Frau. Leben. Freiheit.

Köstan Raasti, Sozialarbeiterin der Caritas Köln, ist Kurdin und stammt aus dem Iran. Sie erlebt in diesen Tagen eine emotionale Achterbahnfahrt, voller Sorge, Angst, Wut, aber auch voll Hoffnung.

Ihr Appell:

Im Iran werden Menschen- und Frauenrechte mit Füßen getreten. Das islamische Terrorregime unterdrückt systematisch die Bevölkerung. Das ist nicht neu, das hat in den letzten 43 Jahren und davor immer wieder stattgefunden! Vor allem Frauen und Angehörige ethnischer und religiöser Minderheiten wie Kurd*innen, Belutsch*innen, Baha’is, Juden, Christen, sowie Homosexuelle stehen im Fokus der aggressiven Staatspolitik.

Daneben geht es der Bevölkerung durch die Korruption der Regierung und Inflation wirtschaftlich immer schlechter, 80 Prozent der Menschen leben unter der Armutsgrenze. Es gibt keinerlei Möglichkeiten, sich öffentlich und kritisch gegen die islamische Regierung zu äußern.

Neu ist aber, dass wir Zeug*innen davon werden, Augenzeug*innen. Und das haben wir den Bildern und Handyvideos der Menschen vor Ort zu verdanken, die getötet werden, über 570  tote Demonstranten darunter über 70 Kinder und Minderjährige. Die Demonstrierenden nehmen das Risiko in Kauf, bei dem waffenlosen Widerstand für das Einstehen ihrer Grundrechte getötet zu werden und lassen sich auch durch die massive Gewalt nicht einschüchtern. Sie nehmen trotzdem ihre Handys mit, weil sie wissen, dass das ihre einzige Protestform und Möglichkeit ist, ihren Hilferuf nach Grundrechten und Freiheit in die Öffentlichkeit zu bringen. Diesmal stehen die Frauen, mutig und fest entschlossen Veränderung anzustreben, an der vordersten Front und führen die Proteste an.

Weiterlesen

Offen geht – Es muss gehen!

von Susanne Rabe-Rahman/Perspektivberatung für Flüchtlinge der Caritas Köln

#offen geht. So lautet das Motto der diesjährigen Interkulturellen Woche, dass sehr gut zum Tag des Flüchtlings in dieser Woche am 01.10.2021 passt!

#offen geht – in Köln haben wir die „Interkulturellen Woche“ schon lange zu einem „Interkulturellen Jahr“ gemacht… Aber in der Flüchtlingspolitik braucht es aktuell länger, eine viel zu lange Zeit, Verschlossenheit zu überwinden. Wir denken aktuell insbesondere an die Zustände an den Grenzen – zwischen Polen und Belarus, zwischen USA und Mexiko, zwischen Türkei und Griechenland, zwischen Afghanistan und Pakistan, zwischen Meer und Land.

#offen geht! Stoppt die Kriminalisierung der Rettung von Menschen aus dem Mittelmeer! Stoppt die illegalen Push Backs an den Grenzen! Nehmt Geflüchtete und Schutzsuchende auf, statt sie zum Spielball politischer Interessen zu machen! Es sind Menschen! Sie haben das gleiche Recht zu leben wie wir! Weiterlesen

Europa, das bist Du nicht!

Gastbeitrag von Susanne Rabe-Rahman/Leiterin der Caritas-Perspektivberatung angesichts der humanitären Katastrophe an der türkisch-griechischen Grenze und in griechischen Flüchtlingslagern 

Noch während wir uns – teilweise zu Recht, teilweise auch völlig übertrieben – Sorgen darüber machen, ob das Coronavirus uns, Verwandte oder Bekannte, das Gesundheitssystem oder das Wirtschaftssystem verletzten oder durcheinander bringen könnte, sterben an den europäischen Grenzen weiterhin, wieder, erneut Geflüchtete, die leider nicht mehr nur „Spielball“ politischer Interessen sind, sondern inzwischen auch als Munition genutzt oder von solcher getroffen werden. Weiterlesen

Flüchtlinge im Arbeitsmarkt: Beschäftigungsquote steigt

Eine der großen Herausforderungen in der Beratung von Flüchtlingen, ist nach dem Spracherwerb die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt.
Die gute Nachricht lautet: Immer mehr ehemalige Asylbewerber finden Arbeit. Aber nach wie vor sind auch Viele auf Hartz IV angewiesen.
Wie sieht rund vier Jahre später die Bilanz tatsächlich aus?

Der Aufenthaltsstatus: Wichtigste Voraussetzung für die Integration in den Arbeitsmarkt

Die Voraussetzungen für die Arbeitsaufnahme ist der Aufenthaltsstatus.  Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge erhielten zwischen Januar 2015 und September dieses Jahres knapp 1,6 Millionen Bewerber*innen den Bescheid über ihren Asylantrag. Fast 600 000 von ihnen wurde der volle Asyl- oder Flüchtlingsstatus zugesprochen, mit dem eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre verbunden ist, die später in eine dauerhafte Niederlassungserlaubnis umgewidmet werden kann. Und damit der uneingeschränkte Zugang zum Arbeitsmarkt gewährt wird. 290 000 erhielten subsidiären Schutz, in gut 80 000 Fällen wurde ein Abschiebeverbot durch die aufnehmende Länder erteilt, und mehr als 600 000 Asylanträge wurden abgelehnt.
Für die Menschen aus den acht wichtigsten Asylherkunftsländern  Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien zeigen die Daten ein gemischtes Bild über den Fortschritt der Integration in den Arbeitsmarkt.
Erfreulich ist, dass die Beschäftigung kontinuierlich steigt. So hatten im August dieses Jahres insgesamt 345 000 Menschen aus diesen Asylherkunftsländern Arbeit, 27 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Die Beschäftigungsquote belief sich damit auf 35,5 Prozent.

Weiterlesen

…und auf einmal ist der Krieg ganz nah

Letzte Woche fragten mich syrische Kurden, ob sie im Klarissenkloster eine Gedenkfeier für die Opfer der Militäroffensive der Türkei in Nordsyrien abhalten könnten. Unter den Opfern waren nahe Verwandte und Freunde.

Seit Beginn der türkischen Offensive am 9.10.2019 in Nordostsyrien sind nach Angaben humanitärer UN-Organisationen mehr als 160.000 Menschen vertrieben worden. Die anhaltenden Militäroperationen verschärfen die bereits sehr angespannte humanitäre Situation. 

Die Menschen fliehen aus Angst um ihr Leben vor den Bomben – viele zum zweiten Mal – da sie bereits aus anderen Regionen Syriens in den Norden des Landes geflüchtet waren und als intern Vertriebene hier Schutz gesucht hatten.

Ich finde es beschämend wie die EU und Deutschland auf die türkische Invasion in Syrien reagiert. Wie können wir tatenlos zusehen, wie der skrupellose und rücksichtslose Machthaber in Ankara diese völkerrechtswidrige Invasion in Nordsyrien durchführt. „Wie verlogen, wie schäbig, wie beschämend: Wie anders sonst sollte man die Reaktionen des Westens auf die türkische Invasion in Syrien bezeichnen?“

Geschätzt eine Million kurdischstämmige Menschen leben in Deutschland. Seit letzter Woche demonstrieren viele von ihnen gegen den Einmarsch der Türkei in Nordsyrien – oft aus Angst um ihre Angehörigen.

Ich bin froh, dass wir Menschen in Ihrer Trauer einen Ort des Gedenkens und des Trauerns geben können.

Caritas international leistet mit anderen Hilfsorganisationen Nothilfe für die Menschen in Nordostsyrien. Weitere Informationen finden Sie hier.

 

Europa – wo bist Du gelandet?

Ein Gastbeitrag von Suasanne Rabe-Rahman, Leitung Perspektivberatung für Flüchtlinge und Interkulturelles Zentrum

Gott sei Dank! Carola Rackete ist wieder frei, die mutige Kapitänin des Sea-Watch-Schiffes, die Flüchtlinge vor dem Ertrinken gerettet hat. Gott sei Dank! Es gibt mutige Frauen, die sich für Humanität einsetzen, die rechtsextrem anmutender Abschottungspolitik aktives menschengerechtes Engagement entgegensetzen. Bravo!

Sie wird hoffentlich nicht auf einer dieser seltsamen Listen rechtsextremer gewaltbereiter Verbindungen landen – und in Deutschland wie in anderen europäischen Ländern dauerhaft bedroht sein?

Weiterlesen

Blick vor die eigene Haustür – Gedanken zur Europawahl

Gastbeitrag von Nils Freund, Mitarbeiter bei Aktion Neue Nachbarn und in der Caritaspastoral:

Die letzten Wochen standen noch ganz unter dem Eindruck der Europawahlen und der Befürchtung vor dem Erstarken der rechtspopulistischen Parteien in Europa. Im tagespolitischen Geschäft erschöpft sich die Interpretation der Wahlergebnisse leider oft in der Frage, ob die Grünen nun eine Kanzlerkandidatin oder -kandidaten stellen dürfen und die CDU und insbesondere die SPD sich gerade selber abschaffen und noch als sogenannte Volksparteien gelten dürfen. Populismus und rechte Politik wird bestenfalls noch als ein ostdeutsches, weil erwartbares oder als ein außerdeutsches, in Teilen ebenfalls erwartbares, Problem wahrgenommen.
Es lohnt sich aber einmal einen Blick vor die eigene Haustür zu werfen. Erfreulich auch für Köln ist die gestiegene Wahlbeteiligung. Für viele Kölner*innen ist Europa ein wichtiges Thema. Auf den ersten Blick scheint das schwache Abschneiden der sogenannten Alternative für Deutschland mit gerade mal 6 Prozent in Köln ebenfalls eine erfreuliche Entwicklung zu sein. Betrachtet man die Ergebnisse jedoch im Detail, fällt auf, dass die fremdenfeindliche Partei in zwei Stadtbezirken und mehr als 20 Stadtteilen über 10 Prozent der Stimmen geholt hat. Insbesondere dort, wo die Wahlbeteiligung eher niedrig ist und viele Menschen in Armut leben, konnten die Rechten mehr Stimmen holen.
Bleibt die Frage, wie wir die Menschen, die nicht zur Wahl gehen oder ihr Kreuz an der populistischen Stelle machen, abholen können und gemeinsam eine den Menschen zugewandte Stadtgesellschaft entwickeln können.
Begegnungen und Gespräche leisten dabei einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung eines positiven Menschenbildes.
In der Flüchtlingshilfe und Integrationsarbeit gibt es eine vielfältige und bunte Landschaft von Begegnungsangeboten. Die vielen engagierten Ehren- und Hauptamtlichen bauen hier mit ihrem Einsatz Schranken und Vorurteile ab, entwickeln Hilfen und Angebote und leisen so für viele Unterstützung – das ist nicht selbstverständlich. Als Mitarbeiter der Aktion Neue Nachbarn möchte ich an dieser Stelle einfach mal DANKE sagen für diese tolle und wichtige Arbeit!

Hiergeblieben!?

Hiergeblieben!? – Bleibeperspektiven im Spannungsfeld zwischen Ausreisepflicht und Integration“

Voller Saal. So präsentierte sich die 19. Regionale Fachtagung von Kölner Flüchtlingsrat, Ausländeramt und Caritasverband Köln in der vergangenen Woche. Den Veranstalter*innen war es abermals gelungen, ein aktuelles wie spannendes Thema zu finden. Da verwundert es nicht, dass um die 190 Mitarbeiter*innen aus Ämtern und Behörden, Beratungsstellen und Menschenrechtsorganisationen aus dem Regierungsbezirk Köln der Einladung in die Jugendherberge nach Köln-Riehl gefolgt sind und sich im Plenum wie in verschiedenen Workshops aus verschiedenen Blickwinkel mit Bleibeperspektiven von Flüchtlingen im Spannungsfeld zwischen Ausreisepflicht und Integration zu befassen.

Integrationsminister Dr. Stamp mit Stadtdechant Msgr. Kleine (re.)

In seinem Grußwort machte der Vorsitzende des Caritasrates, Stadtdechant Monsignore Robert Kleine zu Beginn der Tagung auf deren Besonderheit aufmerksam, dass Ausländerbehörde, Flüchtlingsrat und Caritasverband die Integrationspolitik als gemeinsames Anliegen definieren und Lösungen entwickeln. Dabei skizzierte er die Fragen, vor denen Flüchtlinge, selbst wenn sie Deutschland und Köln erreicht haben, immer wieder stehen: Werden wir bleiben dürfen? Wie lange? Was kann ich tun, um meinen Status sicher zu machen? Gleichzeitig stellte er aber auch die Frage, ob wir, die aufnehmende Gesellschaft, geflüchteten Menschen überhaupt einen sicheren Hafen bieten können. Ob sich nicht manches Mal eher der Verdacht aufdrängt, dass wir Flüchtlinge durch übertriebene Restriktionen dazu zwingen, eine Lüge zu leben, wenn sie sich für ihre Flucht vorübergehend eine andere Identität geben? Ob mit dieser Schärfe in der Flüchtlingspolitik wir vielleicht manches Mal sogar eher für mehr Unsicherheit und für weniger Sicherheit sorgen?

Auch der Integrationsminister des Landes Nordrhein-Westfalen Dr. Joachim Stamp nutzte die Gelegenheit, Position und Engagement der Landesregierung im landes-, bundes- und europäischen Kontext darzustellen und stellte sich kritischen Fragen aus dem Fachpublikum. Im europäischen Kontext ist nach der Europa-Wahl vor der Europa-Wahl. Schließlich stehen immer noch ein paar Aufgaben auf der Agenda. Zu denen gehört, wenn es nach dem Minister geht, auch bei künftigen Beitrittsländern darauf zu achten, wie diese mit ethnischen Minderheiten in ihrem Land umgehen. Weiterlesen

Verschärfte Härte bei Abschiebungen – zur Beratung “Geordnete Rückkehr-Gesetz” heute im Bundestag

Heute berät der Bundestag zum „Geordneten Rückkehr Gesetz“. Die Bundesregierung möchte durch den vorliegenden Gesetzentwurf die ausreisepflichtigen Ausländer schneller abschieben können. Die vorgesehenen Maßnahmen stoßen auf deutliche Kritik aus den unterschiedlichsten politischen und gesellschaftlichen Reihen. Denn Abschiebungen und Ausreise ist auch durch die bestehende Gesetzgebung bereits möglich.
So sind  im Jahr 2018 mehr als 41 500 Personen registriert, die Deutschland freiwillig oder gezwungenermaßen wieder verlassen haben, nachdem ihre Asylanträge erfolglos blieben. Wir sehen, wenn wir die Entwicklung der Zahlen seit 2014 betrachten, überhaupt keinen Handlungsbedarf. Die Zahl der anerkannten Flüchtlinge hat sich in diesem Zeitraum verfünffacht, sie ist also um 500 Prozent angestiegen, während die Zahl der ausreisepflichtigen Flüchtlinge nur um 50 Prozent angestiegen ist. Das zeigt doch, dass das Prinzip der freiwilligen Ausreise funktioniert.

Diese umstrittene Änderungen beinhaltet der Gesetzentwurf:
Neuer Duldungsstatus: Der Gesetzentwurf sieht den neuen Status einer “Duldung für Personen mit ungeklärter Identität” vor. Ihn soll erhalten, wer ein “Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt”. Besitzt er keinen gültigen Pass oder Passersatz, muss er alle “zumutbaren Handlungen” zur Beschaffung eines Passes vornehmen. Tut er dies nicht, droht ihm laut Gesetzentwurf ein Bußgeld. Mit diesem Duldungsstatus wird eine neue Form der Aufenthaltsbescheinigung geschaffen, die noch unterhalb der ohnehin niedrigen Standards der Duldung rangiert und dazu führt, dass bestimmte Menschen ausgegrenzt und diskriminiert werden. Ferner wird es künftig sehr leicht gemacht, Asylbewerber in Haft zu nehmen, um sie abzuschieben. Das ist alles andere als human oder christlich. Weiterlesen

Psychisch kranke Flüchtlinge schneller abschieben? So nicht, Herr Seehofer!

Das Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat wird laut Referentenentwurf die Regelungen zur „Geordneten Rückkehr” weiter verschärfen. Besonders weitreichend werden die Änderungen zum Abschiebeverboten aus gesundheitlichen Gründen sein. Hiervon sind Asylsuchende, die unter schwerwiegenden psychischen Erkrankungen leiden und für die sich im Falle einer Abschiebung eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit ergeben würde betroffen.
Für diese besonders schutzbedürftige Gruppe war es bislang möglich, zur Begründung eines Abschiebungsverbotes eine Stellungnahme zu diagnostischen und prognostischen Informationen über ihre Erkrankung in das aufenthaltsrechtliche Verfahren einzubringen. Weiterlesen