Jesus hat die Schnauze voll

Wie sagte Wilfried Schmickler am Samstag (26.03.) so schön bei den Mitternachtsspitzen? Jesus hat die Schnauze voll. Deshalb wird er dieses Jahr nicht auferstehen. Mit der „großen Jubelfeier anlässlich der Generalvergebung aller Schuld“ wird das dieses Jahr nichts. Die Erklärung, warum der „Hauptdarsteller der Osterinszenierung“ sich weigert, in diesem Jahr von den Toten aufzuerstehen und die Menschheit von ihren Sünden zu erlösen, findet sich laut Schmickler unter www.schnauzevoll.de. Denn, so Schmickler, wenn dieser Jesus heute die Tagesschau einschaltet, dann sieht er eine „nicht enden wollende Dokumentation seines Scheiterns“. Predigte Jesus seinerzeit Nächstenliebe, Mitleid, Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und das Streben nach dem ewigen Frieden, so machen Politiker stattdessen heute „Hartherzigkeit und verweigerte Hilfeleistung zur Maxime ihres Handelns“. Ob im Schlamm von Idomeni oder in den Flüchtlingslagern im Libanon – hier sind die Predigten Jesu auf ganzer Linie gescheitert. Die „sogenannte westliche Welt, die vor Überfluss und Reichtum aus allen Nähten platzt, macht nicht die geringsten Anstrengungen, um Millionen Kriegsflüchtlinge wenigstens mit sauberem Wasser und ausreichend Nahrung zu versorgen (von medizinischer Versorgung ganz zu Schweigen)“. Stattdessen werden „Drohnen, Kampfjets, Panzer, Kanonen, Bomben und Granaten geliefert“. Die große Auferstehungsfeier fällt also aus. Denn „was ihr nicht getan habt einem meiner Geringsten, das habt ihr mir auch nicht getan“…

Worte, die auf bittere Weise deutlich machen, dass Christsein weit mehr bedeutet, als die Ostermesse zu zelebrieren. Damit „Leben und Liebe über Tod und Sünde siegen können“ (Papst Franziskus), müssen wir aufstehen und uns aktiv für eine friedliche Welt einsetzen.

Gastbeitrag von Christine Lieser, Koordinatorin für Flüchtlingsarbeit im kath. Stadtdekanat Köln, für die Aktion Neue Nachbarn

Stop – der ganz “normalen” Ausgrenzung

Maria Hanisch, leitet im Geschäftsfeld Alter und Pflege die Stabsstelle Ethik, Seelsorge und gesundheitliche Versorgungsplanung

Ist Ihnen das auch schon mal passiert, sie bemerken, dass
• über andere geurteilt wird, ohne die Hintergründe zu kennen?
• die Wertung „sozial schwach“ verwendet wird, wenn Menschen, die in Armut leben, gemeint sind?
• erklärt wird, dass das Geld aus dem Bildungs- und Teilhabepaket bei den Kindern ankommen muss und nicht von Eltern für Alkohol oder Flachbildschirme verwendet werden soll?
• einem Steuerhinterzieher, der rechtskräftig verurteilt wurde, Respekt für die Annahme des Urteils gezollt wird?
• beim Thema Mindestlohn einige die Meinung vertreten, Langzeitarbeitslose würden eher eingestellt, wenn sie in den ersten sechs Monaten unterhalb des Mindestlohns entlohnt werden dürften?
• über die Einführung höherer Steuern, über Veränderungen im Steuerrecht oder die Begrenzung der Gehälter bei Vorständen großer Unternehmen viel gesprochen wird, aber keine Taten folgen?
• stereotyp wiederholt wird, wer viel leistet, auch viel bekommen muss?

Die Wirklichkeit ist komplexer und nicht nur schwarz und weiß. Lösungen zur Vermeidung von Armut und Ausgrenzung zu finden, ist gar nicht so leicht. Tatsache ist, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht und trotz Wirtschafts- und Bankenkrise das Vermögen des oberen Zehntels der Bevölkerung gewachsen ist. Tatsache ist auch, dass diese Gruppe über ein durchschnittliches Vermögen von über 1,15 Millionen Euro pro Person verfügt, während bei den ärmsten 20 Prozent der Bevölkerung jede und jeder im Schnitt 4.600 Euro Schulden hat.

Orientierung an Kriterien der Sozialethik
Für ein differenziertes Hinschauen und Handeln
Die Qualität caritativer Arbeit orientiert sich neben den spezifischen fachlichen Erfordernissen an einer ethischen Grundhaltung, wie Menschen zu begegnen ist. Die katholische Sozialethik benennt einige Kriterien und formuliert Maßstäbe, mit denen wir unser Handeln überprüfen können.

• Menschenwürde
Achte die Würde aller Menschen! Dazu gehören Achtung, Respekt und eine Förderung, die einem Bedürfnis nach einem würdevollen Leben gerecht wird. Dies geht über juristische Maßstäbe hinaus.
• Gerechtigkeit
Handle gerecht und ohne Einflüsse von Sympathie, Antipathie oder Formen der Willkür!
• Teilhabe
Ermögliche Teilhabe von Menschen, denen eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben der Gesellschaft eingeschränkt wird!
• Freiheit
Richte dein Handeln gegenüber den anderen so aus, dass du sie immer als freie Menschen anerkennst, auch wenn ihre aktuelle subjektive Freiheit eingeschränkt ist!
• Befähigung
Handle immer befähigend und mit positiver Wertschätzung und unter Einbeziehung der vorhandenen Fähigkeiten des Menschen!
• Solidarität
Handle solidarisch zum Wohl von Benachteiligten, ohne sie durch die Hilfe zu beschämen oder zu demütigen!
• Verantwortung
Trage die Verantwortung für die von dir übernommenen Aufgaben, und verschaffe dir Klarheit über die Grenzen der Aufgaben und der Verantwortung!
• Nachhaltigkeit
Handle nachhaltig im Umgang mit deinen eigenen und fremden Ressourcen, und trage Verantwortung für eine wirklich helfende Zweck-Mittel-Relation!

Diese Grundsätze scheinen so einfach und selbstverständlich zu sein, dass sie zunächst keinen Reflex zum Widerspruch auslösen. Bei genauerer Betrachtung gibt es aber viele Situationen, in denen sie unberücksichtigt bleiben.

Verständlich oder befremdlich

 

Not schweißt bekanntlich zusammen; lässt die Menschen enger rücken. Doch gibt es Grenzen in der Not? Mein Weg zum Büro führt mich am Ehrenfelder Bahnhof vorbei. Dort wurde ich vor wenigen Tagen Zeugin folgenden Vorgangs.

Am Aufgang zu den S-Bahn-Gleisen direkt am Fuß des Fahrkartenautomaten sitzt tagein tagaus ein wohnungsloser Mann. Über die Zeit kennt man sich. Nicht vom Namen, aber vom Sehen her. Er ist im täglichen Anblick so etwas wie ein fester Bestandteil des Umfelds; keineswegs unsichtbar. Man nimmt ihn wahr: immer freundlich, nie aufdringlich. Seine Miene strahlt Offenheit und Zufriedenheit aus. Er vermittelt den Eindruck, als ginge es ihm gut, als hätte er alles, was er braucht. Für manchen, der ihn dort sitzen sieht, wahrscheinlich undenkbar angesichts der Lebensumstände. Die Passanten freuen sich ihn zu sehen. Viele bleiben auf einen kurzen Plausch stehen. Er bekommt immer etwas geschenkt, selbst wenn sein Platz vorübergehend leer ist: Konserven, belegte Brötchen, ein Becher Kaffee, ein Apfel oder eine kleine Topfpflanze. Im Winter grüßt ihn auch schon mal ein Schokoladen-Mann.

Vor wenigen Tagen kam ich mittags am Ehrenfelder Bahnhof vorbei. Automatisch ging mein Blick in die Ecke des Fahrkartenautomaten und dort saß jemand anderes. Weiterlesen

Flüchtlinge aus den Balkanstaaten: Zur Diskussion um legale Einwanderungswege und Grundrecht auf Asyl

Viele Asylsuchende kommen derzeit aus den Balkanstaaten Albanien, Kosovo u.a. In der Öffentlichkeit scheint das Urteil schon gefällt: Bei den Balkanflüchtlingen handele es sich nicht um „echte“ Flüchtlinge, sondern um Personen „ohne Schutzbedarf“.
Menschen durch schnellere Asylverfahren abzuschieben, gesonderte Lager zu errichten oder finanzielle Unterstützung zu kürzen, löst doch das Problem nicht. Bestenfalls erreicht man eine kurzfristige Verschiebung des Problems in die Zukunft.
Menschen flüchten nicht nur aus Armut in ihrem Heimatland und mit der Aussicht auf ein finanziell besseres Leben. Die Armut, die in Albanien und anderen Balkanstaaten herrscht, ist ein politischer Sprengstoff und sorgt für gesellschaftliche Spannungen, auch in von Politikern schön geredeten sicheren Herkunftsländern. In diesen Ländern gibt es kein funktionierendes Sozial-, Gesundheits- und Gerichtssystem. Die Menschen sind Willkür und Diskriminierung, Korruption und staatlicher Gleichgültigkeit ausgesetzt. Weiterlesen

“Die Stimmung kann kippen”

Besser könnten wir es hier im Caritasverband Köln auch nicht sagen als Caritaspräsident Peter Neher auf der Seite von katholisch.de zur Debatte über die Flüchtlingspolitik:

“Die Debatte um Flüchtlinge in Deutschland wird derzeit wieder einmal hitzig geführt. Dabei werden die Flüchtlinge nach Herkunft eingeteilt: So gibt es scheinbar eine klare Trennung in jene, die vor Krieg und Verfolgung flüchten und jene, die sich wegen bitterer Armut und sozialer Not auf den Weg nach Deutschland machen.

Es stimmt: Menschen verlassen aus unterschiedlichen Gründen ihre Heimat. Das darf aber nicht dazu führen, dass sie in “gute” und “weniger gute” Flüchtlinge eingeteilt werden. Wir müssen allen Schutzsuchenden mit wertschätzender Haltung und vorurteilsfrei begegnen…” Weiterlesen

Erbarmen als soziale Form – Das Kunstprojekt

Ludger Hengefeld ist Leiter der Stabsabteilung Engagement und Zivilgesellschaft

Kunst als Sehhilfe – unter diesem Motto hat der Diozösan-Caritasverband im Erzbistum Köln ein Jahr lang Kunstprojekte initiiert. Dabei haben die beauftragten Künstler Projekte zur organisierten Hilfe für Bedürftige umgesetzt. Sie haben sich u.a. mit Fragen zu Fülle, Mangel und Verteilung beschäftigt. Wie das gelungen ist, zeigt dieses Video.

Linie 1 – Perspektivwechsel

C. Zahn, J. Becker, M. Stankowski v.l. (© joschwartz.com)

Ludger Hengefeld ist Leiter der Stabsabteilung Engagement und Zivilgesellschaft

Die Caritas startete mit der KVB letzten Samstag zu einer außergewöhnlichen Straßenbahnfahrt: Vom wohlhabenden, reichen in das arme, weniger betuchte Köln, vom Westen in den Osten der Stadt . Von Lärmschutz über Wahl- und Bürgerbeteiligung, von der Ausstattung der Viertel und ihrer Infrastruktur, von Bildungsfragen und dem Wert von Gemeinwohlgütern bis zu Gesundheits- und Sozialpolitik reichte das Spektrum der Themen. Sie wurden vom Moderator Martin Stankowski, Pfarrer Franz Meurer und dem Kabarettisten Jürgen Becker und vielen kundigen Menschen an Bord vorgestellt.

So weit, so gut. Weiterlesen

Ehrenfeld im Wandel

Ludger Hengefeld ist Leiter der Stabsabteilung Engagement und Zivilgesellschaft

Letzten Mittwoch setzten sich die katholischen Akteure in Ehrenfeld an den Runden Tisch Sozialraumpastoral. Thema waren die Flüchtlinge aus der Erstaufnahmeeinrichtung in der Herkulesstraße und die Arbeitsmigranten aus EU-Mitgliedsländern. Sie alle tauchen im Straßenbild der Venloer auf. Ein buntes, quirliges Wimmelbild: als BettlerInnen vor den Supermärkten, als Querkopf-VerkäuferInnen, als Arbeitssuchende auf dem sogenannten Arbeitsstrich und einfach als PassantInnen. Nachts schlafen einige von Ihnen im Portal der Josefskirche und in städtischen Grünanlagen, selbst im Winter. Wir hören von der drangvollen Enge in der Erstaufnahmeeinrichtung Herkulesstraße: Ganz zu Beginn war das alte Straßenverkehrsamt für 80 Personen geplant. Jetzt sind es an die 600 Personen, davon die Hälfte Kinder. Weiterlesen

Wo gehört das Essen eigentlich hin?

Ludger Hengefeld ist Leiter der Stabsabteilung Engagement und Zivilgesellschaft

„Essen, wo es hingehört“ – so werben die Tafeln für Ihre Aktivität. Und in der Tat, Essen und Trinken sind nicht gleich verteilt. Neben Luxustempeln, wo eine Mahlzeit für zwei schnell einmal dreistellig werden kann, bieten sich Schnellimbisse aller Herkünfte einen mitunter erbitterten Preiskampf um die billigste Fütterung. Diese Schere geht materiell und kulturell immer weiter auseinander. To Go heißt ein Zauberwort: Du kannst immer Essen haben, wo auch immer, wann auch immer. Aber wenn Essen überall und immer geschehen kann, ist der Wert von Nahrungsmitteln auf die grenzenlose Konsummöglichkeit reduziert – nicht etwa auf die Sättigung, eine gemeinsame Mahlzeit oder andere Werte.
Just in den Tagen, als der spektakuläre Dönerwurf eines Fussballmillionärs ins Gesicht eines Kölner Fußballfans vorübergehend die Schlagzeilen füllte, erschienen im Kölner Stadtbild Aufschriften mit dem leicht veränderten Slogan: Essen wo es hingehört.“ Weiterlesen