Ein Gastbeitrag von Sabine Brüsting, Leiterin des ArbeitslosenBürgerCentrum Höhenhaus:
In Spiegel-Online war letzte Woche zu lesen, dass Sanktionen des Jobcenters oft Familien mit Kindern treffen. Innerhalb eines Jahres wurden in Deutschland über 950.000 Sanktionen gegen Arbeitslosengeld-II-Beziehende ausgesprochen, davon ein Drittel gegen Haushalte mit Kindern. Was bedeutet dies für die Familien?
Sanktionen haben eine befristete Minderung des Anspruches auf Arbeitslosengeld II zur Folge, sie führen zu einer Leistungskürzung, so dass das Existenzminimum unterschritten wird. Sie werden bei Pflichtverletzungen vom Jobcenter verhängt. Zu unterscheiden sind dabei Art und Schwere des Pflichtverstoßes. In der Hauptsache werden Sanktionen verhängt bei Weigerung, eine ‚zumutbare‘ Arbeit anzunehmen, eine Arbeit ohne wichtigen Grund aufzugeben, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, Maßnahmenangebote abzulehnen. Diese haben eine Minderung der Regelleistung um 30% über einen Zeitraum von in der Regel drei Monaten zur Folge: Das bedeutet beispielsweise für eine Alleinerziehende, dass die Regelleistung von 416 € bei einer Sanktion für drei Monate um monatlich 124,80 € gekürzt wird! Ein Nichterscheinen zum Meldetermin ohne wichtigen Grund führt für drei Monate zu einer Minderung von 10% der Regelleistung.
Sanktioniert das Jobcenter innerhalb eines Jahres erneut, werden wiederum 10% bzw. 30% der Sozialleistung gemindert, teilweise führt dies zu Kürzungen bei Überschneidungen im Monat von 60% oder in Einzelfällen, insbesondere bei Jugendlichen, bei der dritten Sanktion (mit 30%) zum Entzug der Leistung!
Die Folgen dieser finanziellen Einbußen sind absehbar. Das Unterschreiten des Existenzminimums führt zu einer Verfestigung der Armut, von dem nicht nur die Erwachsenen, sondern vor allem auch die Kinder betroffen sind. Eine Gefährdung u.a. der Wohnraum- und Energieversorgung ist vorhanden, eine Zunahme des Verschuldungsrisikos oftmals nicht zu vermeiden. Familien mit Kindern wissen nicht, wie sie den Monat finanziell bestreiten sollen, Rechnungen können nicht bezahlt, notwendige Lebensmittel nur eingeschränkt eingekauft werden. “Nudeln mit Tomatensoße sind nun unser Hauptgericht für viele Tage des Monats,” so berichtete eine Mutter vor wenigen Wochen. Durch diese Sanktionsmaßnahmen wird die Armut von Familien weiter verschärft und führt zu noch weiterer Ausgrenzung führt. Ich bin der Meinung, das darf nicht sein.
In unserer Beratungspraxis erleben wir zudem, dass es viele Gründe gibt, warum jemand beispielsweise nicht zum Termin erschienen, Verpflichtungen aus Eingliederungsvereinbarungen nicht nachgekommen ist oder eine Arbeitsstelle abgelehnt hat. Sprachbarrieren (Einladungstexte werden nicht verstanden), wenig passgenaue Angebote, mangelnde Kinderbetreuungsmöglichkeiten, familiäre Schwierigkeiten, fehlende Unterstützung, Hilflosigkeit, Unkenntnis, Bewerbungen zu schreiben (somit kein oder nur geringer Nachweis über Eigenbemühungen), sind nur einige Gründe, die die Ratsuchenden angeben. Eltern berichten oftmals von ihrer Verzweiflung (wie soll das alles bezahlt werden?), wenn ihr Nachwuchs ab 15 Jahren und zu U25 gehörend sanktioniert wird, denn der Gesetzgeber geht bei der Altersgruppe von 15- bis 25-Jährigen sehr restriktiv vor.
Die Sanktionierung steht seit einiger Zeit in der Kritik, von Abschaffung ist die Rede und es ist zu hoffen, dass in Zukunft ernsthaft über die Sinnhaftigkeit dieses Kürzungsinstrumentes nachgedacht wird. Ich wünsche mir eine stärkere öffentliche Debatte.
Wir sind jedoch in der Zwischenzeit nicht tatenlos, sondern bieten Ratsuchenden Unterstützung an, sich gegen unberechtigte Kürzungen rechtlich zur Wehr zu setzen, wenn es einen wichtigen Grund für ihr Handeln gab.
Traurig das so viele Menschen hungern und machne Leute einfach viel zu viel haben, einfach ungerecht.
Lg Margret
Es stimmt, dass persönliche Umstände und Gründe, warum eine Arbeitsstelle von arbeitslosengeldbeziehenden Personen abgelehnt wird, oftmals nicht berücksichtigt werden. Infolgedessen werden Familien, die ohnehin bereits unter finanziellen Problemen leiden, zusätzlich sanktioniert, was die Armut spürbar verschärft. Hält man als betroffene Person die Sanktionen oder gar die Ablehnung bestimmter Leistungsansprüche für ungerechtfertigt, so ist es ratsam, sich an einen Anwalt für Sozialrecht zu wenden.