.
Aber genau da beginnt ja das Dilemma der katholischen Kirche: In einer pluralen Gesellschaft, in der gesellschaftliche Haltungen, moralische Vorstellungen und gemeinsame Werte nicht mehr durch absolutistische Auslegung der Wahrheit entstehen, muss die Kirche sich entscheiden, ob Sie als Mahner und Wächter eigener Werte diese Gesellschaft begleitet, oder ob sie als Teil der aktiven Gesellschaft mitten in dieser steht und in dieser mitwirkt. Das bedeutet dann aber auch die über lange Diskussionsprozesse und politisch-gesellschaftliche Meinungsbildung getroffenen Konsensentscheidungen zumindest mitzutragen, sei es in der Konfliktberatung bei Schwangeren, sei es in der Wertschätzung gleichgeschlechtlicher Beziehungen oder im Umgang mit Opfern von Gewalt, auch wenn dieser Konsens nicht in allen Aspekten den eigenen Vorstellungen entspricht. Das heisst: Demokratie wagen!
Als Mitarbeiter des Caritasverbandes Köln bin ich für Ihr klare und angemessene Stellungnahme dankbar. Es braucht viel Geduld und Sie haben diese,, die Verantwortlichen davon zu überzeugen, dass sie dafür verantwortlich sind, Steuerungselemente in der Weise einzusetzen, dass eine Atmosphäre des Vertrauens entsteht, in welchem sich dann auch Menschen in Notlagen aufgehoben fühlen. Schade, dass unser Erzbistum mit Herrn Weihbischof Koch einen weiteren kompetenten Ansprechpartner verliert. Das vermehrte Zurückgreifen bei Bischofsbesetzungen hat evtl. auch etwas mit dem Thema Vertrauen zu tun.