Warum Vorurteile über Bürgergeld beziehende Personengruppen diskriminierend, faktisch falsch und kontraproduktiv sind
von Mathias Schnitzler, Pädagogische Fachkraft Arbeitsgelegenheiten
und Raoul Braus, Leitung Arbeitsmarktintegration im Caritasverband der Stadt Köln

Das Team der Arbeitsgelegenheiten (AGH) der Caritas Köln
Lobbyismus für die Langzeitarbeitslosen oder: keine Wertschätzung, keine Wertschöpfung
„Die sind faul“, „Sozial problematisch“, „Unflexibel und unmotiviert“. „Selber schuld!“ Und zur Belohnung, so hört man, bekämen sie für das Liegen in der sozialen Hängematte mehr Geld in die Taschen gesteckt, als manch hart arbeitender Mensch auf dem Lohnzettel hat.
Dies sind nur einige der gängigen Vorurteile gegenüber Personen im Bürgergeldbezug, insbesondere gegenüber langzeitarbeitslosen Menschen. Die sogenannten „Totalverweigerer“, die jetzt als bedrohliche Gespenster wieder in Politikerinterviews die Runde machen, sind in Wahrheit eine geringe Größe: Auf 14.000 bis 16.000 werden sie von der Arbeitsagentur beziffert – deutschlandweit. 74% der Bürgergeld beziehenden Menschen wollen laut einer Studie des Sozialverbands VdK so schnell wie möglich wieder in eine existenzsichernde Arbeit wechseln.
Kampf für eine wertschätzende Förderung
In der Einrichtung Arbeitsmarktintegration, mit vielen Maßnahmen und Projekten zur Berufsberatung und insbesondere im Team der Arbeitsgelegenheiten (AGH) begegnen uns diese Themen tagtäglich und wir kämpfen seit vielen Jahren für eine wertschätzende, ressourcen- und lösungsorientierte Förderung von arbeitssuchenden Menschen.

Mathias Schnitzler, Pädagogische Fachkraft Arbeitsgelegenheiten und Raoul Braus, Leitung Arbeitsmarktintegration
Doch auch diejenigen, die sich zunächst noch sträuben, die Ängste, Einschränkungen oder Erkrankungen haben, sind Menschen mit Potenzialen. Statt Schuldzuweisungen und Rufen nach härteren Sanktionen, sollten wir auf positive Anreize setzen und gemeinsam mit ihnen nach Lösungen suchen.
Diese Menschen, denen wir als Individuen und auf Augenhöhe begegnen, leiden unter den Vorurteilen, die als psychische Belastung zu den Gründen für ihre Arbeitslosigkeit noch hinzukommen: Sehr viele unserer Klient*innen haben gesundheitliche Einschränkungen und Schwerbehinderungen. Alleinerziehenden fehlt die Kinderbetreuung, anderen eine Schul- und Ausbildung oder Qualifikation. Auch das Alter und die Sprachkenntnisse spielen eine Rolle, viele haben multiple Hemmnisse, für die es immer weniger Förderungen und Angebote gibt, da diese gekürzt wurden oder keine Kapazitäten haben.
Chancen für die Zukunft – Forderungen zur Förderung!
In der aktuellen Debatte um das Bürgergeld wünschen wir uns eine differenzierte und realitätsnahe Perspektive der betroffenen Personen und eine lösungsorientierte Sichtweise für die Arbeitsmarktförderung.
Die anstehenden Kommunalwahlen sehen wir als Chance, hier wichtige Schritte in eine ziel- und ressourcenorientierte Arbeitsmarktförderung einzuschlagen. Dafür fordern wir:
- Langfristigere gesicherte Maßnahmen der Arbeitsmarktintegration
- Ausweitung der Instrumente zur nachhaltigen beruflichen Integration von Langzeitarbeitslosen Menschen (z.B. Arbeitsgelegenheiten erweitern und über mehrere Jahre beauftragten, §16i Förderungen)
- Förderungen von beruflichen Qualifikationen/ Weiterbildungen die nachhaltig wirken (keine kurzfristigen Vermittlungen)
- Abbau von bürokratischen Verwaltungsprozessen für Leistungsbezieher*innen und für die Träger
- Direkte und transparentere Kommunikation zwischen den Behörden und Trägern (Arbeitsverwaltung, Ausländerämter und Trägern etc.)
- Zusammenlegung in der Leistungs- und Einkommensprüfung
- Wertschätzende Debatte und zugleich eine fordernde sowie fördernde Haltung gegenüber Menschen mit Unterstützungsbedarf, insbesondere Langzeitarbeitslosen Menschen