Ludger Hengefeld ist Leiter der Stabsabteilung Engagement und Zivilgesellschaft
Passend zum Jubiläum der Tafeln – vor 20 Jahren begannen wohlhabende Damen damit Obst und Gemüse vor dem Wegwerfen zu bewahren und es an Obdachlose zu verteilen -rückt der Skandal um das als Rindfleisch deklarierte Pferdefleisch und dessen Weiterverwertung auch das Dilemma der Tafeln in den Blick. Lebensmittelrettung und Kampf gegen Armut gehen nur schwerlich zusammen.
Ein CDU Politiker schlug vor, die Produkte mit Pferdefleisch über die Tafeln an Bedürftige zu verteilen. Der Vorsitzende des Bundes der Tafeln e.V., Gerd Häuser, hat diesen Vorschlag vehement zurückgewiesen. So zu handeln sei würde- und respektlos gegenüber den Tafelkundinnen und -kunden, sagte er in einem Interview mit dem Deutschlandradio Kultur.
Wir leben in einer Gesellschaft, in der der Konsum von Pferdefleisch kaum üblich ist.Wenn niemand die Pferdefleischprodukte will, muss die Ware auf den Müll. Der Lebensmittelberg wächst. In ihrer Außendarstellung bezeichnen sich die Tafeln indes als ökologische Lebensmittelretter, die für die Verkleinerung des Lebensmittelbergs kämpfen. Tausende Tiere haben ihr Leben ohnehin schon gelassen und genauso viele Rinder werden es müssen, um für Ersatz zu sorgen.
Nach dem Tafel-Jubiläum gefragt und danach, was es zu feiern gelte, antwortet Gerd Häuser: „Ich würde mich lieber abschaffen. Ich meine, mir wäre es lieb, wenn überhaupt niemand gezwungen wäre, von der Tafel zu holen. Was anderes ist natürlich der ökologische Teil, das heißt also, dass wir Lebensmittel nicht wegwerfen, das will ich mal ausklammern. Wenn Sie auf den sozialen Teil geben, halte ich das für nicht feiernswürdig. (…) Natürlich wäre es mir lieber, wenn wir nicht nur eine Umverteilungsdebatte in Deutschland führen würden, sondern praktisch anfangen würden mit einer Umverteilungspolitik, und zwar in der gesamten Gesellschaft.“
Diese Debatte über die Umverteilung durch die Tafeln will das kritische Aktionsbündnis zum Tafeljubiläum, zu dem auch der Caritasverband für die Stadt Köln gehört, führen.
Vielleicht sprächen ökologische Gründe dafür die fraglichen Produkte, durch wen auch immer, weiterzuverwenden statt sie zu entsorgen. So lange aber nicht klar ist, woher das verwendete Pflerdefleisch stammt und ob es beispielsweise unzulässige Medikamente enthältt, bleibt der Vorschlag es an Bedürftige zu verteilen, menschenverachtend.
Ich will hier die Gelegenheit nutzen, mich mit einigen Bemerkungen einzubringen. Ich denke, dass der Vorsitzende des Bundes der Tafeln, Gerd Häuser, mit seiner Äußerung recht hat, sich als Tafel lieber abzuschaffen. Das kann ja eigentlich nur das Ziel aller Aktivitäten sein.
Allerdings gibt es so etwas wie einen schleichenden Prozess, sich mit der Not durchaus zu arrangieren und sich dann FAKTISCH unentbehrlich zu machen. Das rührt weit mehr an die eigene Empfindung als an dasjenige, was wir uns vom Kopf her zurechtlegen.
Das Endergebnis eines solchen Prozesses, soweit er überhaupt seinen Anfang so nahm, ist der Masarati fahrende Harald Ebert von der Berliner Treberhilfe.
Sich selber in seiner Aktivität entbehrlich zu machen, das heißt ja auch, Aushalten eines inneren Zwiespalts, vielleicht etwas Übermenschliches, würden wir das in Gänze durchhalten wollen. Doch das, so meine ich, ist eigentlich auch gar nicht verlangt. Es geht darum, grundsätzlich daran zu denken.
Und das liegt m. E. umso mehr im Argen, je weiter die Professionalisierung der Tafel-Landschaft voranschreitet. Von Hauptamtlichen vor Ort bis hin zu einer hochprofessionellen Geschäftsführung.
Der Rubikon ist wie folgt umrissen. Gesetzt den Fall, es gäbe “nur” noch 500 statt über 900 Tafeln: Würde das als Erfolg angesehen oder als Misserfolg, weil ja jetzt wieder angeblich Lücken im Netz klafften? Würde die Zahl der Tafeln so “klein”, dass es eine professionell arbeitende Bundesgeschäftsstelle nicht braucht, wäre das ebenso ein Erfolg oder in analoger Weise ein Misserfolg, weil doch der Name an Bedeutung verlöre?
Schafften wir es, uns vom klassischen Erfolgsmuster freizumachen und das eben Genannte nicht mehr als Niederlage zu begreifen, dann spräche m. E. nichts und rein gar nichts gegen irgendeine Tafel an sich.
Dann könnte das eine UND das andere sein, soweit denn Menschen bereit sind, sich in der Ehrenamtlichkeit nicht als unentbehrlich zu begreifen, sondern wirklich Erfüllung darin zu sehen.
Einige allerdings müssten sich gleichwohl mit umstellen, käme das, was anliegt und angezeigt wäre: Ein Existenzminimum, das es erlaubt, frische und gesündere Lebensmittel als selbstverständlich einzukaufen und mit aller Hilfe dass Menschen aller Einkommenshöhen dafür wieder die erforderliche Wertschätzung aufbringen. Wer sich gleichwohl mit umstellen müsste, wäre so manche Lebensmittel-Discounterkette, die auf die Tafeln als Lebensmittel-Entsorger setzt, sodass sich Tafel-Fahrer zu Winterszeiten mit denen auf der Rampe um die Nichtmitnahme angefrorener Lebensmittel streiten müssen, zu Sommerstagen um die Nichtmitnahme von Obst und Gemüse, aus dem schon der Saft rausläuft, offener oder zumeist untergründiger Streit deshalb, weil die doch ihre Müllgebühren sparen wollen.
Um Missverständnisse auszuschließen, doch noch eine Ergänzung: Abgesehen von der Anmerkung am Schluss meines Beitrages ist das Prinzip der Tafeln selbstverständlich lobenswert, schlichtweg Überflüssiges abzuholen. Allerdings wird es in einer Gesellschaft, in der Lebensmittel nicht rationiert werden – die ich mir demzufolge auch gar nicht wünsche – immer Überschüssiges geben und auch geben müssen neben allem sinnvollen Abbau des von vornherein zu viel Geplanten.
Bliebe neben der an sich sinnvollen Tafel-Abnahme dieser noch gut genießbaren Lebensmittel in hoffentlich nicht all zu ferner Zukunft sich KREATIV die Frage zu stellen: Wer nimmt ab und wohin soll das gehen, wenn der Preisnachlass dies nicht erreicht hat? Gemeint als offene Frage.