“Das Therapiezentrum ist für mich das Boot …”

Ein erheblicher Anteil der in Deutschland schutzsuchenden Geflüchteten (30-40%) leidet aufgrund von Gewalterfahrungen, Folter und Verfolgung im Heimatland und auf der Flucht unter psychischen Belastungsfolgen.  Für diese Menschen, sind die Psychosozialen Zentren die einzige Zugangsmöglichkeit zu dringend notwendiger Beratung und Behandlung. Sie fördern den Erhalt demokratischer Grundwerte und die Wahrung der Menschenrechte!

Anlässlich des Welt-Flüchtlingstags haben wir uns in unserem Caritas-Therapiezentrum für Menschen nach Folter und Flucht mal umgehört und Stimmen unserer Kolleg*innen eingefangen:

>>

Für mich gehört das Therapiezentrum zu den Orten, die entgegen aller politischen Entwicklungen versuchen, die Humanität gegenüber Menschen in schwerster Not zu erhalten. Ich glaube gesellschaftlich gibt es in Deutschland und Europa einen großen Widerwillen, all das Schreckliche, das Menschen erleben müssen und zu einer Flucht bewegt, wirklich anzuerkennen. Es ist für viele leichter, diese Menschen auszublenden, zu entmenschlichen und zu verteufeln. Es ist keine einfache Arbeit, diese Geschichten an sich heranzulassen, aber ich schätze sie, weil sie der Wahrheit ins Gesicht sieht anstatt sie gegen die Verletzlichsten unserer Gesellschaft zu wenden. Ich glaube an die Aussage von Maya Angelou: „The truth is, no one of us can be free until everybody is free.“

>> 

Das Therapiezentrum ist für mich das “Boot“, das Folter- und Flucht-Überlebende ans sichere Ufer bringen kann. Wie viele Menschen überleben Folter wie Flucht und schaffen es nach Deutschland; und gehen dann kaputt weil (zum Beispiel) das Therapiezentrum wegen mangelnder politischen und finanziellen Unterstützung nicht ausreichend helfen kann.

>>

Arbeit im CTZ ist praktische Menschenrechtsarbeit.

>>

  • Was ist das Therapiezentrum, was passiert dort?

Das Therapiezentrum ist als Psychosoziales Zentrum (PSZ) ein Ort, der als Brücke zur Gesellschaft beschrieben werden kann. Das Caritas-Therapiezentrum als Ort für Geflüchtete Menschen, an dem ein Ankommen möglich ist. An dem gemeinsam nach Türen in ein neues, sicheres Leben geschaut wird und Menschen Unterstützung dabei erfahren, sich diese vielfältigen, manchmal auch unzähligen Türen zu öffnen und hindurch zu gehen.

 

  • Was macht die Arbeit für Sie besonders? Wann erfüllt Sie ihr Job?

Wenn Klient:innen mir zurückmelden: „Sie haben mir meine Seele ein bisschen leichter gemacht.“, dann weiß ich, ich tue das Richtige.

 

  • Warum ist das Angebot für den gesellschaftlichen Frieden der Stadt so wichtig?

Menschen deren Seele zur Ruhe kommen kann, weil sie sich (vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben) in Sicherheit fühlen können und die einen Ort und Möglichkeiten finden, alte Belastungen zu lindern oder gar loszulassen werden ihren Weg in eine neue Zukunft gehen können. Eine Zukunft, in der sie sich mit anderen Menschen verbinden, statt sich allein und unsicher zu fühlen. Diese Verbundenheit mit dem Leben und mit den Menschen schafft Begegnung und Perspektive und trägt zum gesellschaftlichen Frieden im Miteinander bei.

 

  • Was erleben sie in Ihrem Berufsalltag? Was war ihr schönstes Erlebnis? Gibt es eine besondere Erfolgsgeschichte?

Die Gemeinsamkeit und die Stärke eines mit den Klient*innen solidarischen, multiprofessionellen Teams und dessen menschenwürdiges Handeln. Die Kompetenz des CTZ-Teams auf allen Ebenen schafft eine belastbare und in dieser Kompetenz helfende Basis, um denjenigen, die alles verloren haben einen Ort zum Ankommen bereiten zu können und ihnen das Weitergehen zu ermöglichen.

 

  • Solidarität mit Geflüchteten Menschen, was kann jede*r einzelne dazu beitragen?

Sich einfach manchmal den Gedanken erlauben:

Was wäre eigentlich, wenn ich die Geflüchtete wäre? … mein Mann vor meinen Augen enthauptet …meine Tochter von Unbekannten verschleppt …mein Leben und meine Seele in Trümmern und mehr als den Schmerz und die kaputten Schuhe an meinen Füßen ist mir nicht geblieben. Würde ich Arme brauchen, in die ich vertrauensvoll sinken kann? … in deren Schutz ich mir das Weinen erlauben kann? … deren Hände mich halten und mir Sicherheit geben, wenn meine Überlebensschuld und verlorene Menschenwürde mich in die Knie zu zwingen drohen? …

Dieser Gedanke kann vielleicht helfen, dass wir als Gesellschaft menschlich bleiben, den Wert eines menschenwürdigen Handelns als hohes Gut in unseren Alltag integrieren und schließlich nicht vergessen, dass Menschenwürde keine Selbstverständlichkeit ist sondern unserer inneren Haltung entspringt.

 

Hintergruninformationen zu den Psychosozialen Zentren für Geflüchtete: 

Die PSZs in Deutschland leisten mit traumzentrierter/psychosozialer Beratung und Psychotherapie sowie der Weiterbildung von Fachkräften einen wesentlichen Beitrag zur Teilhabe und Integration Geflüchteter.

Multiprofessionelle Teams entlasten Behörden und das Aufnahmesystem. Sie stärken Geflüchtete in ihrer Lern- und Arbeitsfähigkeit und begleiten sie auf dem Weg in Schule, Ausbildung und Arbeit. Die Anbindung der Menschen an die Zentren ebnet Wege zur Integration, ermöglicht die Genesung von Menschen, die als Fachkräfte dringend gebraucht werden und baut eine Brücke zur Gesellschaft. Isolation, Ohnmachtserleben und resultierende potenzielle Krisen sowie Gefährdungen werden in den PSZs erkannt und frühzeitig abgewendet. Das Engagement der PSZs fördert auf diese Weise das gesellschaftliche Miteinander und trägt zur Sicherung des sozialen Friedens sowie zur Stärkung der Orientierung an demokratischen Grundwerten bei.

Ein erheblicher Anteil der in Deutschland schutzsuchenden Geflüchteten (30-40%) leidet aufgrund von Gewalterfahrungen, Folter und Verfolgung im Heimatland und auf der Flucht unter psychischen Belastungsfolgen. Postmigrationsstressoren tun ihr Übriges. Für diese Menschen, die kaum Chancen haben im gesundheitlichen Regelsystem anzukommen, sind die Psychosozialen Zentren die einzige Zugangsmöglichkeit zu dringend notwendiger Beratung und Behandlung. Die Identifikation besonderer Schutzbedarfe infolge psychischer Belastungen und die Bereitstellung adäquater Hilfen sind Konsens nach den EU-Aufnahmerichtlinien. Die PSZs in Deutschland setzen diese EU-Richtlinie kompetent und zuverlässig um. Diese Versorgungsstruktur müsste ausgebaut und nicht gekürzt werden.

Die Kürzungen Im Haushaltsentwurf 2025 für die PSZs in der Bundesrepublik Deutschland um 45,8% von 13,1 Mio. € im Jahr 2024 auf 7,1 Mio. € für das Jahr 2025 gefährden diese gesellschaftlich relevante Aufgabe erheblich und führen in der Konsequenz zum Scheitern von Integration und der Zunahme sozialer Konflikte.

Zusätzliche Informationen zu der Arbeit der PSZs in Deutschland und den Konsequenzen der Kürzungen finden Sie hier:

https://www.baff-zentren.org/aktuelles/bundeshaushalt_kuerzung_psz_2025/

2024-08-06_Fact_Sheet_PSZ_BAGFW_aktualisiert_nach_RE_und_mit_BAfF_Daten.pdf

 

NÄCHSTENLIEBE – drei Religionen, eine gemeinsame Haltung

Es ist jedes Mal sehr spannend, wenn sich im Klarissenkloster in Köln Kalk gläubige Kölner*innen aus Judentum, Christentum und Islam treffen und sich über Themen austauschen, die ihren Glauben betreffen!
Das passiert einmal im Monat und wird organisiert durch die drei Integrationsagenturen von Caritas Köln, jüdischer Synagogengemeinde und dem Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen.

Im Juli war „Nächstenliebe“ das Thema der interreligiösen Reihe.

Die Veranstalterinnen hatten mit etwa 25 Personen gerechnet, aber es kamen 40 Interessierte. Der Stuhlkreis füllte das Kirchenschiff des Klarissenklosters aus und hier saßen wir bunt durcheinander: Gläubige Menschen aus Judentum, Christentum und Islam.

Nach einer herzlichen Begrüßung stellten ein Jude, ein Christ und eine Muslima das jeweilige Verständnis von Nächstenliebe dar – jeweils anders und doch ganz nach beieinander. Im Ergebnis ist Nächstenliebe für uns alle die Glaubenshaltung, mit der wir den Menschen um uns herum begegnen wollen. Einig sind wir uns aber auch, dass das für uns alle im Alltag leichter gesagt als getan ist. Gleichzeitig kann unser jeweiliger Glaube uns die Kraft geben, Menschen in Liebe zu begegnen, bei denen es uns schwerfällt.  Gott liebt ja den Anderen und die Andere genauso wie mich.

Am Ende der Veranstaltung wird es auf einmal konkret: Eine Frau nimmt ihren Mut zusammen und stellt eine Frage. Als Christin spricht sie die muslimischen Frauen an, weil sie unsicher ist, wie sie ihnen begegnen soll. Die Reaktionen sind wohlwollend und der ehrliche Austausch in großer Runde hilfreich, auch für die die nicht gefragt haben.

Interreligiöser Dialog hat schon eine besondere Kraft. Man trifft sich in aller Unterschiedlichkeit, begegnet sich auf Augenhöhe und mit Neugierde und geht auseinander in Verbundenheit, als Menschen die Gott auf verschiedene Weise und doch gemeinsam suchen.

Auch hier sind wir wieder beim Jahresthema der Caritas: Friede beginnt bei mir

Wenn unsere Gesellschaft eines braucht, dann sind es solche interreligiösen Begegnungen. Also gerne vorbeikommen und auch andere mitbringen!

 

Die aktuellen Termine und Themen kann man auf der Startseite der Caritas Integrationsagenturen nachsehen.

Der nächste Termin ist der 11.09. 2024 – 16:00-19.30 Uhr im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln, Appellhofplatz 23-25

Uli Thomas | Aktion Neue Nachbarn/Köln

Ein bisschen Frieden…

Unser Kollege Tim Westerholt hat sein Büro im Caritas-Zentrum Kalk und leitet den Leistungsbereich Integration und Beratung. Hier erhalten geflüchtete Menschen, die in Deutschland ankommen, Unterstützung: Im Asylverfahren, beim Deutsch lernen, beim Arbeits-, Schul- und Kitaplätze finden, beim Wohnen und in vielen weiteren Bereichen der Integration… Deutschland kennt viele Gesetze und kann gerade am Anfang sehr kompliziert sein. Die Beratungsdienste der Caritas bieten direkte Hilfestellungen: das Beratungsangebot ist freiwillig, kostenlos und immer vertraulich. Tim Westerholt weiß, hinter jeder Flucht steckt ein individuelles Schicksal. So auch das von Farhad … 

Farhad U. ist 2021 aus Afghanistan geflohen. Als ehemaliger Mitarbeitender eines Subunternehmens, dass Transporte für die westlichen Militärs durchführte, blieb ihm nach deren überhasteten Rückzug und der folgenden Machtübernahme der Taliban nichts anderes übrig.

„Friede beginnt bei mir“, liest er an unserer Beratungstür und muss müde lächeln. Ich kann ihn verstehen. Wo liegt der soziale Frieden für Farhad? In den schlaflosen Nächten, voller Sorge um seine Kinder und Ehefrau, die papierlos und diskriminiert im afghanischen Nachbarland Iran leben müssen? In der Sorge, dass sein nun anderthalb Jahre andauerndes Asylverfahren vielleicht keinen guten Ausgang nehmen wird? In der Ohnmacht, nun bald drei Jahre der Lebenszeit seiner heute nicht mehr ganz so kleinen Kinder verpasst zu haben? Oder im gesellschaftlichen Druck, den er hier verspürt, weil er mitbekommen hat, dass Deutschland Geflüchteten verbieten möchte, Geld ins Ausland zu überweisen und Europa gleichzeitig seine Grenzzäune noch höher ziehen will und der deutsche Kanzler gleichzeitig davon spricht, Geflüchtete konsequent nach Afghanistan abschieben zu wollen?

Farhad erhält hier monatlich 204,00 Euro. Ja, seine Flüchtlingsunterkunft wird noch dazu finanziert und die Summe gilt als sein „persönlicher Bedarf“. 50,00 Euro überweist er hiervon jedoch monatlich an seine Familie. Weitere 50,00 Euro gehen an seinen Anwalt, der ihn im Asylverfahren unterstützt. Es bleiben ihm monatlich 104 Euro – für alles. Er redet mittlerweile nicht mehr gerne darüber, dass er seine Frau und Kinder unterstützt. Er hat das Gefühl, dies sei hier nicht gewünscht, ja, fast schon illegal.

Es gibt nur wenig friedliche Ufer auf dem sehr unruhigen Ozean von Farhads Gefühlswelt. Wenn es ihm gelingt, die Sorge um seine Familie beiseitezuschieben, so erinnern ihn die Frustration, von den NATO-Verbündeten im Stich gelassen worden zu sein, sowie die nicht verarbeiteten und traumatischen gewaltsamen Erlebnisse in Afghanistan wie an den europäischen Außengrenzen, an seine eigene innere Verwundung.

Und dennoch ist die Flüchtlingsberatung der Caritas für ihn ein Ort des seltenen Friedens.

Einer der wenigen Orte, an dem er nicht mehr misstrauisch sein muss, weil auch ihm dort nicht misstraut wird. Die inneren und äußeren Herausforderungen Farhads sind gewaltig und kaum nachzufühlen. Vielleicht sind es gerade die kleinen und wenigen Selbstverständlichkeiten, die ihn immer wieder die Beratung aufsuchen lassen: Eine zugewandte, menschliche Haltung, spürbare Parteilichkeit und unentgeltliche Hilfsbereitschaft, Empathie und ein unaufgeregtes Auffangen und Sortieren. Farhad hat begriffen, dass sozialarbeiterische Flüchtlingsberatung keine Gesetze verändern kann, keine nationalen Grenzen niederreißt und auch keine Gewähr für ein positives Asylverfahren bietet. Schön wär‘s. Aber sie ist eine Mitstreiterin und steht auf seiner Seite – nur deswegen kann sich Farhad hier öffnen. Es gibt keinen anderen Ort für ihn in Köln, wo das so ist.

Die Caritas Beratungsdienste für Eingewanderte und Geflüchtete stiften Frieden – auch denen gegenüber, die bereits in Deutschland leben. Mitten im Veedel, ob in Porz, Kalk, Meschenich, Chorweiler, also dort, wo Menschen mit Flucht- und Einwanderungsgeschichte oftmals als erstes landen, moderieren und vernetzen sie. Sie bringen Menschen in Kontakt fördern Verständnis füreinander und wirken so Hass und Ausgrenzung entgegen.

Und auch Farhad stiftet Frieden. Er hat wirklich gute Gründe für Wut und Verzweiflung und dennoch gibt es kaum jemanden, der sich mehr Frieden wünscht. Ein Viertel seines sehr geringen Einkommens fließt jeden Monat zu seiner Familie. Er versteht vieles nicht, was die Menschen heute über Geflüchtete sagen und trotzdem findet er immer noch, dass Deutschland ein gutes Land ist. Unsere Beratung hilft ein kleines bisschen dabei, dass er das auch morgen noch sagen kann. Eine humane Flüchtlingspolitik in Deutschland kann sie alleine nicht erzeugen. Dafür müssen wir alle zusammen sorgen.

Autor: Tim Westerholt

Die Lage ist ernst: Freie Wohlfahrtspflege in Gefahr

In den letzten Wochen hat der Deutsche Caritasverband auf verschiedenen Kanälen die Teilnahme an einer Umfrage der Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege (BAG FW) beworben.

Die Ergebnisse beschreiben, wie leider erwartbar, eine ernste Lage:

  1. Knapp zwei Drittel der Einrichtungen und Organisationen der Freien Wohlfahrtspflege mussten aufgrund finanzieller Schwierigkeiten in den vergangenen beiden Jahren ihre Angebote einschränken oder ganz einstellen.
  2. Mehr als drei Viertel der Befragten rechnen damit, ihre Angebote auch 2025 weiter zurückfahren zu müssen.
  3. Mehr als 70 Prozent der Einrichtungen und Organisation befürchten, dass sich die Reduzierung der Angebote negativ auf demokratisches Engagement vor Ort auswirken wird.

Zur Pressemitteilung :https://www.bagfw.de/veroeffentlichungen/pressemitteilungen/detail/angebote-von-wohlfahrtsverbaenden-mussten-vielfach-schon-eingeschraenkt-oder-ganz-eingestellt-werden

Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa äußert sich dazu wie folgt:

„Kitas und Sozialstationen, Schuldnerberatungsstellen und Familienzentren – mit diesen Angeboten spannt die Freie Wohlfahrtspflege im sozialen Nahraum ein Netz, das trägt. Es trägt Menschen, die von Schicksalsschlägen gebeutelt sind, die arm sind, krank oder einsam. Einsparungen in Stadt, Land und Bund reißen Löcher in dieses Netz. Da wo die Kürzungen digitale Angebote wie die Online-Beratung betreffen, werden neben der analogen Nachbarschaft auch virtuelle Begegnungsräume zerstört. Wir alle spüren, wie groß die Herausforderungen auf allen Ebenen – nicht nur im Bereich des Bundeshaushaltes  – sind. Gerade auch in den Landes- und Kommunalhaushalten werden Einsparungen vorgenommen. Umso wichtiger sind unsere gemeinsamen Anstrengungen. Im föderalen Staat gilt beides: die Schuldenlast entsteht auf allen Ebenen und die Sicherung der sozialen Infrastruktur ist ein Gemeinschaftsprojekt.“

Für Chancengerechtigkeit, Gleichstellung und Gleichbehandlung

Der Runde Tisch für Flüchtlingsfragen in Köln setzt sich für Chancengerechtigkeit, Gleichstellung und Gleichbehandlung von unterschiedlichen Flüchtlingsgruppen ein.

Er lehnt die Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber ab und führt folgende Bedenken an:

1. Jede*r Leistungsbezieher*in im Sozialsystem sollte über seine Leistungen frei verfügen können.

2. Zur freien Verfügbarkeit von Leistungen gehört, dass jede*r Leistungsbezieher* in überall bezahlen sowie Barzahlungen und Überweisungen tätigen kann.

3. Die Bezahlkarte bedeutet faktisch eine Entrechtung geflüchteter Menschen und schränkt deren Autonomie und soziale Teilhabe ein.

4. Das derzeit diskutierte Modell einer Bezahlkarte hat einen diskriminierenden Charakter und schafft nicht zu rechtfertigende Ungleichheiten zwischen unterschiedlichen Gruppen von Geflüchteten.

5. Unter der Maßgabe, dass die deutlich überwiegende Zahl der Geflüchteten in Köln bereits jetzt ein Girokonto hat, würde eine Einführung einer anders gearteten Bezahlkarte einen hohen zusätzlichen Aufwand in der Verwaltung erzeugen.

 

Zum Hintergrund: Seit 20 Jahren setzt sich der „Runde Tisch für Flüchtlingsfragen“ in Köln, bestehend aus Vertreter*innen der Kirchen, Ratsfraktionen, Stadtverwaltung, Wohlfahrtverbände und Initiativen im Flüchtlingsbereich, für eine menschengerechte kommunale Integrationspolitik ein. Ziel ist eine gemeinsame humane Aufnahme- und Integrationspolitik in Verwaltung, Politik und Kölner Stadtgesellschaft. Ein Positionspapier des Rundes Tisches für eine humane Integrationspolitik finden Sie hier.

Jahresempfang der Fachverbände “Frieden beginnt bei mir.”

Am  24. Mai haben der Caritasverband Köln und die Fachverbände IN VIA Köln, KJA Köln, Malteser Köln, SkF Köln und SKM Köln Vertreter*innen aus Politik und Verwaltung, Kirche und Stadtgesellschaft zum jährlichen Jahresempfang in den Garten der Religionen von IN VIA Köln (Stolzestr. 1a, 50674 Köln) eingeladen.

Wie wertvoll und wichtig die Arbeit der Caritas Köln und der Fachverbände ist und wie sie mit ihren zahlreichen Projekten und Angeboten Frieden stiften und soziale Gerechtigkeit schaffen, erläuterten Stadtdechant Msgr. Kleine, Andrea Redding als Vorstandssprecherin IN VIA Köln und Bürgermeister Dr. Ralf Heinen. Die Rede zum Schwerpunktthema hielt Vorstandssprecher der Caritas Köln Peter Krücker.

 

Sehr geehrter Monsignore Kleine, sehr geehrter Herr Bürgermeister Dr. Ralf Heinen, liebe Geschäftsführende und Vorstände der Caritas-Fachverbände, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste,

auch ich möchte Sie und Euch ganz herzlich zum diesjährigen Jahresempfang der Kölner Caritas und ihrer Fachverbände SKM, SkF, IN VIA, KJA und Malteser Hilfsdienst begrüßen.

Wir feiern unseren Jahresempfang auch dieses Jahr traditionell im Garten der Religionen. Das Streben nach Frieden steht im Zentrum aller Weltreligionen. Wir befinden uns also heute an einem ausdrücklich friedvollen Ort. „Frieden beginnt bei mir“ lautet auch die Botschaft der diesjährigen Jahreskampagne des Deutschen Caritasverbandes.

Beim Thema Frieden empfinde ich eine tiefe persönliche Verbundenheit. Die Arbeit für Frieden in der Gesellschaft und in der Welt ist für mich in meinem beruflichen und privaten Leben immer wegweisend gewesen: Ende der 1950er Jahre geboren, wurde ich vor allem durch die Friedensbewegung politisch sozialisiert. Den Wehrdienst habe ich aus fester Überzeugung verweigert und war zudem über Jahre ehrenamtlich als Berater und Beisitzer für Kriegsdienstverweigerer engagiert. Anstelle des Wehrdienstes habe ich Zivildienst – oder soll ich besser sagen Friedensdienst – an einer Schule für geistig Behinderte der Stadt Köln geleistet. Die positiven Erfahrungen meines zivilen Dienstes am Menschen waren entscheidend für meinen weiteren Lebensweg. Wollte ich nach meiner Ausbildung und dem Fachabitur ursprünglich noch Design studieren, so habe ich mich letztlich für ein Studium der Sozialen Arbeit entschieden. Ohne meine Friedensüberzeugung würde ich wahrscheinlich hier heute nicht stehen.

Frieden beginnt bei mir: Was tut die Caritas vor Ort für den Frieden?

Als Caritas teilen wir die Vorstellung einer offenen, demokratischen, rechtsstaatlichen und solidarischen Gesellschaft, in der jeder Mensch ein Recht auf ein menschenwürdiges Leben hat. Wir sehen unsere Aufgabe darin, den Menschen unabhängig von Herkunft, Status, Geschlecht, sexueller Identität, Alter, Leistung, Religion oder anderer Merkmale mit Liebe und Achtung zu begegnen. Immer und überall.

Damit positionieren wir uns ausdrücklich gegen alle populistischen, nationalistischen, rassistischen und anti-demokratischen Strömungen, die die Spaltung und Verunsicherung der Gesellschaft vorantreiben und das friedliche Zusammenleben gefährden.

Frieden wird aber auch in unserer täglichen Arbeit vor Ort in Köln erfahrbar: Nämlich dann, wenn wir Vorurteile überwinden, uns für demokratische Werte und Gerechtigkeit einsetzen, den Dialog mit Menschen suchen, ihnen Ängste nehmen und Brücken bauen. Wir zeigen auf, dass es auch für schwierige Problemlagen immer Lösungen gibt und dass diese Wege nicht darin bestehen, andere als Sündenbock zu verurteilen oder Hass zu schüren.

Mit unserer Arbeit sind wir nah bei den hilfesuchenden Menschen und ihren Nöten.

Wir können dabei helfen, dass soziale Problemlagen überwunden werden. Die Problemlagen im Kölner Stadtgebiet sind vielfältig, komplex und miteinander verschränkt. Im Verbund der Caritas und seiner Fachverbände sind wir in der Lage, diesen Herausforderungen mit sozialer Arbeit angemessen zu begegnen.

Ich möchte Ihnen ausgewählte Beispiele für unsere Zielgruppen und Tätigkeitsschwerpunkte vorstellen:

  • Beginnen wir mit dem SKM, der mit der Arche für Obdachlose in Mülheim eine komplett Spenden-finanzierte Pop-Up-Kontakt- und Beratungsstelle für arme Menschen betreibt. Die Arche ist ein Anlaufpunkt für wohnungslose Menschen – und zwar unabhängig von etwaiger Leistungsberechtigung – am Bergischen Ring in unmittelbarer Nähe zum Wiener Platz. Hier erhalten Menschen ein warmes Mittagessen, können duschen, eine Kleiderkammer nutzen und genießen kostenlose ärztliche Betreuung. Die Arche für Obdachlose befriedet damit auch aktiv das Umfeld am Wiener Platz.
  • Von Mülheim geht es in den Norden von Chorweiler: Bei dem Familienhaus in Chorweiler-Nord des SkF handelt es sich um ein niedrigschwellig zugängliches Angebot für Familien mitten im Sozialraum.

Im Mittelpunkt stehen Familien, die bei der Bewältigung von Erziehungsaufgaben gefördert werden. Familienhäuser zeichnen sich durch einen infrastrukturell angelegten Zugang zu unbürokratischen und frühzeitigen Unterstützungsangeboten aus. In diesem Umfeld treffen Kölner Familien aus unterschiedlichen Kulturen aufeinander, Eltern und Kinder erfahren lebensnahe Unterstützung. Das Lernen über- und voneinander und die Erfahrung von Unterstützung schaffen hier die Basis für ein friedvolles Miteinander. Innerhalb von Familien – aber auch darüber hinaus in unserer Gesamtgesellschaft!

  • Die Radstation von IN VIA. Hierüber wird Langzeitarbeitslosen die Möglichkeit geboten, wieder am Erwerbsleben teilzunehmen, ihrer Ausgrenzung wird aktiv begegnet. Zugleich wird durch die Angebote Fahrradparken, Fahrradverleih und Werkstatt ein Beitrag dazu geleistet, dass Köln fahrradfreundlicher und damit auch klimafreundlicher wird. Ganz gemäß dem Motto der letztjährigen Jahreskampagne der Caritas: „Für Klimaschutz, der allen nutzt!“. Ohne sozial gerechten Klimaschutz keine soziale Sicherheit und damit kein sozialer Frieden!
  • In den Jugendbüros der KJA wird arbeitslosen oder von Arbeitslosigkeit bedrohten jungen Menschen Unterstützung bei der Suche nach Ausbildung oder Arbeit geboten. Ziele ihrer Arbeit sind die schulische, persönliche und soziale Stabilisierung sowie die langfristige Eingliederung in Arbeit, Beruf und Gesellschaft. Es wird hier also der Grundstein dafür gelegt, ein Teil unserer Gesellschaft zu werden und zu bleiben. Sich selbst als Teil der Gesellschaft zu erleben, ist ein wichtiger Baustein für unser friedliches Zusammenleben!
  • Werfen wir einen Blick auf eine besondere Zielgruppe, die Gruppe von Menschen ohne Krankenversicherung. Komplett über Stiftungsgelder und Spenden finanziert übernimmt die MMM, also die „Malteser Medizin für Menschen ohne Krankenversicherung“, seit 19 Jahren in Köln die Betreuung dieser Zielgruppe. Jeder bekommt dort die medizinische Behandlung, die gebraucht wird. Unabhängig von Krankenversicherung oder Kosten.

Diese medizinische Grundversorgung unterstützt bei der Heilung von Krankheiten, begegnet Behinderungen und arbeitet aktiv an der Verwirklichung der Menschenwürde dieser Menschen. Allein im Jahr 2023 wurden dort insgesamt 2.387 Behandlungen durchgeführt.

  • In der Erziehungsberatung des Caritasverbands werden Familien begleitet und beraten, die ihre familiären Krisen nicht ohne Hilfe bewältigen können. Starke familiäre Konflikte vor allem in Bezug auf Eltern und ihre Kinder in Trennungssituationen werden bearbeitet, manchmal sogar gelöst, damit Kinder in Frieden aufwachsen können – auch wenn Eltern streiten.

Sie sehen: Unser Verbund trägt im gesamten Stadtgebiet in vielfältiger Weise zur Befriedung gesellschaftlicher Problemlagen und Herausforderungen bei. In unsicheren und verunsichernden Zeiten zeichnet uns dabei insbesondere Verlässlichkeit aus:

Wir stehen verlässlich an der Seite der Menschen in Not, wir bieten verlässliche und qualitativ hochwertige Strukturen und Angebote. Wir verhalten uns verlässlich fair gegenüber Kund*innen und Finanzierern unserer Arbeit.

Um weiterhin ein verlässlicher Partner sein und unseren Beitrag zum sozialen Frieden in Köln leisten zu können, benötigt es aber dringend eine gesicherte Finanzierung unserer Arbeit. Dafür setzen wir uns lautstark ein! Seit dem zweiten Halbjahr 2023 haben wir als Teil der Freien Wohlfahrt unsere Anliegen so laut und so konsequent wie nie auf die Straße gebracht – unter dem Motto „Köln bleib sozial“ bzw. „NRW bleib sozial“.

Zum Hintergrund: Wir haben mit tarif- und krisenbedingt drastisch gestiegenen Personal- und Sachkosten zu kämpfen, denen keine kostendeckende Refinanzierung der öffentlichen Hand gegenübersteht. Und es geht noch weiter: In Teilen sind die freien Träger von erfolgten oder geplanten Kürzungen der öffentlichen Hand betroffen. Wir fungieren damit als „Ausfallbürge“ der mauen Lage öffentlicher Kassen.

Im Oktober demonstrierten wir gemeinsam mit 25.000 Menschen vor dem Düsseldorfer Landtag. Im November standen an zwei Tagen die Räder in Kölner Einrichtungen der Freien Wohlfahrt still. Mit kreativen Aktionen und einer Demonstration mit über 8.000 Menschen haben wir auf die finanzielle Not unserer Dienste und Einrichtungen aufmerksam gemacht und demonstrierten gemeinsam mit Eltern und Klient*innen.

Klar ist: Die Angebote der freien Träger müssen weiterhin kostendeckend refinanziert werden, ansonsten drohen Schließungen auf breiter Ebene. Die Träger der freien Wohlfahrt haben keine Tresore, keine „Sparschweine“, um Finanzierungslücken zu schließen. Und es geht uns hier nicht um die Befriedigung von Eigeninteressen: Die Ungleichbehandlung öffentlicher und freier Träger gefährdet den sozialen Frieden und unser soziales System insgesamt und trägt damit zur Spaltung der Gesellschaft bei.

Ein Teilerfolg wie die Fortsetzung des sogenannten Strukturförderfonds in Köln konnte durch unser Engagement erzielt werden. Hierbei handelt es sich jedoch in der Tat nur um eine Teilkompensation unserer enormen Kostensteigerungen. Gerade bei der Aufstellung des kommunalen Doppelhaushalts 2025/2026 wird seitens des Kölner Rats nun darüber entschieden werden müssen, ob Köln eine soziale Stadt bleibt. Klar sollte dabei sein, dass die bereits defizitäre Refinanzierung keinen zusätzlichen Eigenanteil der freien Träger zulässt.

Über finanzielle Streitpunkte hinaus bietet die Caritas einen Raum, um sich aktiv für eine demokratische und friedvolle Gesellschaft einzusetzen. Ich möchte ein jüngeres Beispiel aus unserem sozialpolitischen und anwaltschaftlichem Engagement im Bereich der Asylpolitik vorbringen. Die Diskussion um die Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete.

Die Bezahlkarte ist eines der aktuellen Beispiele dafür, wie in einer aufgeheizten gesellschaftlichen Stimmung zweifelhafte Signale gesendet werden, die Ressentiments in der Bevölkerung weiter befeuern und den sozialen Frieden gefährden.

  • Mit dem Ziel der Abschreckung sollen Geflüchtete nicht mehr selbst bestimmen können, was und wo sie wieviel bezahlen wollen.
  • Die damit einhergehenden örtlichen und sachlichen Beschränkungen sind massive und diskriminierende Eingriffe in die Handlungsfreiheit und die Würde der Betroffenen.
  • Die Bezahlkarte basiert auf Beweggründen, die falsch und widerlegbar sind. Ein Beispiel: Eine Bezahlkarte wird Menschen in Bedrohungs- und Notsituationen nicht davon abhalten, nach Deutschland zu kommen. Menschen fliehen vor Krieg und Verfolgung in ihren Heimatländern und nicht wegen der deutschen Sozialleistungen.

Gemeinsam mit einem breiten Bündnis von Organisationen hat die Caritas vor diesem Hintergrund die Kölner Kampagne „Selbstbestimmung statt Bezahlkarte“ aufgesetzt. Uns ist viel daran gelegen, dass die Stadt Köln weiterhin an ihrem migrationsfreundlichen Klima arbeitet, von dem sie seit Jahren profitiert. Weil dieses Klima Integration schafft, ein Aufeinanderzugehen schafft, Frieden schafft.

Was ich an dieser Stelle verdeutlichen will: Mit unserem politischen Engagement senden wir als Caritas immer ein wichtiges Signal: Frieden beginnt immer bei uns selbst. Es liegt in unserer Hand. Der demokratische Weg wird von uns selbst gestaltet und täglich vorgelebt.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, dies ist heute meine letzte Rede im Rahmen des Caritas-Jahresempfangs. Es dürfte kein Geheimnis mehr sein, dass ich zum 30.09.2024 aus dem aktiven Dienst der Caritas ausscheide. Mein Nachfolger, Markus Peters, ist dank seiner sozialpolitischen Expertise und Erfahrung seit vielen Jahren bestens vertraut mit allen sozialen und sozialpolitischen Themen, die uns in Köln bewegen.

Ich wünsche ihm schon heute viel Erfolg und eine gute Hand in der weiteren Entwicklung der Caritas als erfolgreiche und friedensstiftende Wohlfahrtsorganisation.

Abschließend ein organisatorischer Hinweis zu unserer Fotoaktion. Sie haben sicherlich schon die Wäscheleine mit den Porträtfotos zur Jahreskampagne entdeckt. Falls sie vorab noch kein Foto erstellt haben, können Sie heute hier vor Ort eins von unserem Öffentlichkeitsarbeit-Team erstellen lassen. Am Ende der Veranstaltung können Sie Ihr Foto gerne mit nach Hause nehmen und an den Spiegel hängen. Zudem ist auch ein Spiegel mit dem Kampagnenaufkleber aufgestellt. Hier können Sie selbst ein Foto erstellen und in die Online-Plattform der Caritas hochladen. Beteiligen Sie sich gerne an dieser tollen Aktion!

Liebe Gäste, ich möchte mich bei Ihnen allen bedanken. Für ihre Zusammenarbeit mit der Caritas und ihren Fachverbänden. Und dafür, dass auch Sie – jede und jeder auf ihre bzw. seine Art – tagtäglich etwas dazu beitragen, das Zusammenleben in unserer Stadt friedvoll zu gestalten. Frieden beginnt bei mir, Frieden beginnt bei Dir, Frieden beginnt mit uns allen. Fangen wir‘s an und machen wir weiter…… 

Vielen herzlichen Dank!

Einen statt spalten

Caritas steht fest zur Demokratie: 
„Münsteraner Erklärung“ zum Tag des Grundgesetzes: Bekenntnis zu Pluralität, Dialog und Toleranz

Mit einer „Münsteraner Erklärung“ zum 75. Geburtstag des Grundgesetzes (23. Mai) ruft die Caritas in NRW zum Zusammenhalt der Gesellschaft und zu innerem Frieden als Grundlage für das Miteinander in einem offenen, demokratischen Staat auf: 

Die Caritas hat sich seit ihrer Gründung fest an den grundlegenden Menschenrechten orientiert: Wir stellen die Menschen in den Mittelpunkt. Unser Anliegen ist das Wohler-gehen aller Menschen in körperlicher, geistiger, seelischer und materieller Hinsicht. Wir sehen es als einen unserer zentralen Aufträge an, uns für Nächstenliebe, Demokratie, Respekt, Vielfalt und Toleranz einzusetzen und uns gegen rechtsextreme Tendenzen zu positionieren, die insbesondere für Ausgrenzung, Rassismus, Antisemitismus und einen völkischen Nationalismus stehen.
Als christliche Organisation bekennen wir uns zur Pluralität und Vielfalt als Stärke der Gesellschaft, respektieren unterschiedliche Meinungen, Überzeugungen und Lebens-weisen und fördern den Dialog und die Toleranz zwischen verschiedenen Kulturen, Religionen und Identitäten.

Schutz der Menschenwürde
Ein zentraler Wert, der unsere Arbeit prägt, ist der im Grundgesetz an erster Stelle be-nannte Schutz der Menschenwürde. Wir machen uns stark für die Einhaltung der Grundrechte, setzen uns für die Universalität persönlicher Freiheits- und Schutzrechte für alle Menschen ein. Dabei respektieren wir die Einzigartigkeit und den Wert eines je-den Menschen, unabhängig von der Herkunft,

dem sozialen Status oder den Lebens-umständen. Diese Anerkennung der Menschenwürde bildet die Grundlage für unseren Verband sowie unsere Aktivitäten und Programme, sei es in der Arbeit mit und für Kin-der, Jugendliche, alte Menschen, kranke Menschen, armutsbetroffene Menschen, Menschen mit Behinderung oder Geflüchtete.

Solidarität und soziale Gerechtigkeit
Ein weiterer essenzieller Wert ist die Solidarität. Als Caritas verstehen wir uns als Teil einer globalen Gemeinschaft, in der jedes Mitglied Verantwortung für das Wohl anderer trägt. Dies spiegelt sich auch im Engagement der zahlreichen Ehrenamtlichen wider, die uns in unserer Arbeit unterstützen und tragen. Solidarität bedeutet, dass wir uns ak-tiv für die Bedürfnisse anderer einsetzen, soziale Ungerechtigkeiten bekämpfen und da-ran arbeiten, die Lebensbedingungen für alle zu verbessern. Wir setzen uns dafür ein, dass das Existenzrecht Einzelner in der solidarischen Gesellschaft nicht von ihren kör-perlichen und geistigen Fähigkeiten oder ihrer Leistung abhängig ist. Alle Menschen sind wertvoll und haben Platz in der Gesellschaft, schutzbedürftigen Menschen muss der erforderliche Schutz gegeben werden.

Zusammenhalt der Gesellschaft
Wir machen uns stark für den Zusammenhalt der Gesellschaft und den inneren Frieden als Grundlage für das Miteinander in einem offenen, demokratischen Staat. Unser Ziel ist es, ein respektvolles und gewaltfreies Miteinander zu schaffen, in dem sich alle hier lebenden Menschen wohl und zugehörig fühlen. Daher engagieren wir uns für den Dia-log zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen, institutionellen und religiösen Gruppen. Dazu gehört auch die Integration von zugewanderten Menschen. Integration ist für uns nicht nur eine Aufgabe der hier ankommenden Menschen, auch die Ankom-mensgesellschaft muss mit Offenheit und Aufgeschlossenheit und der Schaffung von Räumen für alle Menschen ihren Teil dazu beitragen. Von einer möglichst schnellen und nachhaltigen Integration profitieren nicht nur die Menschen, die zu uns kommen, sondern die gesamte Gesellschaft.

Gerechtigkeit und Chancen

Großen Wert legen wir auch auf Gerechtigkeit und Fairness. Wir setzen uns dafür ein, dass jeder Mensch die gleichen Chancen und Möglichkeiten hat, sein volles Potenzial selbstbestimmt zu entfalten und den gleichen Zugang zu Bildung hat. Dies bedeutet, Ungleichheiten abzubauen, Barrieren zu überwinden und strukturelle Veränderungen anzustoßen, um eine gerechtere Gesellschaft zu schaffen.

Demokratie ist Fundament für Freiheit, Gleichheit und Partizipation
Neben diesen zentralen Werten stehen die demokratischen Grundwerte im Mittelpunkt unserer Arbeit. Als Organisation bekennen wir uns zur Demokratie als einem fundamentalen Prinzip der Freiheit, Gleichheit und Partizipation. Demokratie bedeutet für uns, dass alle Menschen das Recht haben, ihre Meinung frei zu äußern, an Entscheidungsprozessen teilzunehmen und ihre Interessen zu vertreten. Wir stärken demokratische Prinzipien in allen Bereichen unserer Arbeit, sei es in der internen Organisation, der Zusammenarbeit mit Parteien oder der Interaktion mit der Gesellschaft. Dies bedeutet, dass wir die Eigenkräfte der Menschen stärken, ihre Selbstständigkeit sowie Beteiligung fördern und uns gegenüber der Politik und Gesellschaft anwaltschaftlich für unsere Klientinnen und Klienten einsetzen.

Rechtsstaatlichkeit
Ein weiterer wichtiger Aspekt der demokratischen Grundwerte ist für uns die Achtung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten. Rechtsstaatlichkeit bedeutet für uns, das Recht des Staates zu respektieren. Gewalt ist kein zulässiges Mittel, um demokra-tisch legitimierte Entscheidungen zu stoppen oder rückgängig zu machen. Wir setzen uns dafür ein, dass die Rechte aller Menschen geschützt werden und stellen uns Diskriminierungen und Benachteiligungen entgegen. Das Recht auf Leben, Freiheit, Gleichheit

und Gerechtigkeit für alle ist für uns in der Caritas nicht verhandelbar.

Insgesamt setzen wir uns dafür ein, eine Welt zu schaffen, in der jeder Mensch in Würde leben kann, frei von Armut, Ungerechtigkeit und Ausgrenzung. Wir schätzen und stützen die Freiheiten unserer Demokratie, insbesondere die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit. Durch unsere tägliche Arbeit und unser Engagement tragen wir als Caritas dazu bei, diese Vision zu verwirklichen.
Als Caritas sind wir mit unserem Engagement nicht allein. Wir brauchen eine breite demokratische Mobilisierung, wir müssen stärker denn je als Demokratinnen und Demokraten zusammenstehen. Es kommt auf jeden Einzelnen an, sich in der Demokratie und für sie zu engagieren und die Welt zu einem besseren Ort für alle zu machen.

Münsteraner Erklärung zum 75. Geburtstag des Grundgesetzes: 23. Mai 2024

Herausgegeben von:
Caritasverband für das Bistum Aachen
Caritasverband für das Bistum Essen
Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln
Caritasverband für die Diözese Münster
Caritasverband für das Erzbistum Paderborn

 

People ON THE MOVE

Unser Kollege Uli Thomas arbeitet als Integrationsbeauftragter der “Aktion Neue Nachbarn”. In seinem Blog-Beitrag nimmt er uns mit zu der Ausstellung ON THE MOVE … 

Köln-Braunsfeld, Oskar-Jäger-Str/Ecke Gürtel. Ein ehemaliges Autohaus. Links geht es im Moment zur Banksy-Ausstellung. Geradeaus über den Parkplatz in den ehemaligen Verkaufsraum zur Ausstellung ON THE MOVE, im Rahmen des Sommerblutfestival 2024.

Beides ist Kunst, beides gesellschaftskritisch, beides sehenswert.

Bei ON THE MOVE ist Vernissage und viele Menschen sind gekommen.
Frei im Raum stehen große Metallgestelle, in welchen die Fotografien menschengroß auf Fahnenstoff gedruckt sind. In ehemaligen Büros im Hintergrund gibt es Audio- und Videoinstallationen.
Die großen Bilder beeindrucken – sie zeigen vor allem Menschen. Menschen, die dafür kämpfen zu leben und wie Menschen behandelt zu werden und für deren Würde kaum einer kämpft.

Die drei Fotografen der Ausstellung waren bei diesen Menschen.

Girogio Morra und János Buck sind mit Freunden in den Balkan gefahren, als sie gehört haben, was dort passiert. Wie schlimm Flüchtende behandelt werden, gedemütigt und über die Grenzen wieder aus der EU gepusht, oft ohne Schuhe und ohne Smartphone. In den ersten Jahren noch heimlich in der Nacht, mittlerweile offen und tagsüber. Man die Pushbacks sogar problemlos fotografieren, erzählen sie – illegale Pushbacks sind heute so normal, dass es (fast) niemanden in Europa mehr stört.

Abdul Saboor war auch dort, aber er kam aus Afghanistan. Selber auf der Flucht. Eine Engagierte bat ihn mit ihrer Kamera ein paar Fotos zu machen. Er hatte zum ersten Mal eine Kamera in der Hand. Die Fotos waren sehr gut. Die Frau überlässt ihm die Kamera mit den Worten: „Behalte sie so lange bis ich das nächste Mal wieder komme“. Abdul gibt die Kamera zurück „Ich hoffe, dass ich dann nicht mehr da bin …“
Er darf die Kamera trotzdem behalten. So wurde er zum Fotografen, arbeitet heute in Paris für Reuters als Pressefotograf und Journalist. Auch Abdul kam wieder zurück, machte Fotos, dokumentierte das Elend und versuchte zu helfen, zeigte Menschlichkeit.

Die Fotografen Giorgio Morra, Abdul Saboor und János Buck

Die drei Fotografen kennen sich gut und erzählen auf der Vernissage, warum sie als Aktivisten und Fotografen tätig sind: Es geht hier um Menschen – das Unrecht muss sichtbar gemacht werden – wir wollen, dass sich mehr Menschen in Europa für diese Menschen ON THE MOVE einsetzen …

Ebenfalls Engagierte der Balkanbrücke und vom Kölner Spendenkonvoi erzählen von ihrer Motivation und ihren Eindrücken.
Neben den Bildern hängen Exemplare der Broschüre `8 Jahre nach dem „MARCH OF HOPE“ – Geschichten von und Perspektiven auf der `Balkanroute´
Geschichten und Perspektiven die berühren, ebenso wie die Bilder, Videos und O-Töne der Ausstellung.

Die Ausstellung geht noch bis zum 19. Mai. Ich kann sie nur empfehlen.

Uli Thomas | Aktion Neue Nachbarn/Köln

 

 

Öffnungszeiten:

Mittwoch bis Freitag 16:00 – 20:00 Uhr
Samstag bis Sonntag und Feiertage 13:00 – 20:00 Uhr

Alle Infos zur Ausstellung gibt es hier

 

Links:

ON THE MOVE – Trailer (youtube.com)

Balkanbrücke (balkanbruecke.org)

Über uns – Kölner Spendenkonvoi (koelner-spendenkonvoi.de)

 

Fotograf: Nathan Dreessen

 

Gekommen, um zu bleiben

SuppenkücheLudger Hengefeld ist Leiter der Stabsabteilung Engagement und Zivilgesellschaft

Ludger Hengefeld ist Leiter der Stabsabteilung Engagement und Zivilgesellschaft

Lebensmittelausgaben entwickeln sich zum festen Bestandteil unseres sozialen Sicherungssystems

Die Angebotspalette der verschiedenen Lebensmittelausgaben in Deutschland ist vielfältig. Es gibt große Suppenküchen, die täglich mehrere hundert warme Mahlzeiten zubereiten, es gibt Verteilerzentren von Lebensmittelpaketen in Größenordnungen von mehreren tausend Paketen pro Monat, es gibt Ausgabestellen für Lebensmittelgutscheine und viele andere Formen der Unterstützung.
Trotz der Unterschiedlichkeit ihrer Ausformung haben die meisten einige Gemeinsamkeiten vorzuweisen. Sie haben häufig klein angefangen, sie wachsen und entwickeln sich in ihrem Wirkungsraum zu zentralen Anlaufstellen für Menschen mit verschiedenen Hilfebedarfen. Genau hier liegt ein Kernproblem der Lebensmittelausgaben. Weiterlesen

Zahlen, Daten, Menschen! Wie gut ist unser Krankenversicherungssystem?

Arzt misst bei Patient BlutdruckDas Glas ist ziemlich voll, würde unser amtierender Gesundheitsminister Jens Spahn voller Optimismus wahrscheinlich sagen. Und wirklich: 80 Millionen Menschen in Deutschland sind über eine private oder gesetzliche Krankenversicherung gesundheitlich mehr oder minder zufriedenstellend versorgt. Und den gesetzlichen Kassen geht es gut – 2017 erzielten sie einen Überschuss von rund drei Milliarden Euro, ihr Zuschuss wuchs damit auf über 28 Milliarden.

Und doch ist es wie so oft eine Frage der Perspektive, denn auch das gehört zur Wahrheit: Die ehrenamtlichen Sprechstunden von Ärzt_innen in Köln, in denen Menschen ohne Krankenversicherungsschutz behandelt werden, sind ebenso voll, wie die Behandlungszimmer der Malteser Migranten Medizin oder des Gesundheitsamtes. Zu ihren Patient_innen gehören Erwerbstätige ebenso wie Kinder, alte wie junge Menschen, hier geborene sowie Eingewanderte. Die Zahl der Versicherten zu benennen ist ein leichtes, Zahlen zu den Nicht-Versicherten sind immer unscharf. Rund 80.000 Menschen ohne Krankenversicherung, sagt das statistische Bundesamt – ohne Aufschluss über die Zahl der Menschen ohne Aufenthaltspapiere, der abgelehnten Asylbewerber oder der eingewanderten EU-Bürger_innen zu geben. Wer sich hierzu ein wenig in die Recherche begibt, findet unterschiedlichste Zahlen: Mal sind es 100.000 Menschen alleine in Berlin, dann doch nur „rund“ 100.000 Personen in ganz Deutschland, dann insgesamt wieder rund 800.000 bundesweit. Die Informationen schwanken zumeist je nach politischer Färbung und Absicht. Weiterlesen