“In der Migration braucht man keine Reden, man braucht Arme und Herzen für die Menschen”

Tag 3, 30. Mai: Blogeintrag von Guido Geiss und Marianne Jürgens

Heute standen Hintergrundgespräche mit dem Erzbischof von Rabat und dem Diözesan-Caritasdirektor auf dem Programm.

Msgr. Vincent Landel, Erzbischof von Rabat, berichtete von der Situation der katholischen Kirche in Marokko. Er selbst ist Franzose, wurde als Kind französischer Eltern in Marokko geboren und gehört zur Minderheit der Katholiken in einem islamisch geprägten Staat. Jeder Marokkaner ist von Geburt an automatisch Moslem. Das bedeutet, dass die katholische Kirche in Marokko eine reine Migrantenkirche ist. Es gibt zwei Diözesen, die frankophone in Rabat und die spanisch orientierte in Tanger.
Von den 36 Mio. Einwohnern sind 30.000 Katholiken aus 100 unterschiedlichen Nationen, darunter 95 % aus Schwarzafrika. Sonntags ist die riesige weiße Kathedrale in Rabat voll und … schwarz, wie Msgr. Landel erzählt. Er schätzt die Lebendigkeit der Gottesdienste mit den Migranten. Die geringe Anzahl der in Marokko geborenen französischen Katholiken wird immer älter und weniger. Zur Diözese gehören zudem viele Studenten aus afrikanischen Ländern. Diese sind oft erst 18 Jahre jung, wenn Sie zum Studium an Marokkos Universitäten kommen, die ein hohes Niveau haben. Für die Studenten ist die katholische Kirche Familienersatz und der Bischof eine Vaterfigur. “Sie brauchen sehr viel Aufmerksamkeit, aber sind auch eine große Freude. Sie sind ein Geschenk Gottes.” Der Erzbischof sieht in den 15.000 afrikanischen Studenten eine Chance für die marokkanische Gesellschaft, sich zu öffnen. Junge marokkanische Moslems treffen auf junge Afrikaner, die eine Religion leben, die nicht die ihre ist. Und die Schwarzafrikaner haben die Gelegenheit, den Islam anders zu erleben als in ihren Herkunftsländern.

Seit der Schließung der Grenzen Europas und der Visaverschärfungen kommen immer mehr (häufig katholische) Migranten aus afrikanischen Ländern nach Marokko. Vor zwei Jahren wurden die Migranten in Marokko legalisiert: Sie können eine Aufenthaltsgenehmigung für ein Jahr beantragen und erhalten eine Arbeitserlaubnis. Diese Entwicklung hat die Caritas maßgeblich angestoßen, da sie seit 10 Jahren in der Begleitung von Migranten tätig ist und immer wieder im Dialog mit staatlichen Institutionen ist und Einfluss nimmt: “Die Caritas ist klein und kann viel bewirken, vorausgesetzt sie ist diskret und provoziert nicht.” sagt Msgr. Landel.
“Unsere kleine Diözese ist von Migranten mit schwarzer Hautfarbe geprägt. Auch mit meiner weißen Haut verstehe ich mich als afrikanischer Bischof und nehme an der Bischofskonferenz der Länder Marokko, Algerien, Tunesien und Libyen teil.” Das sind alles Länder, in denen es keine einheimischen Katholiken gibt, sondern ausschließlich Ausländer zur kath. Kirche gehören.

In 30 Gemeinden versehen 25 “ausgeliehene” Priester aus 10 verschiedenen Nationen, darunter beispielsweise Kongo und Polen, ihren Dienst. “Die Priester wechseln regelmäßig, wir fangen hier immer wieder neu an.”

Für Papst Franziskus gehört die Kirche an die Peripherie. So stößt die katholische Kirche in Marokko die Begegnung zwischen Moslems und Katholiken im Leben an, religiöse Begegnung steht dabei nicht im Mittelpunkt. Die Begleitung der zahlreichen Migranten ist eine zentrale Aufgabe: “Hier braucht man keine Reden, man braucht Arme und Herzen, um die Migranten zu begleiten.”
Bildung sieht Msgr. Landel als wesentlichen Faktor für die Entwicklung Marokkos. Die katholische Kirche unterhält selbst 15 Schulen. Einmal im Jahr trifft sich der Bischof mit den Schuldirektoren, um das gemeinsame pädagogische Konzept zu diskutieren, das auf universellen Werten basiert.

Die katholische Kirche hat zurzeit ein gutes Ansehen bei der marokkanischen Regierung und dem Königshaus. “Grundlage ist, dass ich nicht bekehren möchte. Zum Beispiel lehne ich es ab, einen Marokkaner zu taufen, wenn er mich darum bittet. Er würde als Konvertit von der Familie verstoßen und seine Arbeit verlieren.”

Wie ist Msgr. Landels Meinung zur Einschätzung von Marokko als sicheres Herkunftsland? “Aktuell teile ich diese Auffassung.”
König Mohammed hat nach dem “arabischen Frühling” sofort mit einer Verfassungsänderung reagiert, die Glaubensfreiheit vorsieht. Er versucht, “auf die Straße zu hören” und verfolgt einen Reformkurs.

Von den Touristen wünscht sich Erzbischof Landel eine Öffnung für das Land und die Menschen: “Wenn ihr zurückgeht, dann erzählt euren Landsleuten, dass man hier in einem muslimischen Land gut leben kann.” Es ist zu akzeptieren, dass Marokko islamisch geprägt ist. Europa muss seine Angst vor dem Islam ablegen.

Nachmittags lernen wir die Arbeit des Diözesan-Caritasverbandes Rabat kennen. In den eher bescheidenen Caritas-Räumlichkeiten berichtet Diözesan-Caritasdirektor Eduard Danjoy, unterstützt von zwei MitarbeiterInnen, über die Arbeit der Caritas in dieser flächenmäßig riesigen Diözese. Eine Diözese, die sich über 2000 km in nordsüdlicher Richtung und 1000 km von Ost nach West erstreckt.
Vier Schwerpunkte hat die Caritas-Arbeit in Marokko:
1. Unterstützung der Zivilgesellschaft – immer mit dem Ziel der nachhaltigen Entwicklung von zivilen Organisationen
2. Unterstützung von Projekten im Behindertenbereich für eine nachhaltige Verbesserung für Menschen mit Behinderungen und deren Angehörige
3. Behandlung von herzkranken Kindern, deren Eltern nicht ausreichende finanzielle Mittel für die Behandlung aufbringen können
4. Die Unterstützung der Arbeit mit afrikanischen Migranten
Wir fragen Monsieur Danjoy, was die Caritas für die vielen MigrantInnen aus Schwarzafrika auf ihrem Weg durch Marokko mit dem Ziel Europa tut. Kann sie die Migranten vom gefährlichen Weg über das Mittelmeer abhalten und ihre überzogenen Erwartungen an Europa mit der tatsächlichen Lage in Einklang bringen?
Er betont, das Selbstbestimmungsrecht der MigrantInnen habe für die Caritas oberste Priorität. Sie wissen, wie gefährlich die Flucht ist. Ihre Perspektivlosikeit, ihre über Jahre vorbereitete Flucht mit Unterstützung der Familie manifestiert die Hoffnung, in Europa gehe es ihnen besser und sie können auch noch die zurückgebliebene Familie mit finanzieren. Das lasse für sie nur den einen Weg zu, – mit aller Macht Europa zu erreichen. Davon lassen sie sich nicht abhalten. Wenn sie scheitern und doch zurück in ihre Heimat wollen oder in Marokko versuchen, Fuß zu fassen, ist die Caritas an ihrer Seite.
Sie erleben aber immer wieder, dass die Migranten bis zu dreimal scheitern müssen, bevor sie von ihrem ursprünglichen Plan ablassen. Gemeinsam mit den in Marokko gestrandeten Menschen versucht die Caritas dann, wieder Perspektiven auf zu bauen.

Gut vorbereitet mit den Hintergründen und Informationen zu katholischer Kirche und Caritas, werden wir morgen Initiativen der Behindertenarbeit und Migranten-Selbsthilfeorganisationen kennenlernen.
Lesen Sie auch den Blog von Christine Decker, caritas international:

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Msgr. Vincent Landel, Erzbischof von Rabat

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Unsere Gruppe mit dem Erzbischof nach dem Gespräch

Caritas Marokko

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2. von links: Diözesan-Caritasdirektor von Rabat, Edouard Danjoy

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Ein Kommentar zu ““In der Migration braucht man keine Reden, man braucht Arme und Herzen für die Menschen”

  1. In Marokko gibt es keine Meinungsfreiheit. Ich finde das kann man zwischen den Zeilen lesen. Der König hat immer recht!

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