Das Jugendcafe Bugs stellt sich vor

„Das Jugendcafe Bugs – eine Insel für junge Menschen –

Das Jugendcafé Bugs der Caritas Köln ist ein Treffpunkt für junge Menschen zwischen 14 und 24 Jahren in der Kölner Innenstadt. Für alle Besucher*innen haben die pädagogischen Mitarbeiter*innen ein offenes Ohr. Beziehungsarbeit, Hilfe bei der Arbeitsmarktintegration sowie bedarfsorientiere Weitervermittlung an entsprechende Fachdienste sind fester Bestandteil dieses Angebots. Im „Bugs“ finden junge Menschen einen geschützten Ort zum Erwachsenwerden und konkrete Hilfestellungen bei Problemen.

Wir haben mit der Einrichtungsleitung Sarah Hannappel über das Besondere der offenen Jugendarbeit im Cafe Bugs gesprochen.

Was ist das Besondere am Jugendcafé BUGS? Welche besonderen Angebote gibt es im “BUGS”?

Das BUGS Jugendcafé ist ein sicherer und offener Raum im Herzen von Köln für Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 14 bis 24 Jahren. Die Räumlichkeiten sind zwar klein, aber gemütlich und wurden kürzlich renoviert, sodass eine einladende Café-Atmosphäre entstanden ist, die zum Verweilen einlädt. Die zentrale Lage mitten in der Innenstadt ist gut erreichbar und lockt Besucher*innen aus allen Stadtteilen an. Besonders ist auch die Vielfalt der Angebote, die genau auf die Bedürfnisse unserer jungen Besuchenden zugeschnitten sind: Ein Teammitglied, das Gebärdensprache spricht, ermöglicht auch gehörlosen Jugendlichen einen Zugang zu den Angeboten und der Gemeinschaft. Unsere Freizeitangebote umfassen u. a. Billard, Kicker, Gesellschaftsspiele, gemeinsames Musizieren, Gaming und Kochabende. Spezielle Events wie der Mädchentag und der Jungs-Abend geben Jugendlichen Raum für geschlechterdifferenzierte Themen und Aktivitäten. In regelmäßigen Abständen veranstalten wir musikalische Jam-Sessions und kleine Konzerte, bei den die Jugendliche die Möglichkeit erhalten, musikalisch aufzutreten. Besonders wichtig sind für uns Ausflüge und mehrtägige Fahrten, die den Jugendlichen unvergessliche Erlebnisse und die Chance zur Entfaltung bieten.

Wer kommt ins BUGS? 

Zu uns kommen Jugendliche und junge Erwachsene aus den verschiedensten Lebenssituationen, häufig mit sehr unterschiedlichen Herausforderungen. Viele unserer Besucher*innen sind psychosoziale belastet, was insbesondere seit der Corona-Pandemie stark zugenommen hat. Ein großer Teil hat Fluchtbiografien, andere kommen aus schwierigen familiären Verhältnissen oder leben mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen. Hinzu kommen oft Erfahrungen von Rassismus und Diskriminierung. Wir sind stolz darauf, ein Ort zu sein, an dem sie all diese Themen in einem vertrauensvollen Rahmen besprechen und Unterstützung finden können.

Warum ist dieses Angebot der offenen Jugendarbeit so wichtig?

Die offene Kinder- und Jugendarbeit im BUGS Jugendcafé bietet Jugendlichen die Möglichkeit, einen Raum zu finden, in dem sie verstanden werden und sich angenommen fühlen. Ein wesentlicher Aspekt ist die Niedrigschwelligkeit unseres Angebots: Alles ist freiwillig und kostenlos, was besonders wichtig ist, damit alle jungen Menschen Zugang haben – unabhängig von ihrer finanziellen oder sozialen Situation. Die Jugendlichen können zu uns kommen und gehen, wann sie möchten, ohne sich an feste Zeiten oder Verpflichtungen halten zu müssen.

Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Partizipation der Jugendlichen. Sie gestalten das Jugendcafé aktiv mit und entscheiden in hohem Maße mit, welche Angebote stattfinden und wie der Raum genutzt wird – das BUGS Jugendcafé ist ihr Raum. Diese Mitbestimmung stärkt das Gefühl von Eigenverantwortung und Zugehörigkeit und gibt ihnen die Freiheit, das Café nach ihren eigenen Interessen und Bedürfnissen zu formen. Gerade junge Menschen mit komplexen Lebenssituationen profitieren von einem Ort, an dem sie Krisen gemeinsam bewältigen und die Jugend positiv erleben können, ohne sich für ihre Hintergründe rechtfertigen zu müssen. Die steigenden psychosozialen Belastungen zeigen, wie wichtig ein stabiler und sicherer Rückzugsort ist, der auch langfristige Beziehungen und Erlebnisse ermöglicht.

Wie kann die Einrichtung dazu beitragen die Lebenswege der jungen Menschen positiv zu beeinflussen?

Im BUGS Jugendcafé arbeiten wir sehr beziehungsorientiert. Durch stabile, vertrauensvolle Beziehungen, die auf gegenseitigem Respekt beruhen, können die Jugendlichen sich öffnen und in Krisensituationen wertvolle Unterstützung erhalten. Unser Team vermittelt sie bei Bedarf auch an geeignete Hilfestellen und begleitet sie möglichst auf diesem Weg, um sicherzustellen, dass sie an die passende Unterstützung angebunden sind.

Ein großer Mehrwert entsteht zudem durch die sozialen Kontakte, die sich hier entwickeln: Freundschaften entstehen, die den Jugendlichen Halt geben, und auch Konflikte bieten Lernmöglichkeiten, um gemeinsam mit anderen Lösungen zu finden. Die Freizeitangebote, die gemeinsamen Aktivitäten und Gespräche stärken nicht nur ihr Selbstwertgefühl, sondern helfen ihnen auch, ihre sozialen Fähigkeiten auszubauen. Wir unterstützen sie dabei, ihre eigenen Ressourcen zu entdecken, und helfen ihnen, Perspektiven für ihre Zukunft zu entwickeln – sei es in Ausbildung, Job oder in persönlichen Projekten.

Welche Möglichkeiten bieten die Angebot im BUGS, Integration von geflüchteten Jugendlichen zu fördern?

Im BUGS Jugendcafé schaffen wir einen offenen, sicheren Raum, in dem geflüchtete Jugendliche die Möglichkeit haben, sich zu integrieren und soziale

Kontakte zu knüpfen. Viele unserer Besuchenden haben traumatische Erfahrungen in ihren Herkunftsländern und während ihrer Flucht gemacht, was ihre Integration in die deutsche Gesellschaft erschwert.

Um diesen Jugendlichen die Unterstützung zu bieten, die sie benötigen, arbeiten wir eng mit dem Fachdienst Integration und Migration der Caritas zusammen. Regelmäßig begleiten Fachkräfte aus diesem Bereich den Öffnungsbetrieb des Jugendcafés, um Clearing-Beratungen anzubieten. Diese unmittelbare Verfügbarkeit ermöglicht es den Jugendlichen, ohne Hürden Fragen zu klären, Informationen zu erhalten und bei Bedarf weitere Beratungstermine in Anspruch zu nehmen.

Ein zentraler Bestandteil unseres Angebots ist die Möglichkeit, in einem vertrauensvollen Rahmen über persönliche und sensible Themen zu sprechen. Jugendliche haben die Gelegenheit, über ihre Identitätsfindung, Geschlechterrollen und die Herausforderungen, die Diskriminierung mit sich bringt, offen zu diskutieren. Diese Gespräche fördern nicht nur die Reflexion, sondern tragen auch dazu bei, eine respektvolle Diskussionskultur zu etablieren, in der alle Stimmen gehört werden.

Darüber hinaus spielt Sport eine wichtige Rolle in unserem Café. Viele Jugendliche nutzen sportliche Aktivitäten, die wir außerhalb des Jugendcafés anbieten, als Ventil für psychischen Stress und als Gelegenheit, ihre sozialen Fähigkeiten zu stärken. Bei Angeboten wie dem offenen Fußballspiel fördern wir nicht nur die körperliche Gesundheit, sondern auch den sozialen Austausch und das Gemeinschaftsgefühl. Hier lernen die Jugendlichen, miteinander zu kommunizieren, Teamarbeit zu schätzen und Konflikte konstruktiv zu lösen.

Insgesamt zielt unser Ansatz darauf ab, geflüchtete Jugendliche in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen und ihnen die Möglichkeit zu geben, als gleichwertige Mitglieder der Gesellschaft zu wachsen. Durch die Bereitstellung von Ressourcen, Informationen und einem sicheren Raum helfen wir ihnen, ihre Herausforderungen zu bewältigen und Perspektiven für ihre Zukunft zu entwickeln.

Gibt es eine besondere Erfolgsgeschichte? Welches Schicksal/ Geschichte ist dir besonders in Erinnerung geblieben?

Eine Geschichte, die uns sehr berührt hat, ist die eines jungen Geflüchteten, der bei uns Halt fand, nachdem er allein nach Deutschland gekommen war. Anfangs sehr schüchtern und zurückgezogen, begann er nach und nach, die Angebote aktiv zu nutzen. Über die Zeit hat er sich durch die Beziehungsarbeit bei uns so weit öffnen können, dass er Freundschaften geknüpft und Deutsch gelernt hat. Er schloss eine Ausbildung erfolgreich ab und kommt noch heute als Mentor für andere Jugendliche ins BUGS Jugendcafé zurück. Solche Geschichten zeigen uns, wie viel Kraft im gemeinsamen Engagement steckt.

Die Zukunft des BUGS – wie geht es weiter?

Für die Zukunft wünschen wir uns, dass das BUGS Jugendcafé ein stabiler Ort der Sicherheit und Unterstützung für alle Jugendlichen bleibt, die zu uns kommen. Wir sind entschlossen, weiterhin laut zu sein – sowohl bei drohenden Haushaltskürzungen als auch bei politischen Strömungen, die unsere vielfältigen Werte angreifen. Die Bedeutung der offenen Jugendarbeit ist enorm, und wir setzen uns aktiv dafür ein, dass die Stimmen der Jugendlichen gehört werden.

Sollte es uns gelingen, unser Angebot langfristig zu sichern, träumen wir davon, unsere Aktivitäten weiter auszubauen. Unsere räumlichen Kapazitäten sind begrenzt, da das Jugendcafé lediglich aus einem länglichen Raum besteht. Ein zusätzlicher Raum für Musikprojekte sowie ein Außengelände mit Sportmöglichkeiten wären hervorragende Erweiterungen, die den Jugendlichen mehr Freiräume für kreative und sportliche Aktivitäten bieten.

Ein zentraler Aspekt unserer zukünftigen Angebote wird die Bedeutung von Fahrten und erlebnispädagogischen Aktivitäten sein. Solche Ausflüge fördern nicht nur den Teamgeist und die sozialen Fähigkeiten, sondern bieten den Jugendlichen auch die Möglichkeit, neue Erfahrungen zu sammeln, ihre Perspektiven zu erweitern und sich in einem anderen Umfeld auszuprobieren. Zukünftig möchten wir noch mehr solcher Aktivitäten anbieten, um den jungen Menschen unvergessliche Erlebnisse zu ermöglichen und ihre persönliche Entwicklung zu unterstützen. Diese Erfahrungen sind entscheidend, um Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten aufzubauen und die Selbstwirksamkeit zu fördern.

Der Haushaltsentwurf 2025 der NRW-Landesregierung sieht Kürzungen bei zahlreichen sozialen Diensten und Angeboten in Höhe von 83 Millionen Euro vor. Sollten die Kürzungen umgesetzt werden, wird das für viele Menschen in unserem Land sichtbare und spürbare Folgen haben – vielleicht auch für die Jugendlichen des Cafe BUGS;  Schließung von speziellen Angeboten wären dann die Folgen.

Die Räumlichkeiten des Cafe Bugs können außerhalb der BUGS-Öffnungszeiten für Ihre Veranstaltung angemietet werden: Caritasverband für die Stadt Köln e.V. | Bugs Jugendcafe

Claudia Schedlich zu Gast beim Parlamentarischen Frühstück

Fotonachweis BAGFW/Martin Dziuba

Claudia Schedlich, Leiterin unseres Caritas-Therapiezentrums für Menschen nach Folter und Flucht, war in der vergangenen Woche auf Einladung des Deutschen Caritasverbandes (DCV) eine von bundesweit drei Vertreter*innen der Psychosozialen Zentren (PSZ) beim Parlamentarischen Frühstück in Berlin, an dem auch sechs Mitglieder des Bundestages teilnahmen. Gemeinsam mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) und der Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF) stellten sie die gesellschaftspolitisch relevanten Aufgaben der PSZs und deren prekäre finanzielle Lage dar. Denn: Im aktuellen Haushaltsentwurf ist eine Kürzung um 6 Millionen Euro vorgesehen. Diese Unterfinanzierung gefährdet nicht nur die Versorgung der Geflüchteten, sondern auch die Strukturen der PSZ selbst: Insolvenzen und der Verlust von Fachkräften sind die unausweichliche Folge, wenn nicht rasch gehandelt wird.

 

„Die Psychosozialen Zentren leisten unverzichtbare Arbeit“, betonte Lukas Welz, Geschäftsleitung der BAfF. „Sie bieten ganzheitliche Unterstützung – von psychotherapeutischer Behandlung über Sozialberatung bis hin zur Rechtsberatung. Diese Angebote sind entscheidend für die psychosoziale Gesundheit und die Teilhabe von Schutzsuchenden, sei es im Sozialraum oder am Arbeitsmarkt. Die Psychosozialen Zentren sind oft der einzige Ort, an dem Menschen, die Folter, Krieg und andere schwere Menschenrechtsverletzungen erlitten haben, die Möglichkeit haben, ihre traumatisierenden Erfahrungen zu bearbeiten.“

Fotonachweis BAGFW/Martin Dziuba

„Etwa ein Drittel der nach Deutschland geflüchteten Menschen leidet aufgrund des Erlebten an psychischen Erkrankungen wie posttraumatischen Belastungsstörungen, Depressionen oder Angstzuständen“, erklärte Schedlich. „Es war mir wichtig, den Mitgliedern des Bundestages einen Eindruck unserer praktischen Arbeit zu vermitteln und für die Bedarfe und die integrativen Prozesse zu sensibilisieren“, erklärte Schedlich. „Wir müssen deutlich machen, welche dramatischen Folgen und Folgeprobleme man mit Kürzungen auslöst“, so Schedlich.

„Unser Caritas-Therapiezentrum ist für Geflüchtete ein geschützter Ort, an dem sie zumindest beginnen können, ihr Trauma aufzuarbeiten, wo Schutz finden und wieder Perspektiven erkennen. Die aktuell geplanten Kürzungen der Bundesregierung belasten nicht nur die Betroffenen, sondern führen auch zu hohen Folgekosten für Bund, Länder und Kommunen. An der Seite anderer Spitzenverbände setzen wir uns als Caritas Köln daher für eine nachhaltige Finanzierung der PSZ ein. Es darf keine finanzielle Unterversorgung dieser so wichtigen Angebote geben“, erklärt Markus Peters, Vorstandssprecher der Caritas Köln, angesichts der aktuellen Haushaltsdiskussion.

Fotonachweis BAGFW/Martin Dziuba

 

Weitere Informationen

Mit Blick auf den Bundeshaushalt für 2025 fordern BAGFW und BAfF eine nachhaltige, bedarfsdeckende Finanzierung. Es brauche derzeit mindestens 27 Millionen Euro aus Bundesmitteln, um die PSZ flächendeckend weiterführen zu können. Im aktuellen Haushaltsentwurf ist jedoch eine Kürzung um 6 Millionen Euro vorgesehen, sodass für das Bundesprogramm nur noch 7,13 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Diese Unterfinanzierung gefährdet nicht nur die Versorgung der Geflüchteten, sondern auch die Strukturen der PSZ selbst: Insolvenzen und der Verlust von Fachkräften seien unausweichlich, wenn nicht rasch gehandelt wird.

Die finanzielle Lage der PSZ hat sich im Jahr 2024 verschlechtert. „Nach dem Erhalt zusätzlicher Bundesmittel in 2022 und 2023, mussten wir in 2024 aufgrund massiver Kürzungen viele Angebote wieder einschränken“, erklärt Nadja Saborowski, stellvertretende Bereichsleitung Jugend- und Wohlfahrtspflege des DRK für die BAGFW. „Das hat unmittelbare Auswirkungen auf die Unterstützung unserer Klient*innen.“

“Das Therapiezentrum ist für mich das Boot …”

Ein erheblicher Anteil der in Deutschland schutzsuchenden Geflüchteten (30-40%) leidet aufgrund von Gewalterfahrungen, Folter und Verfolgung im Heimatland und auf der Flucht unter psychischen Belastungsfolgen.  Für diese Menschen, sind die Psychosozialen Zentren die einzige Zugangsmöglichkeit zu dringend notwendiger Beratung und Behandlung. Sie fördern den Erhalt demokratischer Grundwerte und die Wahrung der Menschenrechte!

Anlässlich des Welt-Flüchtlingstags haben wir uns in unserem Caritas-Therapiezentrum für Menschen nach Folter und Flucht mal umgehört und Stimmen unserer Kolleg*innen eingefangen:

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Für mich gehört das Therapiezentrum zu den Orten, die entgegen aller politischen Entwicklungen versuchen, die Humanität gegenüber Menschen in schwerster Not zu erhalten. Ich glaube gesellschaftlich gibt es in Deutschland und Europa einen großen Widerwillen, all das Schreckliche, das Menschen erleben müssen und zu einer Flucht bewegt, wirklich anzuerkennen. Es ist für viele leichter, diese Menschen auszublenden, zu entmenschlichen und zu verteufeln. Es ist keine einfache Arbeit, diese Geschichten an sich heranzulassen, aber ich schätze sie, weil sie der Wahrheit ins Gesicht sieht anstatt sie gegen die Verletzlichsten unserer Gesellschaft zu wenden. Ich glaube an die Aussage von Maya Angelou: „The truth is, no one of us can be free until everybody is free.“

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Das Therapiezentrum ist für mich das “Boot“, das Folter- und Flucht-Überlebende ans sichere Ufer bringen kann. Wie viele Menschen überleben Folter wie Flucht und schaffen es nach Deutschland; und gehen dann kaputt weil (zum Beispiel) das Therapiezentrum wegen mangelnder politischen und finanziellen Unterstützung nicht ausreichend helfen kann.

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Arbeit im CTZ ist praktische Menschenrechtsarbeit.

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  • Was ist das Therapiezentrum, was passiert dort?

Das Therapiezentrum ist als Psychosoziales Zentrum (PSZ) ein Ort, der als Brücke zur Gesellschaft beschrieben werden kann. Das Caritas-Therapiezentrum als Ort für Geflüchtete Menschen, an dem ein Ankommen möglich ist. An dem gemeinsam nach Türen in ein neues, sicheres Leben geschaut wird und Menschen Unterstützung dabei erfahren, sich diese vielfältigen, manchmal auch unzähligen Türen zu öffnen und hindurch zu gehen.

 

  • Was macht die Arbeit für Sie besonders? Wann erfüllt Sie ihr Job?

Wenn Klient:innen mir zurückmelden: „Sie haben mir meine Seele ein bisschen leichter gemacht.“, dann weiß ich, ich tue das Richtige.

 

  • Warum ist das Angebot für den gesellschaftlichen Frieden der Stadt so wichtig?

Menschen deren Seele zur Ruhe kommen kann, weil sie sich (vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben) in Sicherheit fühlen können und die einen Ort und Möglichkeiten finden, alte Belastungen zu lindern oder gar loszulassen werden ihren Weg in eine neue Zukunft gehen können. Eine Zukunft, in der sie sich mit anderen Menschen verbinden, statt sich allein und unsicher zu fühlen. Diese Verbundenheit mit dem Leben und mit den Menschen schafft Begegnung und Perspektive und trägt zum gesellschaftlichen Frieden im Miteinander bei.

 

  • Was erleben sie in Ihrem Berufsalltag? Was war ihr schönstes Erlebnis? Gibt es eine besondere Erfolgsgeschichte?

Die Gemeinsamkeit und die Stärke eines mit den Klient*innen solidarischen, multiprofessionellen Teams und dessen menschenwürdiges Handeln. Die Kompetenz des CTZ-Teams auf allen Ebenen schafft eine belastbare und in dieser Kompetenz helfende Basis, um denjenigen, die alles verloren haben einen Ort zum Ankommen bereiten zu können und ihnen das Weitergehen zu ermöglichen.

 

  • Solidarität mit Geflüchteten Menschen, was kann jede*r einzelne dazu beitragen?

Sich einfach manchmal den Gedanken erlauben:

Was wäre eigentlich, wenn ich die Geflüchtete wäre? … mein Mann vor meinen Augen enthauptet …meine Tochter von Unbekannten verschleppt …mein Leben und meine Seele in Trümmern und mehr als den Schmerz und die kaputten Schuhe an meinen Füßen ist mir nicht geblieben. Würde ich Arme brauchen, in die ich vertrauensvoll sinken kann? … in deren Schutz ich mir das Weinen erlauben kann? … deren Hände mich halten und mir Sicherheit geben, wenn meine Überlebensschuld und verlorene Menschenwürde mich in die Knie zu zwingen drohen? …

Dieser Gedanke kann vielleicht helfen, dass wir als Gesellschaft menschlich bleiben, den Wert eines menschenwürdigen Handelns als hohes Gut in unseren Alltag integrieren und schließlich nicht vergessen, dass Menschenwürde keine Selbstverständlichkeit ist sondern unserer inneren Haltung entspringt.

 

Hintergruninformationen zu den Psychosozialen Zentren für Geflüchtete: 

Die PSZs in Deutschland leisten mit traumzentrierter/psychosozialer Beratung und Psychotherapie sowie der Weiterbildung von Fachkräften einen wesentlichen Beitrag zur Teilhabe und Integration Geflüchteter.

Multiprofessionelle Teams entlasten Behörden und das Aufnahmesystem. Sie stärken Geflüchtete in ihrer Lern- und Arbeitsfähigkeit und begleiten sie auf dem Weg in Schule, Ausbildung und Arbeit. Die Anbindung der Menschen an die Zentren ebnet Wege zur Integration, ermöglicht die Genesung von Menschen, die als Fachkräfte dringend gebraucht werden und baut eine Brücke zur Gesellschaft. Isolation, Ohnmachtserleben und resultierende potenzielle Krisen sowie Gefährdungen werden in den PSZs erkannt und frühzeitig abgewendet. Das Engagement der PSZs fördert auf diese Weise das gesellschaftliche Miteinander und trägt zur Sicherung des sozialen Friedens sowie zur Stärkung der Orientierung an demokratischen Grundwerten bei.

Ein erheblicher Anteil der in Deutschland schutzsuchenden Geflüchteten (30-40%) leidet aufgrund von Gewalterfahrungen, Folter und Verfolgung im Heimatland und auf der Flucht unter psychischen Belastungsfolgen. Postmigrationsstressoren tun ihr Übriges. Für diese Menschen, die kaum Chancen haben im gesundheitlichen Regelsystem anzukommen, sind die Psychosozialen Zentren die einzige Zugangsmöglichkeit zu dringend notwendiger Beratung und Behandlung. Die Identifikation besonderer Schutzbedarfe infolge psychischer Belastungen und die Bereitstellung adäquater Hilfen sind Konsens nach den EU-Aufnahmerichtlinien. Die PSZs in Deutschland setzen diese EU-Richtlinie kompetent und zuverlässig um. Diese Versorgungsstruktur müsste ausgebaut und nicht gekürzt werden.

Die Kürzungen Im Haushaltsentwurf 2025 für die PSZs in der Bundesrepublik Deutschland um 45,8% von 13,1 Mio. € im Jahr 2024 auf 7,1 Mio. € für das Jahr 2025 gefährden diese gesellschaftlich relevante Aufgabe erheblich und führen in der Konsequenz zum Scheitern von Integration und der Zunahme sozialer Konflikte.

Zusätzliche Informationen zu der Arbeit der PSZs in Deutschland und den Konsequenzen der Kürzungen finden Sie hier:

https://www.baff-zentren.org/aktuelles/bundeshaushalt_kuerzung_psz_2025/

2024-08-06_Fact_Sheet_PSZ_BAGFW_aktualisiert_nach_RE_und_mit_BAfF_Daten.pdf

 

Und jährlich grüßt das Kürzungstier…

von Tim Westerholt, Leitung Leistungsbereich Integration & Beratung

Der Murmeltiertag liegt zwar eigentlich am 2. Februar, in der Migrations- und Flüchtlingsarbeit wird er aber gerne in die Sommerpause gelegt! In routinemäßiger Regelmäßigkeit trudeln die neuen Hiobsbotschaften zu Kürzungsabsichten auf Bundes- und Landesebene bei den Trägern ein.

Doch genauso wie Bill Murray irgendwann ziemlich genervt aus der Wäsche blickt, so wollen auch wir uns an die ständigen Wiederholungen nicht gewöhnen – an die heimlichen Kampfansagen durch Etatkürzungen, an die Überraschungen, dass selbst für sicher geglaubte Programme durch Haushaltsnachverhandlungen immer noch von der Tischkante fallen können, an die Aufforderungen unserer Trägergruppen, in diesem Jahr besonders intensiv mit Parlamentsabgeordneten zur Wirksamkeit unserer Programme ins Gespräch zu gehen, ebenso wie an die „glückliche Jahresabschlussbotschaft“, dass es hier und dort gelungen ist, seit Monaten angekündigte Kürzungen doch wieder von der Tagesordnung zu nehmen – natürlich nachdem uns qualifizierte Mitarbeitende verlassen haben, Beratungen beendet und Büros umgeplant wurden.

Das alles wäre vielleicht halb so wild, wenn nicht das Tagesgeschäft gleichzeitig durch unsere Kostenträger immer schwieriger gemacht werden würde. Beispiele? Gibt es genügend – nehmen wir das Landesprogramm der Integrationsagenturen, wahrscheinlich das wichtigste unserer Programme zur gezielten Förderung einer toleranten, diversen und demokratischen Gesellschaft. Das Land NRW möchte seit Anfang 2023 dessen Förderrichtlinie grundlegend überarbeiten. Vorschläge wurden diesbezüglich seitens der freien Wohlfahrt frühzeitig mitgeteilt – doch ohne eine Reaktion hierauf hat es sage und schreibe bis zum 10.07.2024 gedauert, um eine Richtlinie zu veröffentlichen, die sich erstens nicht sonderlich von der vorherigen unterscheidet und die zweitens bereits jetzt erneut nur bis Ende 2024 Gültigkeit haben soll. 171 landesweite Integrationsagenturen bekamen nicht nur kein Geld (bekommen sie schlussendlich immer noch nicht, denn sie können sich erst jetzt formell auf ein Programm bewerben, dass sie seit dem 01.01.24 bereits durchführen), sie wussten nicht einmal die programmatischen Grundlagen, nach denen sie ihre Arbeit verrichten sollten. 171 Integrationsagenturen haben vorgestreckt, sind personelle Risiken eingegangen und haben den Laden buchstäblich am Laufen gehalten, für den es sechseinhalb Monate keine Rechtgrundlage gab. Und eines wissen wir bereits jetzt: Das Prozedere wird sich in fünfeinhalb Monaten sehr wahrscheinlich wiederholen. Ein Einzelfall? Keineswegs: Die landesgeförderte Flüchtlingsberatung reiht sich hier nahtlos ein, ebenso wie die bundesgeförderten psychosozialen Zentren für traumatisierte Geflüchtete und viele weitere. Verzögerte Zuwendungsbescheide, Arbeit ohne Rechtssicherheit, Vorfinanzierung von bereits seit Monaten laufenden Programmen sind im Loop der Murmeltiere eher Standard als Ausnahme.

Auch Zuwanderung und Integration sind im Einwanderungsland Deutschland schon lange Normalzustand – die Gesetzeslage hinkt jedoch ebenso lange hinterher. Seit 31 Jahren haben wir ein restriktives Asylbewerberleistungsgesetz, dass 1993 bereits überarbeitungsbedürftig eingeführt wurde. Seit 2004, also seit 20 Jahren, haben wir immerhin ein Zuwanderungsgesetz, in welchem auch bestimmte Hilfsleistungen definiert wurden. Die damit verbundenen Förderprogramme sind aber bis heute unterfinanziert, ihr Volumen jährlichen Neuverhandlungen ausgesetzt, die umsetzenden Träger zu regelmäßigen Verhandlungen und öffentlichkeitswirksamen Nörgeleien gedrängt! Ein dreizehntes Sozialgesetzbuch „Zuwanderung“, in dem die Ansprüche und die Förderung eingewanderter und schutzsuchender Menschen, sowie die Aufgaben von Bund, Land und Kommune sowie der umsetzenden freien Träger geregelt werden, ist längst überfällig.

Man wird ja nochmal träumen dürfen, und ja, hiervon sind wir gerade heute sehr weit weg. Bleibt also eigentlich nur noch die Frage zu beantworten, warum das alles? Warum nicht einfach hinschmeißen? Ganz einfach: Weil die Caritas als Wohlfahrtsverband Komplex- und kein Spezialisierungsträger ist! Weil wir keine Zielgruppe außer Acht lassen! Weil wir so Menschen in Kontakt bringen, die sich sonst nicht begegnen würden! Und weil wir genau dadurch sozialen Frieden tagtäglich fördern. Sich hierfür einzusetzen ist alternativlos. Davon sind wir überzeugt, man könnte auch sagen: Daran glauben wir.

Die wichtigste Grundlage sozialen Friedens sind gute soziale Strukturen! Zeit, dass sich auch der Gesetzgeber wieder daran erinnert und für auskömmliche und verlässliche Förderstrukturen sorgt – auch im Bereich von Flucht und Zuwanderung.

 

Autor: Tim Westerholt

NÄCHSTENLIEBE – drei Religionen, eine gemeinsame Haltung

Es ist jedes Mal sehr spannend, wenn sich im Klarissenkloster in Köln Kalk gläubige Kölner*innen aus Judentum, Christentum und Islam treffen und sich über Themen austauschen, die ihren Glauben betreffen!
Das passiert einmal im Monat und wird organisiert durch die drei Integrationsagenturen von Caritas Köln, jüdischer Synagogengemeinde und dem Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen.

Im Juli war „Nächstenliebe“ das Thema der interreligiösen Reihe.

Die Veranstalterinnen hatten mit etwa 25 Personen gerechnet, aber es kamen 40 Interessierte. Der Stuhlkreis füllte das Kirchenschiff des Klarissenklosters aus und hier saßen wir bunt durcheinander: Gläubige Menschen aus Judentum, Christentum und Islam.

Nach einer herzlichen Begrüßung stellten ein Jude, ein Christ und eine Muslima das jeweilige Verständnis von Nächstenliebe dar – jeweils anders und doch ganz nach beieinander. Im Ergebnis ist Nächstenliebe für uns alle die Glaubenshaltung, mit der wir den Menschen um uns herum begegnen wollen. Einig sind wir uns aber auch, dass das für uns alle im Alltag leichter gesagt als getan ist. Gleichzeitig kann unser jeweiliger Glaube uns die Kraft geben, Menschen in Liebe zu begegnen, bei denen es uns schwerfällt.  Gott liebt ja den Anderen und die Andere genauso wie mich.

Am Ende der Veranstaltung wird es auf einmal konkret: Eine Frau nimmt ihren Mut zusammen und stellt eine Frage. Als Christin spricht sie die muslimischen Frauen an, weil sie unsicher ist, wie sie ihnen begegnen soll. Die Reaktionen sind wohlwollend und der ehrliche Austausch in großer Runde hilfreich, auch für die die nicht gefragt haben.

Interreligiöser Dialog hat schon eine besondere Kraft. Man trifft sich in aller Unterschiedlichkeit, begegnet sich auf Augenhöhe und mit Neugierde und geht auseinander in Verbundenheit, als Menschen die Gott auf verschiedene Weise und doch gemeinsam suchen.

Auch hier sind wir wieder beim Jahresthema der Caritas: Friede beginnt bei mir

Wenn unsere Gesellschaft eines braucht, dann sind es solche interreligiösen Begegnungen. Also gerne vorbeikommen und auch andere mitbringen!

 

Die aktuellen Termine und Themen kann man auf der Startseite der Caritas Integrationsagenturen nachsehen.

Der nächste Termin ist der 11.09. 2024 – 16:00-19.30 Uhr im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln, Appellhofplatz 23-25

Uli Thomas | Aktion Neue Nachbarn/Köln

Das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan retten

Zum dritten Jahrestag der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan fordert die Caritas Köln zusammen mit der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer e.V. (BAfF) und vielen weiteren Organisationen: 

Bedrohte afghanische Menschenrechtler*innen dürfen nicht ihrem Schicksal überlassen werden. Das Bundesaufnahmeprogramm und weitere Aufnahmemöglichkeiten müssen fortgesetzt, beschleunigt und ausgeweitet werden. Kapazitäten für zivilgesellschaftliche Unterstützung müssen ausgebaut werden.

Drei Jahre nach der Machtübernahme der Taliban sind Menschen in Afghanistan, die sich dort für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt haben, stärker denn je gefährdet. Menschen, die in allen gesellschaftlichen Bereichen demokratische Werte verbreiteten – etwa als Lehrer*innen, Journalist*innen, Ärzt*innen, Richter*innen, Anwält*innen, Politiker*innen, Menschenrechtsaktivist*innen und Kulturschaffende – sowie Ortskräfte werden immer stärker verfolgt, willkürlich inhaftiert, gefoltert und hingerichtet. Sie müssen sich unter prekären Bedingungen versteckt halten, um zu überleben.

Für manche Personengruppen ist die Bedrohung besonders akut. Frauen wurden seit der Machtübernahme systematisch aus allen Teilen der Gesellschaft ausgeschlossen. Mädchen ist der Schulbesuch ab der siebten Klasse verboten, Frauen dürfen weder arbeiten noch studieren oder allein das Haus verlassen. Viele sind von Zwangsehen und brutalen Strafen wie sexuellen Misshandlungen in Haft, Auspeitschungen und Steinigungen bedroht. Die „schwerwiegende, systematische und institutionalisierte Diskriminierung gegen Frauen“ durch die Taliban ist eine Art „Gender-Apartheid“. Queere Personen sind sogar als gesamte Gruppe direkt in ihrer Existenz bedroht, weil die Taliban angekündigt haben, diese Menschen durch Folter, Steinigung oder lebendiges Begraben zu vernichten.

Demokratie muss durch Zivilgesellschaft geschützt werden
Wir möchten unsere Solidarität mit den Menschen in Afghanistan, die ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben, um demokratische Werte zu verteidigen, ausdrücken. Als zivilgesellschaftliche Organisationen sehen wir es als unsere Pflicht, nicht nur Menschenrechte in Deutschland zu verteidigen, sondern uns auch für diejenigen einzusetzen, die dies in ihrem Land tun. So unterschiedlich die Umstände sind, unter denen wir arbeiten – uns verbindet die gemeinsame Überzeugung, dass ein Leben in Würde für alle erreichbar sein soll. Viele der aktuellen Krisen und Konflikte haben grenzübergreifende Ursachen und müssen deswegen auch grenzübergreifend bearbeitet werden. Gerade am Beispiel Afghanistan lässt sich gut beobachten, welche Folgen drohen, wenn zivilgesellschaftliche Interessen bei der internationalen Zusammenarbeit nicht hinreichend berücksichtigt werden. Es ist fatal, dass das Doha-Abkommen beschlossen wurde, ohne die bereits etablierten Rechte und Freiheiten der afghanischen Bevölkerung zu sichern, obwohl es ein wichtiges Ziel der internationalen Zusammenarbeit war, die Demokratisierung in Afghanistan zu stärken und die Verteidigung der Menschenrechte zu unterstützen. Und obwohl es klar war, dass es dafür unter den Taliban keinen Platz geben würde.

Deutschland hat eine humanitäre Verantwortung
Wenn – wie in Afghanistan – die Lebensbedingungen im eigenen Land zu gefährlich werden, sind Menschen gezwungen, ihr Land zu verlassen. Sie verlassen ihre Heimat und damit die Menschen und Orte, mit und an denen sie ihr Leben bisher aufgebaut hatten. Die Entscheidung, aus dem eigenen Land zu flüchten, wird nie leichtfertig getroffen. Diese Menschen zu schützen, ist eine humanitäre
Pflicht Deutschlands. Aufgrund seiner Beteiligung am zwei Jahrzehnte dauernden internationalen
Militäreinsatz in Afghanistan hat Deutschland eine besondere Verantwortung gegenüber gefährdeten Afghan*innen, zu der die Bundesregierung sich im Koalitionsvertrag bekannt hat.
Die zu späten und chaotischen Evakuierungen aus Afghanistan nach dem August 2021 zerstörten zu viele Menschenleben. Weil politische Entscheidungsträger*innen die Einschätzungen von Expert*innen vor Ort nicht ernst genug nahmen. Weil die Länder, die am internationalen Einsatz beteiligt waren – auch Deutschland – ihr Versprechen, ihre Verbündeten nicht im Stich zu lassen, nicht ausreichend einhielten.

Es braucht sichere Fluchtwege für gefährdete Afghan*innen
Wir fordern, dass sichere Fluchtwege für gefährdete Afghan*innen weiterhin ermöglicht und
ausgebaut werden, unter anderem über das Bundesaufnahmeprogramm und über
Landesaufnahmeprogramme:

  • Das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan muss in vollem Umfang fortgesetzt und
    finanziert werden. Ausreisen müssen beschleunigt werden. Neben der Möglichkeit, einen
    Asylantrag in Deutschland zu stellen, sind solche Programme notwendig, damit besonders
    vulnerable und gefährdete Menschen auch tatsächlich Schutz suchen können: Personen, die
    unter anderem aufgrund ihres Alters, ihres Gesundheitszustands, ihres Geschlechts, ihrer
    sexuellen Orientierung und/oder geschlechtlichen Identität besonderen Risiken ausgesetzt
    sind, neben den ohnehin großen Gefahren auf den Fluchtwegen nach Europa.
  • Das Ortskräfteverfahren muss so reformiert werden, dass alle gefährdeten Personen, die für
    Deutschland gearbeitet haben, Schutz erhalten.
  • Der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte muss erleichtert und beschleunigt
    werden. Aktuell bleiben Familien oft aufgrund bürokratischer Hürden und Personalmangel in
    den zuständigen Behörden über Jahre getrennt. Diese Barrieren müssen abgebaut werden.
  • Abschiebungen nach Afghanistan dürfen nicht stattfinden.
  • Damit Schutzsuchende nach Ankunft in Deutschland die notwendige Unterstützung
    bekommen, um ein neues Leben hier aufzubauen, fordern wir zudem einen Ausbau der
    Kapazitäten für Unterbringung, Beratung und gesundheitliche Versorgung.

Wir dürfen die Menschen in Afghanistan nicht vergessen. Durch unsere Solidarität mit ihnen möchten wir unsere gemeinsamen demokratischen Werte verteidigen.

 

Unterzeichnende Organisationen (alphabetisch):
Afghan Women Activist’s Coordinating Body (AWACB)
Afghanischer Aufschrei Düsseldorf
AfghanistanNotSafe KölnBonn
Afghanistan-Schulen, Verein zur Unterstützung von Schulen in Afghanistan e.V.
Amnesty International, Bezirk Düsseldorf
Amnesty International, Gruppe 1004
Artistic Freedom Initiative
AWO Bundesverband e.V.
Behandlungszentrum für Folteropfer Ulm
Beratung + Leben gemeinnützige GmbH, Migrationsberatung für Erwachsene in Berlin
Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige geflüchtete Menschen (BNS)
Brücke Schleswig-Holstein gGmbH
Bundesarbeitsgemeinschaft PRO ASYL e.V.
Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF) e.V.
Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer
(BAfF e.V.)
Caritasverband für die Stadt Köln e.V.
Der Paritätische Gesamtverband
Deutscher Anwaltverein
Diakonie Deutschland
Dr. Jörg Hutter, Bundesvorstand Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD)
DSPZ (DeutschSchweizer PEN Zentrum)
European Organisation for Integration e.V.
FAM – Frauenakademie München e.V.
Flüchtlingsrat Berlin e.V.
Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.
HÁWAR.help e. V.
IPPNW – Ärzt*innen in sozialer Verantwortung e.V.
Kabul Luftbrücke
KommMit e.V. / PSZ Brandenburg
Lichtpunkt | Traumatherapie- und Psychosoziales Zentrum e.V.
Louise-Aston-Gesellschaft e.V.
medico international
Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum e.V.
MISSION LIFELINE International e.V.
Mosaik Leipzig – Kompetenzzentrum für transkulturelle Dialoge e.V.
move on – menschen.rechte Tübingen e.V.
Nadia Murad Zentrum
Niederdeutsch-Friesisches PEN-Zentrum e.V {aspiring}
Psychosoziales Zentrum Dresden
Psychosoziales Zentrum für Flüchtlinge Nürnberg
Psychosoziales Zentrum Pfalz
PSZ Bielefeld
PSZ des Ev. Regionalverband Frankfurt und Offenbach
Refugio Bremen
Refugio München
Refugio Stuttgart e.V.
refugio thüringen e.V.
Refugio Villingen-Schwenningen, Psychosoziales Zentrum für traumatisierte Flüchtlinge
Schwulenberatung Berlin
Stitching for School and Life e.V. – SSL e.V.
TERRE DES FEMMES – Menschenrechte für die Frau e.V.
Traumanetzwerk Lörrach
VAF Bonn e.V. (Verein für Afghanistanförderung)
Wir packen’s an e.V. – Nothilfe für Geflüchtete
Zentrum ÜBERLEBEN

Ein bisschen Frieden…

Unser Kollege Tim Westerholt hat sein Büro im Caritas-Zentrum Kalk und leitet den Leistungsbereich Integration und Beratung. Hier erhalten geflüchtete Menschen, die in Deutschland ankommen, Unterstützung: Im Asylverfahren, beim Deutsch lernen, beim Arbeits-, Schul- und Kitaplätze finden, beim Wohnen und in vielen weiteren Bereichen der Integration… Deutschland kennt viele Gesetze und kann gerade am Anfang sehr kompliziert sein. Die Beratungsdienste der Caritas bieten direkte Hilfestellungen: das Beratungsangebot ist freiwillig, kostenlos und immer vertraulich. Tim Westerholt weiß, hinter jeder Flucht steckt ein individuelles Schicksal. So auch das von Farhad … 

Farhad U. ist 2021 aus Afghanistan geflohen. Als ehemaliger Mitarbeitender eines Subunternehmens, dass Transporte für die westlichen Militärs durchführte, blieb ihm nach deren überhasteten Rückzug und der folgenden Machtübernahme der Taliban nichts anderes übrig.

„Friede beginnt bei mir“, liest er an unserer Beratungstür und muss müde lächeln. Ich kann ihn verstehen. Wo liegt der soziale Frieden für Farhad? In den schlaflosen Nächten, voller Sorge um seine Kinder und Ehefrau, die papierlos und diskriminiert im afghanischen Nachbarland Iran leben müssen? In der Sorge, dass sein nun anderthalb Jahre andauerndes Asylverfahren vielleicht keinen guten Ausgang nehmen wird? In der Ohnmacht, nun bald drei Jahre der Lebenszeit seiner heute nicht mehr ganz so kleinen Kinder verpasst zu haben? Oder im gesellschaftlichen Druck, den er hier verspürt, weil er mitbekommen hat, dass Deutschland Geflüchteten verbieten möchte, Geld ins Ausland zu überweisen und Europa gleichzeitig seine Grenzzäune noch höher ziehen will und der deutsche Kanzler gleichzeitig davon spricht, Geflüchtete konsequent nach Afghanistan abschieben zu wollen?

Farhad erhält hier monatlich 204,00 Euro. Ja, seine Flüchtlingsunterkunft wird noch dazu finanziert und die Summe gilt als sein „persönlicher Bedarf“. 50,00 Euro überweist er hiervon jedoch monatlich an seine Familie. Weitere 50,00 Euro gehen an seinen Anwalt, der ihn im Asylverfahren unterstützt. Es bleiben ihm monatlich 104 Euro – für alles. Er redet mittlerweile nicht mehr gerne darüber, dass er seine Frau und Kinder unterstützt. Er hat das Gefühl, dies sei hier nicht gewünscht, ja, fast schon illegal.

Es gibt nur wenig friedliche Ufer auf dem sehr unruhigen Ozean von Farhads Gefühlswelt. Wenn es ihm gelingt, die Sorge um seine Familie beiseitezuschieben, so erinnern ihn die Frustration, von den NATO-Verbündeten im Stich gelassen worden zu sein, sowie die nicht verarbeiteten und traumatischen gewaltsamen Erlebnisse in Afghanistan wie an den europäischen Außengrenzen, an seine eigene innere Verwundung.

Und dennoch ist die Flüchtlingsberatung der Caritas für ihn ein Ort des seltenen Friedens.

Einer der wenigen Orte, an dem er nicht mehr misstrauisch sein muss, weil auch ihm dort nicht misstraut wird. Die inneren und äußeren Herausforderungen Farhads sind gewaltig und kaum nachzufühlen. Vielleicht sind es gerade die kleinen und wenigen Selbstverständlichkeiten, die ihn immer wieder die Beratung aufsuchen lassen: Eine zugewandte, menschliche Haltung, spürbare Parteilichkeit und unentgeltliche Hilfsbereitschaft, Empathie und ein unaufgeregtes Auffangen und Sortieren. Farhad hat begriffen, dass sozialarbeiterische Flüchtlingsberatung keine Gesetze verändern kann, keine nationalen Grenzen niederreißt und auch keine Gewähr für ein positives Asylverfahren bietet. Schön wär‘s. Aber sie ist eine Mitstreiterin und steht auf seiner Seite – nur deswegen kann sich Farhad hier öffnen. Es gibt keinen anderen Ort für ihn in Köln, wo das so ist.

Die Caritas Beratungsdienste für Eingewanderte und Geflüchtete stiften Frieden – auch denen gegenüber, die bereits in Deutschland leben. Mitten im Veedel, ob in Porz, Kalk, Meschenich, Chorweiler, also dort, wo Menschen mit Flucht- und Einwanderungsgeschichte oftmals als erstes landen, moderieren und vernetzen sie. Sie bringen Menschen in Kontakt fördern Verständnis füreinander und wirken so Hass und Ausgrenzung entgegen.

Und auch Farhad stiftet Frieden. Er hat wirklich gute Gründe für Wut und Verzweiflung und dennoch gibt es kaum jemanden, der sich mehr Frieden wünscht. Ein Viertel seines sehr geringen Einkommens fließt jeden Monat zu seiner Familie. Er versteht vieles nicht, was die Menschen heute über Geflüchtete sagen und trotzdem findet er immer noch, dass Deutschland ein gutes Land ist. Unsere Beratung hilft ein kleines bisschen dabei, dass er das auch morgen noch sagen kann. Eine humane Flüchtlingspolitik in Deutschland kann sie alleine nicht erzeugen. Dafür müssen wir alle zusammen sorgen.

Autor: Tim Westerholt

Die Lage ist ernst: Freie Wohlfahrtspflege in Gefahr

In den letzten Wochen hat der Deutsche Caritasverband auf verschiedenen Kanälen die Teilnahme an einer Umfrage der Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege (BAG FW) beworben.

Die Ergebnisse beschreiben, wie leider erwartbar, eine ernste Lage:

  1. Knapp zwei Drittel der Einrichtungen und Organisationen der Freien Wohlfahrtspflege mussten aufgrund finanzieller Schwierigkeiten in den vergangenen beiden Jahren ihre Angebote einschränken oder ganz einstellen.
  2. Mehr als drei Viertel der Befragten rechnen damit, ihre Angebote auch 2025 weiter zurückfahren zu müssen.
  3. Mehr als 70 Prozent der Einrichtungen und Organisation befürchten, dass sich die Reduzierung der Angebote negativ auf demokratisches Engagement vor Ort auswirken wird.

Zur Pressemitteilung :https://www.bagfw.de/veroeffentlichungen/pressemitteilungen/detail/angebote-von-wohlfahrtsverbaenden-mussten-vielfach-schon-eingeschraenkt-oder-ganz-eingestellt-werden

Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa äußert sich dazu wie folgt:

„Kitas und Sozialstationen, Schuldnerberatungsstellen und Familienzentren – mit diesen Angeboten spannt die Freie Wohlfahrtspflege im sozialen Nahraum ein Netz, das trägt. Es trägt Menschen, die von Schicksalsschlägen gebeutelt sind, die arm sind, krank oder einsam. Einsparungen in Stadt, Land und Bund reißen Löcher in dieses Netz. Da wo die Kürzungen digitale Angebote wie die Online-Beratung betreffen, werden neben der analogen Nachbarschaft auch virtuelle Begegnungsräume zerstört. Wir alle spüren, wie groß die Herausforderungen auf allen Ebenen – nicht nur im Bereich des Bundeshaushaltes  – sind. Gerade auch in den Landes- und Kommunalhaushalten werden Einsparungen vorgenommen. Umso wichtiger sind unsere gemeinsamen Anstrengungen. Im föderalen Staat gilt beides: die Schuldenlast entsteht auf allen Ebenen und die Sicherung der sozialen Infrastruktur ist ein Gemeinschaftsprojekt.“

Für Chancengerechtigkeit, Gleichstellung und Gleichbehandlung

Der Runde Tisch für Flüchtlingsfragen in Köln setzt sich für Chancengerechtigkeit, Gleichstellung und Gleichbehandlung von unterschiedlichen Flüchtlingsgruppen ein.

Er lehnt die Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber ab und führt folgende Bedenken an:

1. Jede*r Leistungsbezieher*in im Sozialsystem sollte über seine Leistungen frei verfügen können.

2. Zur freien Verfügbarkeit von Leistungen gehört, dass jede*r Leistungsbezieher* in überall bezahlen sowie Barzahlungen und Überweisungen tätigen kann.

3. Die Bezahlkarte bedeutet faktisch eine Entrechtung geflüchteter Menschen und schränkt deren Autonomie und soziale Teilhabe ein.

4. Das derzeit diskutierte Modell einer Bezahlkarte hat einen diskriminierenden Charakter und schafft nicht zu rechtfertigende Ungleichheiten zwischen unterschiedlichen Gruppen von Geflüchteten.

5. Unter der Maßgabe, dass die deutlich überwiegende Zahl der Geflüchteten in Köln bereits jetzt ein Girokonto hat, würde eine Einführung einer anders gearteten Bezahlkarte einen hohen zusätzlichen Aufwand in der Verwaltung erzeugen.

 

Zum Hintergrund: Seit 20 Jahren setzt sich der „Runde Tisch für Flüchtlingsfragen“ in Köln, bestehend aus Vertreter*innen der Kirchen, Ratsfraktionen, Stadtverwaltung, Wohlfahrtverbände und Initiativen im Flüchtlingsbereich, für eine menschengerechte kommunale Integrationspolitik ein. Ziel ist eine gemeinsame humane Aufnahme- und Integrationspolitik in Verwaltung, Politik und Kölner Stadtgesellschaft. Ein Positionspapier des Rundes Tisches für eine humane Integrationspolitik finden Sie hier.

Menschen schützen statt Asylverfahren auslagern

Caritas in NRW appelliert im Bündnis mit über 300 Organisationen

Düsseldorf, 19. Juni 2024 – In einem gemeinsamen offenen Brief an Bundeskanzler Scholz und die Ministerpräsident*innen bekräftigen 309 Organisationen – von lokalen Initiativen der Flüchtlingshilfe bis hin zu bundesweiten Organisationen –, dass sie zu einer Gesellschaft gehören wollen, die fliehende Menschen menschenwürdig aufnimmt. Kurz vor deren Treffen fordert das Bündnis den Bundeskanzler und die Ministerpräsident*innen auf, die Auslagerung von Asylverfahren klar abzulehnen und sich stattdessen gemeinsam mit der Zivilgesellschaft für eine zukunftsfähige Aufnahme von Schutzsuchenden in Deutschland stark zu machen.

Am 20. Juni, dem Weltflüchtlingstag, werden Bundeskanzler Olaf Scholz und die Ministerpräsident*innen während ihrer gemeinsamen Tagung über eine mögliche Auslagerung von Asylverfahren diskutieren. Das Bundesinnenministerium wird einen Sachstandsbericht zu einem Prüfauftrag vorlegen, der bei Bund-Länder-Beratungen im November 2023 beschlossen wurde.

Die Organisationen warnen vor der Auslagerung von Asylverfahren. Bisherige Versuche zeigen, dass sie zu mehr Leid bei den Betroffenen und Menschenrechtsverletzungen führen, nicht funktionieren und extrem teuer sind. Eine zukunftsfähige Gesellschaft braucht Vielfalt, Offenheit und ein konsequentes Einstehen für die Menschenrechte für alle, so das Bündnis.

Dr. Frank Johannes Hensel, Sprecher der Caritasdirektoren in Nordrhein-Westfalen, erklärt für die Caritas in NRW:

„Menschen, die auf ihrer Flucht in Europa ankommen, nach Ruanda oder in andere Drittstaaten zu bringen, um dort ein Asylverfahren zu durchlaufen, dient der gezielten Umgehung europäischer Normen und Standards. Dieser politische Versuch, die Geflüchteten aus dem Land und dem Blick zu nehmen, schwächt den in der Verfassung grundgelegten Anspruch auf eine menschenwürdige Behandlung und Rechtssicherheit. Sollte diese Politik Realität werden, verspielt Europa viel Glaubwürdigkeit in Sachen Menschenrechte. Zudem besteht gewichtige Skepsis, wie in den ausgewählten Staaten in Afrika und Asien, faire und effiziente Asylverfahren gewährleistet werden können. Auch bleibt völlig ungeregelt, wohin die Menschen dann weiterziehen sollen, wenn vor Ort kein Asylrecht zugesprochen wird. Diese angedachte Verfahrensweise ist teuer, ineffizient, gefährdet grundlegende Menschenrechte und belastet die Zivilgesellschaft anderer Länder erheblich. Deswegen unterstützt die Caritas in NRW die Initiative von über 300 Organisationen, die Auslagerung von Asylverfahren klar abzulehnen und sich stattdessen für eine Zukunft mit effizienten und rechtssichere Aufnahmeverfahren in Europa und damit auch in Deutschland stark zu machen.“

Das Bündnis wurde initiiert von PRO ASYL, dem Paritätischen Gesamtverband, Ärzte ohne Grenzen, Brot für die Welt, Diakonie Deutschland und Amnesty International. Der offene Brief mit den unterzeichnenden Organisationen ist hier zu finden.

 

Der offene Brief von über 300 Organisationen im Wortlaut:

 

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
sehr geehrte Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten,

Menschlichkeit ist sowohl in Deutschland als auch in Europa die Basis unseres Zusammenlebens. Sie zu schützen ist unsere gesellschaftliche Pflicht. Dazu gehört auch: Die unbedingte Achtung der Menschenwürde. Sie steht aus gutem Grund seit 75 Jahren in unserem Grundgesetz und gilt für alle Menschen, egal woher sie kommen.

Ausgerechnet am Weltflüchtlingstag beraten Sie die Idee der Auslagerung des Flüchtlingsschutzes aus Deutschland und Europa in Drittstaaten. Wir, 309 Organisationen und Initiativen, möchten Teil einer Gesellschaft sein, die geflüchtete Menschen menschenwürdig aufnimmt. Wer Schutz bei uns in Deutschland sucht, soll ihn auch hier bekommen. Das Recht auf Asyl ist ein Menschenrecht.

Bitte erteilen Sie Plänen zur Auslagerung von Asylverfahren eine klare Absage.

Als im Flüchtlingsschutz aktive Organisationen und Initiativen wissen wir: Aufnahme und Teilhabe funktionieren, wenn alle an einem Strang ziehen und der politische Wille vorhanden ist. Vor den derzeitigen Herausforderungen verschließen wir dabei nicht die Augen. Wir begegnen ihnen vielmehr mit konstruktiven, praxisnahen und somit tatsächlich realistischen Vorschlägen für eine zukunftsfähige Aufnahme. Dafür setzen wir uns jetzt und auch zukünftig mit allen uns zur Verfügung stehenden Kräften ein – gerade auch auf kommunaler Ebene.

 

Pläne, Flüchtlinge in außereuropäische Drittstaaten abzuschieben oder Asylverfahren außerhalb der EU durchzuführen, funktionieren hingegen in der Praxis nicht, sind extrem teuer und stellen eine Gefahr für die Rechtsstaatlichkeit dar. Sie würden absehbar zu schweren Menschenrechtsverletzungen führen, wie pauschale Inhaftierung oder dass Menschen in Länder abgeschoben werden, in denen ihnen menschenunwürdige Behandlung oder Verfolgung drohen. Bei Geflüchteten lösen solche Vorhaben oft große Angst aus und erhöhen die Gefahr von Selbstverletzungen und Suiziden. Dies gilt gerade für besonders schutzbedürftige Geflüchtete wie Menschen mit Behinderung, Kinder, queere Menschen, Überlebende von Folter oder sexualisierter Gewalt. Das zeigen uns die Erfahrungen der letzten Jahre, etwa das Elend auf den griechischen Inseln als Folge der EU-Türkei-Erklärung.

Aktuell leben drei Viertel der geflüchteten Menschen weltweit in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Setzen Sie sich deswegen für eine glaubhafte, nachhaltige und gerechte globale Verantwortungsteilung im Flüchtlingsschutz ein.

Wir sind uns sicher: Realistische und menschenrechtsbasierte Politik stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Dass Anfang des Jahres so viele Menschen wie noch nie in Deutschland auf die Straße gegangen sind, um ein Zeichen für eine offene und diverse Gesellschaft und gegen Rechtsextremismus zu setzen, macht uns Mut. Eine zukunftsfähige Gesellschaft braucht Vielfalt, Offenheit und ein konsequentes Einstehen für Menschenrechte – für alle.