60 Jahre Casa Italia: Gelebte Vielfalt, gewachsene Identität

„Noch immer in den Kinderschuhen“ – und doch unverzichtbarer Bestandteil einer diversen Stadtgesellschaft:

Die bilinguale Kindertagesstätte Casa Italia feiert ihr 60-jähriges Bestehen – ein Jubiläum, das weit mehr ist als nur ein Blick zurück. Es ist ein Anlass, eine Institution zu würdigen, die seit sechs Jahrzehnten Brücken baut: zwischen Sprachen, zwischen Kulturen, zwischen Vergangenheit und Zukunft.

Über 2000 Kinder haben in der Casa Italia ihre ersten Schritte in eine Gesellschaft gemacht, die selbst im Wandel war – und es bis heute ist. Was 1965 als Unterstützung für Kinder italienischer Gastarbeiter*innen begann, ist heute ein lebendiges Modell für pädagogische Konzepte im Zeichen der postmigrantischen Gesellschaft. Denn Casa Italia hat sich nicht nur weiterentwickelt – sie ist ihrer Grundhaltung treu geblieben: Vielfalt ist kein Defizit, sondern ein Versprechen.

Gegründet vom Caritasverband Köln und getragen vom St. Elisabeth-Jugendheim e.V., reagierte die Einrichtung früh auf die sozialen Herausforderungen von Migration, Arbeitsmigration und Wohnraummangel. Die Entscheidung, 1980 auf ein bilinguales Konzept umzustellen, war mehr als eine didaktische Strategie – sie war ein Bekenntnis zur Anerkennung von Herkunft, Sprache und kultureller Prägung.

Diese Haltung – damals innovativ, heute hochaktuell – entspricht in vielerlei Hinsicht den Grundgedanken postmigrantischer Theorien, wie sie etwa von Naika Foroutan oder Mark Terkessidis formuliert wurden. In der Casa Italia wird täglich erfahrbar, dass gesellschaftliche Teilhabe nicht erst mit der „Anpassung“ beginnt, sondern mit Anerkennung. Es geht nicht um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch: Kinder lernen hier, sich in mehreren kulturellen und sprachlichen Räumen gleichzeitig zu bewegen – ohne ihre Identität aufgeben zu müssen.

Sprache als soziale Praxis – nicht als Hürde

Die Einrichtung folgt dem Prinzip „Eine Sprache – eine Person“, das wissenschaftlich belegt wurde, unter anderem in einer Evaluation der Universität zu Köln. Dieses Modell erlaubt es Kindern, beide Sprachen – Deutsch und Italienisch – auf natürliche Weise im Alltag zu erleben, ohne sie gegeneinander ausspielen zu müssen. Der authentische Sprachkontakt ist dabei nicht Selbstzweck, sondern Mittel zur Förderung von Selbstbewusstsein, Zugehörigkeit und Ausdrucksfähigkeit. Sprache wird nicht als Barriere verstanden, sondern als Medium der Weltaneignung.

Eine deutsch-italienische Brücke in einer pluralen Gesellschaft

Trotz der Öffnung gegenüber Kindern aus vielen Nationen ist die Casa Italia bis heute ein Ort geblieben, an dem die deutsch-italienische Kulturbeziehung bewusst gepflegt wird. Hier lebt die Erinnerung an eine erste große Einwanderungsgeschichte in der Bundesrepublik, an die Lebensrealitäten der sogenannten „Gastarbeitergeneration“ – nicht als museale Folklore, sondern als gelebtes Kulturerbe. Feste, Rituale, Literatur, Musik und das tägliche Miteinander tragen dazu bei, dass diese Brücke nicht nur erhalten bleibt, sondern immer wieder neu begangen wird – auch von Kindern, die selbst keine italienische Herkunft haben.

Gerade diese bewusste Balance zwischen Kontinuität und Öffnung macht die Casa Italia so besonders: Sie ist sowohl Lernort als auch Erinnerungsort, sowohl Kulturvermittlerin als auch Bildungsakteurin im Heute. In einer Stadt wie Köln – seit jeher geprägt durch Migration, Urbanität und Diversität – zeigt sich hier beispielhaft, wie pädagogische Institutionen gesellschaftlichen Wandel mitgestalten können, ohne dabei ihre Identität zu verlieren.

Vielfalt ist Alltag – und Haltung

Heute ist die Kita ein Raum gelebter Inklusion: Kinder mit und ohne Migrationsgeschichte, mit und ohne Behinderung, unterschiedlicher Religionen und familiärer Hintergründe lernen und wachsen hier gemeinsam auf. Diese Vielfalt ist kein Zusatzprogramm, sondern Grundprinzip. Die Arbeit der Casa Italia basiert auf der Überzeugung, dass eine solidarische Gesellschaft dort beginnt, wo jedes Kind so angenommen wird, wie es ist – mit all seinen Sprachen, Geschichten und Perspektiven.

Wenn wir auf sechs Jahrzehnte Casa Italia zurückblicken, dann sehen wir nicht nur die Entwicklung einer Einrichtung, sondern ein Stück gelebter Stadtgeschichte. Wir sehen, wie Bildungsorte zur sozialen Infrastruktur werden, wie pädagogische Praxis gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht – und wie aus einem Kita-Konzept ein Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit wird.

In einer Zeit, in der sprachliche und kulturelle Vielfalt politisch wieder vermehrt infrage gestellt wird, setzt die Casa Italia ein Zeichen: für Offenheit, für Respekt – und für die tiefe Überzeugung, dass Sprache nicht trennt, sondern verbindet.

 

Autoren: Maria Lamaina und Guido Geiss

 

 

Zum Tod von Papst Franziskus

Anlässlich des Todes von Papst Franziskus teilt die Caritas Köln ihre Gedanken in einem persönlichen Nachruf. Verfasst wurde er von Dr. Tim Schlotmann, Leiter des Stabsbereichs Seelsorge und Christliche Identität – ein Rückblick auf ein Pontifikat, das die Kirche verändert hat und uns als Caritas tief geprägt hat:

Er war in vielfacher Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung. Schon zu Beginn seines Dienstes wollten die Überraschungen nicht enden. Am Ende war er auch ein gutes Stück ausgezehrt. Und manche hätten wohl mehr von ihm erwartet. Für uns als Caritas aber war dieser Papst eine Art Patenonkel. Unsere Themen waren seine Themen. So viel Rückenwind von höchster Stelle hatte man nicht gekannt. Einen Papst mit einer solchen Street Credibility hat es vielleicht seit Petrus nicht mehr gegeben. Genau deshalb ist es nur verständlich, dass in diesen Tagen viele Menschen um Jorge Mario Bergoglio, den ersten Papst aus Argentinien, trauern. Am Ostermontag – vielleicht müsste man sagen: ausgerechnet an diesem Ostermontag – ist Papst Franziskus im Alter von 88 Jahren gestorben.

 

Bis zum letzten Atemzug hat er sich im Dienst verausgabt. Auch an diesem Ostern 2025 wollte er einer zerrütteten und von vielen kriegerischen Auseinandersetzungen gezeichneten Welt noch einmal seine Osterbotschaft mit auf den Weg geben. Vielleicht war dieses Osterfest auch noch sein letztes Ziel, nach einem wochenlangen Aufenthalt in der römischen Gemelli-Klinik. Wer ihn zuletzt sah, konnte ahnen, dass er nicht mehr ganz der Alte werden würde, der kraftstrotzende lächelnde Mann in weiß, der auf der Piazza di San Pietro die Kinder segnet und niemandes Nähe scheut. Die Tatsache, dass er sich zuletzt noch ein paar Mal im Rollstuhl (und in zivil) in den Petersdom fahren ließ, sagt dabei eine Menge über ihn aus. Bis zuletzt hat er sich unter den Menschen, den einfachen Menschen am wohlsten gefühlt. Er wollte weder vergeistigt über den Menschen schweben noch seine Kirche aus der sicheren Distanz des pompösen Apostolischen Palastes regieren. Schon nach seiner Wahl blieb er im Gästehaus wohnen, setzte sich beim Abendessen unter die Bediensteten, scherzte mit ihnen, hörte sich die Sorgen an. Wenn es ihm nötig erschien, griff Papst Franziskus spontan zum Telefon, rief Menschen zuhause an oder ließ sich auch schon einmal in eine italienische Live-Sendung zuschalten. Franziskus lebte das, was unmöglich erschien: Als Papst Seelsorger zu bleiben, den Machtapparat der Katholischen Kirche zu führen wie ein Dorfpfarrer seine kleine Gemeinde.

Im Hinblick auf vielerorts so sehnlichst erwartete Reformen ist manches auf der Strecke geblieben. In der Zerrissenheit weltkirchlicher Grabenkämpfe wollte er nicht allzu viel riskieren. So entstand zuweilen der Eindruck einer widersprüchlichen Persönlichkeit, den er durch manchmal allzu leicht daher gesagte Floskeln in existenziellen Themen noch verstärken sollte.

Doch eines kann man nicht leugnen: Er hat an den Mauern einer manchmal so verstaubten Institution gerüttelt. Er hat mit Traditionen und Gewohnheiten gebrochen. Er hat den zur Selbstgerechtigkeit neigenden Prälaten im Kirchenstaat den Spiegel vorgehalten. Vor allem aber: Er hat zentrale Themen, die in einer allzu sehr mit sich selbst beschäftigten Katholischen Kirche in Vergessenheit geraten waren, wieder ins Zentrum gerückt. Die Kirche von Papst Franziskus stand an der Seite der Bedrängten und Marginalisierten, der Obdachlosen und der Geflüchteten. Die Kirche von Papst Franziskus trat mutig, entschlossen und lautstark für den Klimaschutz und die Bewahrung der Schöpfung ein. Die Kirche von Papst Franziskus war eine dienende Kirche und mitten unter den Menschen, besonders den leidenden Menschen, hatte sie ihren vornehmlichen Platz. Die Kirche von Papst Franziskus war, ist und bleibt auch für uns als Caritas jene Kirche, die zu verwirklichen ist. Jetzt, da seine Stimme fehlen wird, braucht es womöglich noch stärker unseren besonderen Einsatz für diese zutiefst im Evangelium verankerten Anliegen.

Sicher wird schon in wenigen Tagen die bange Frage nach seiner Nachfolge die Schlagzeilen bestimmen. Zunächst aber dürfen wir uns verneigen, dürfen uns unseres gemeinsamen Anliegens für die Nächstenliebe vergewissern und im österlichen Glauben vielleicht schlicht sagen: Grazie, Papa Francesco!

Dr. Tim Schlotmann, Stab Seelsorge und Christliche Identität

 

Erasmus-Projektgruppe zu Gast in Köln

Drei Tage lang war die internationale Gruppe des Europäischen Ehrenamts-Projekt „Gemeinsam engagiert“ in Köln zu Besuch, um sich intensiv mit der Frage zu beschäftigen: Wie können wir Menschen, die unter besonderen Belastungen stehen, für gesellschaftliches Engagement gewinnen? Denn: Engagement fördert Teilhabe – und wenn sich Vielfalt im Ehrenamt abbildet, bereichert das unsere Gesellschaft.

Unsere Caritas Köln Kolleginnen Simone Streif und Anna Breuer-Wirges organisierten ein tolles Programm für die Teilnehmenden von Caritas Österreich, SKM, Caritas im Erzbistum Köln, KVW Bildung und EMJA Ostbelgien.

 

Tag 1 unseres Erasmus-Projekts: Engagement & Teilhabe für alle! 

Zu den Menschen, die wir gezielt ansprechen möchten, gehören z. B. Geflüchtete, Menschen mit Suchterfahrungen, psychischen oder körperlichen Einschränkungen. Doch wie schaffen wir Zugangshürden ab? Welche Rahmenbedingungen braucht es?

Inspiration fanden wir im Efa-Projekt des SKM, das Ehrenamt gezielt für belastete Menschen öffnet.  Anschließend besuchten wir das DeFlo in Nippes, ein Projekt für Menschen mit Brüchen und Suchterkrankung. Unter einem Dach befinden sich betreutes Wohnen, Beschäftigung in einer Schreinerei und als Angebot für das gesamte Veedl ein Café, ein Möbelhaus und ein Second-Hand-Shop. Ohne Ehrenamt wäre das nicht möglich!

Ein spannender, erkenntnisreicher Tag, der uns gezeigt hat: Engagement ist eine Brücke zur gesellschaftlichen Teilhabe!

Was es dafür braucht, ist eine ausreichende Finanzierung, um eine gute Begleitung der Ehrenamtlichen zu ermöglichen!

 

 Tag 2: Wie inklusiv ist unser Engagement? 

Heute haben wir den Blick nach innen gerichtet: Wie sehr öffnen wir als Organisationen unser Ehrenamt für Menschen mit besonderen Belastungen? Gemeinsam haben wir analysiert, diskutiert und Ideen entwickelt, um noch mehr Zugänge zu schaffen.

Besonders spannend war unser Besuch im sozialpsychiatrischen Zentrum der Caritas Köln, wo wir mit Ehrenamtlichen ins Gespräch kamen, die selbst psychische Herausforderungen meistern. Ihre Geschichten haben uns tief beeindruckt: Wenn das Ehrenamt zu ihnen passt, sind sie oft über Jahre mit Herz und Zuverlässigkeit dabei.

Sie sprachen alle davon,

– wie sehr das Engagement sie bereichert und

– wie wichtig es für sie ist, mit „normalen“ Menschen gemeinsam ehrenamtlich im Hühnerstall des SPZ, beim wöchentlichen Müllsammeln oder der Pflege des Bücherschranks in der Südstadt zusammen zu kommen.

 

 

 

 

 

 

Zum krönenden Abschluss gab es eine Stadtführung und ein gemütliches Beisammensein im Brauhaus. Denn zum vollen Köln-Erlebnis gehören natürlich auch Brauchtum & Kulinarik!

Wir nehmen aus diesen Tagen wertvolle Erkenntnisse mit: Ehrenamt braucht Offenheit – und Offenheit schafft neue Möglichkeiten!

Tag 3: Wie geht’s weiter?

Heute haben wir unseren Blick in die Zukunft gerichtet: Was machen wir aus den gesammelten Erfahrungen und Ideen zu inklusivem Engagement?

Ein zentrales Ziel unseres Erasmus-Projekts ist es, Eckpunkte für inklusives Engagement zu erarbeiten. Gemeinsam mit unseren Kolleg*innen vom DiCV und SKM werden wir die Ergebnisse des Workshops zunächst unseren Kooperationspartner*innen aus dem Austausch vorstellen und sie dann in unseren Einrichtungen mit Leben füllen.

Als perfekte Überleitung zum nächsten Themenschwerpunkt „Nachbarschaftshilfe“, den wir im Juni in Graz vertiefen werden, haben wir die Kölsch Hätz Nachbarschaftshilfen vorgestellt. Sie organisieren im Veedel Nachbarschaftshilfe, um gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen – ein wunderbares Beispiel dafür, wie Engagement Brücken baut.

In der abschließenden Feedbackrunde wurde übrigens unsere Geschäftsstelle als „schönster Tagungsort Kölns“ gelobt – und das fantastische Essen, mit dem uns die Ehrenfelder Hauswirtschaft und das Café Querbeet versorgt haben, ebenfalls. Ein herzliches Dankeschön dafür!

Unser Fazit: Aus den intensiven Diskussionen und Begegnungen ziehen wir viele wertvolle Impulse: Nur durch eine offene und inklusive Haltung kann gesellschaftliches Engagement nachhaltig gefördert werden. 

„5-Punkte-Plan“ – Das können wir so nicht stehen lassen

Die Union hat am 29.01.2025 im Bundestag mit Hilfe von Stimmen der AfD und FDP einen Antrag durchgesetzt, der die Bundesregierung zu einem umfassenden Kurswechsel in der Migrationspolitik auffordert. In einem Fünf-Punkte-Plan fordert sie unter anderem dauerhafte Grenzkontrollen, Zurückweisungen von Asylbewerber*innen und Haft für Ausreisepflichtige.

SPD und Grüne halten den Fünf-Punkte-Plan für verfassungswidrig und sehen in der Tatsache, dass Stimmen der AfD billigend für eine Mehrheit in Kauf genommen werden, einen Tabubruch.

Zu dieser Situation und dem Migrationsantrag wollen auch wir Stellung beziehen:

Markus Peters, Vorstand Caritas Köln: „Die Entscheidung zu umfassenden Zurückweisungen von Asyl- und damit Schutzsuchenden an den deutschen Grenzen erfüllt uns mit großer Sorge. Sie widerspricht den humanitären und christlichen Grundwerten und verfehlt unsere Verpflichtungen gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention. Betroffen von dieser Entscheidung sind überwiegend unschuldige Menschen, die in großer Not sind und unseren Schutz brauchen. Das Sicherheitsinteresse darf nicht automatisch alle Menschen, die zu uns kommen, unter kriminellen Generalverdacht stellen. Es braucht eine klare Differenzierung der Probleme und damit auch eine sinnvolle Differenzierung der Maßnahmen. Eine Gesellschaft, die auf Solidarität und Mitmenschlichkeit setzt, darf sich nicht von Angst und Abschottung leiten lassen, sondern muss gute Lösungen finden. Wir fordern ein klares Bekenntnis der demokratischen Mitte zu Humanität, auch am Freitag, wenn in der bindenden Abstimmung über den Gesetzesentwurf zum sogenannten ‚Zustrombegrenzungsgesetz’ entschieden wird.“
Tim Westerholt, Leiter des Geschäftsfeldes Integration der Caritas Köln: „Vorsorgehaftmaßnahmen, Abschiebungen und untersagter Familiennachzug für Bürgerkriegsflüchtlinge zerreißen Familien und gefährden die seelische Gesundheit insbesondere von Kindern und Jugendlichen. Dies widerspricht der Menschenwürde, dem Grundgesetz und europäischen Kindeswohlverpflichtungen. Und es führt unweigerlich zu weiteren Traumatisierungen bei den Betroffenen. Wir fordern, bei allen politischen Entscheidungen die Rechte und das Wohl aller Menschen, insbesondere von Kindern und Jugendlichen, an erste Stelle zu setzen.“

“Das Therapiezentrum ist für mich das Boot …”

Ein erheblicher Anteil der in Deutschland schutzsuchenden Geflüchteten (30-40%) leidet aufgrund von Gewalterfahrungen, Folter und Verfolgung im Heimatland und auf der Flucht unter psychischen Belastungsfolgen.  Für diese Menschen, sind die Psychosozialen Zentren die einzige Zugangsmöglichkeit zu dringend notwendiger Beratung und Behandlung. Sie fördern den Erhalt demokratischer Grundwerte und die Wahrung der Menschenrechte!

Anlässlich des Welt-Flüchtlingstags haben wir uns in unserem Caritas-Therapiezentrum für Menschen nach Folter und Flucht mal umgehört und Stimmen unserer Kolleg*innen eingefangen:

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Für mich gehört das Therapiezentrum zu den Orten, die entgegen aller politischen Entwicklungen versuchen, die Humanität gegenüber Menschen in schwerster Not zu erhalten. Ich glaube gesellschaftlich gibt es in Deutschland und Europa einen großen Widerwillen, all das Schreckliche, das Menschen erleben müssen und zu einer Flucht bewegt, wirklich anzuerkennen. Es ist für viele leichter, diese Menschen auszublenden, zu entmenschlichen und zu verteufeln. Es ist keine einfache Arbeit, diese Geschichten an sich heranzulassen, aber ich schätze sie, weil sie der Wahrheit ins Gesicht sieht anstatt sie gegen die Verletzlichsten unserer Gesellschaft zu wenden. Ich glaube an die Aussage von Maya Angelou: „The truth is, no one of us can be free until everybody is free.“

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Das Therapiezentrum ist für mich das “Boot“, das Folter- und Flucht-Überlebende ans sichere Ufer bringen kann. Wie viele Menschen überleben Folter wie Flucht und schaffen es nach Deutschland; und gehen dann kaputt weil (zum Beispiel) das Therapiezentrum wegen mangelnder politischen und finanziellen Unterstützung nicht ausreichend helfen kann.

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Arbeit im CTZ ist praktische Menschenrechtsarbeit.

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  • Was ist das Therapiezentrum, was passiert dort?

Das Therapiezentrum ist als Psychosoziales Zentrum (PSZ) ein Ort, der als Brücke zur Gesellschaft beschrieben werden kann. Das Caritas-Therapiezentrum als Ort für Geflüchtete Menschen, an dem ein Ankommen möglich ist. An dem gemeinsam nach Türen in ein neues, sicheres Leben geschaut wird und Menschen Unterstützung dabei erfahren, sich diese vielfältigen, manchmal auch unzähligen Türen zu öffnen und hindurch zu gehen.

 

  • Was macht die Arbeit für Sie besonders? Wann erfüllt Sie ihr Job?

Wenn Klient:innen mir zurückmelden: „Sie haben mir meine Seele ein bisschen leichter gemacht.“, dann weiß ich, ich tue das Richtige.

 

  • Warum ist das Angebot für den gesellschaftlichen Frieden der Stadt so wichtig?

Menschen deren Seele zur Ruhe kommen kann, weil sie sich (vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben) in Sicherheit fühlen können und die einen Ort und Möglichkeiten finden, alte Belastungen zu lindern oder gar loszulassen werden ihren Weg in eine neue Zukunft gehen können. Eine Zukunft, in der sie sich mit anderen Menschen verbinden, statt sich allein und unsicher zu fühlen. Diese Verbundenheit mit dem Leben und mit den Menschen schafft Begegnung und Perspektive und trägt zum gesellschaftlichen Frieden im Miteinander bei.

 

  • Was erleben sie in Ihrem Berufsalltag? Was war ihr schönstes Erlebnis? Gibt es eine besondere Erfolgsgeschichte?

Die Gemeinsamkeit und die Stärke eines mit den Klient*innen solidarischen, multiprofessionellen Teams und dessen menschenwürdiges Handeln. Die Kompetenz des CTZ-Teams auf allen Ebenen schafft eine belastbare und in dieser Kompetenz helfende Basis, um denjenigen, die alles verloren haben einen Ort zum Ankommen bereiten zu können und ihnen das Weitergehen zu ermöglichen.

 

  • Solidarität mit Geflüchteten Menschen, was kann jede*r einzelne dazu beitragen?

Sich einfach manchmal den Gedanken erlauben:

Was wäre eigentlich, wenn ich die Geflüchtete wäre? … mein Mann vor meinen Augen enthauptet …meine Tochter von Unbekannten verschleppt …mein Leben und meine Seele in Trümmern und mehr als den Schmerz und die kaputten Schuhe an meinen Füßen ist mir nicht geblieben. Würde ich Arme brauchen, in die ich vertrauensvoll sinken kann? … in deren Schutz ich mir das Weinen erlauben kann? … deren Hände mich halten und mir Sicherheit geben, wenn meine Überlebensschuld und verlorene Menschenwürde mich in die Knie zu zwingen drohen? …

Dieser Gedanke kann vielleicht helfen, dass wir als Gesellschaft menschlich bleiben, den Wert eines menschenwürdigen Handelns als hohes Gut in unseren Alltag integrieren und schließlich nicht vergessen, dass Menschenwürde keine Selbstverständlichkeit ist sondern unserer inneren Haltung entspringt.

 

Hintergruninformationen zu den Psychosozialen Zentren für Geflüchtete: 

Die PSZs in Deutschland leisten mit traumzentrierter/psychosozialer Beratung und Psychotherapie sowie der Weiterbildung von Fachkräften einen wesentlichen Beitrag zur Teilhabe und Integration Geflüchteter.

Multiprofessionelle Teams entlasten Behörden und das Aufnahmesystem. Sie stärken Geflüchtete in ihrer Lern- und Arbeitsfähigkeit und begleiten sie auf dem Weg in Schule, Ausbildung und Arbeit. Die Anbindung der Menschen an die Zentren ebnet Wege zur Integration, ermöglicht die Genesung von Menschen, die als Fachkräfte dringend gebraucht werden und baut eine Brücke zur Gesellschaft. Isolation, Ohnmachtserleben und resultierende potenzielle Krisen sowie Gefährdungen werden in den PSZs erkannt und frühzeitig abgewendet. Das Engagement der PSZs fördert auf diese Weise das gesellschaftliche Miteinander und trägt zur Sicherung des sozialen Friedens sowie zur Stärkung der Orientierung an demokratischen Grundwerten bei.

Ein erheblicher Anteil der in Deutschland schutzsuchenden Geflüchteten (30-40%) leidet aufgrund von Gewalterfahrungen, Folter und Verfolgung im Heimatland und auf der Flucht unter psychischen Belastungsfolgen. Postmigrationsstressoren tun ihr Übriges. Für diese Menschen, die kaum Chancen haben im gesundheitlichen Regelsystem anzukommen, sind die Psychosozialen Zentren die einzige Zugangsmöglichkeit zu dringend notwendiger Beratung und Behandlung. Die Identifikation besonderer Schutzbedarfe infolge psychischer Belastungen und die Bereitstellung adäquater Hilfen sind Konsens nach den EU-Aufnahmerichtlinien. Die PSZs in Deutschland setzen diese EU-Richtlinie kompetent und zuverlässig um. Diese Versorgungsstruktur müsste ausgebaut und nicht gekürzt werden.

Die Kürzungen Im Haushaltsentwurf 2025 für die PSZs in der Bundesrepublik Deutschland um 45,8% von 13,1 Mio. € im Jahr 2024 auf 7,1 Mio. € für das Jahr 2025 gefährden diese gesellschaftlich relevante Aufgabe erheblich und führen in der Konsequenz zum Scheitern von Integration und der Zunahme sozialer Konflikte.

Zusätzliche Informationen zu der Arbeit der PSZs in Deutschland und den Konsequenzen der Kürzungen finden Sie hier:

https://www.baff-zentren.org/aktuelles/bundeshaushalt_kuerzung_psz_2025/

2024-08-06_Fact_Sheet_PSZ_BAGFW_aktualisiert_nach_RE_und_mit_BAfF_Daten.pdf

 

NÄCHSTENLIEBE – drei Religionen, eine gemeinsame Haltung

Es ist jedes Mal sehr spannend, wenn sich im Klarissenkloster in Köln Kalk gläubige Kölner*innen aus Judentum, Christentum und Islam treffen und sich über Themen austauschen, die ihren Glauben betreffen!
Das passiert einmal im Monat und wird organisiert durch die drei Integrationsagenturen von Caritas Köln, jüdischer Synagogengemeinde und dem Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen.

Im Juli war „Nächstenliebe“ das Thema der interreligiösen Reihe.

Die Veranstalterinnen hatten mit etwa 25 Personen gerechnet, aber es kamen 40 Interessierte. Der Stuhlkreis füllte das Kirchenschiff des Klarissenklosters aus und hier saßen wir bunt durcheinander: Gläubige Menschen aus Judentum, Christentum und Islam.

Nach einer herzlichen Begrüßung stellten ein Jude, ein Christ und eine Muslima das jeweilige Verständnis von Nächstenliebe dar – jeweils anders und doch ganz nach beieinander. Im Ergebnis ist Nächstenliebe für uns alle die Glaubenshaltung, mit der wir den Menschen um uns herum begegnen wollen. Einig sind wir uns aber auch, dass das für uns alle im Alltag leichter gesagt als getan ist. Gleichzeitig kann unser jeweiliger Glaube uns die Kraft geben, Menschen in Liebe zu begegnen, bei denen es uns schwerfällt.  Gott liebt ja den Anderen und die Andere genauso wie mich.

Am Ende der Veranstaltung wird es auf einmal konkret: Eine Frau nimmt ihren Mut zusammen und stellt eine Frage. Als Christin spricht sie die muslimischen Frauen an, weil sie unsicher ist, wie sie ihnen begegnen soll. Die Reaktionen sind wohlwollend und der ehrliche Austausch in großer Runde hilfreich, auch für die die nicht gefragt haben.

Interreligiöser Dialog hat schon eine besondere Kraft. Man trifft sich in aller Unterschiedlichkeit, begegnet sich auf Augenhöhe und mit Neugierde und geht auseinander in Verbundenheit, als Menschen die Gott auf verschiedene Weise und doch gemeinsam suchen.

Auch hier sind wir wieder beim Jahresthema der Caritas: Friede beginnt bei mir

Wenn unsere Gesellschaft eines braucht, dann sind es solche interreligiösen Begegnungen. Also gerne vorbeikommen und auch andere mitbringen!

 

Die aktuellen Termine und Themen kann man auf der Startseite der Caritas Integrationsagenturen nachsehen.

Der nächste Termin ist der 11.09. 2024 – 16:00-19.30 Uhr im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln, Appellhofplatz 23-25

Uli Thomas | Aktion Neue Nachbarn/Köln

Ein bisschen Frieden…

Unser Kollege Tim Westerholt hat sein Büro im Caritas-Zentrum Kalk und leitet den Leistungsbereich Integration und Beratung. Hier erhalten geflüchtete Menschen, die in Deutschland ankommen, Unterstützung: Im Asylverfahren, beim Deutsch lernen, beim Arbeits-, Schul- und Kitaplätze finden, beim Wohnen und in vielen weiteren Bereichen der Integration… Deutschland kennt viele Gesetze und kann gerade am Anfang sehr kompliziert sein. Die Beratungsdienste der Caritas bieten direkte Hilfestellungen: das Beratungsangebot ist freiwillig, kostenlos und immer vertraulich. Tim Westerholt weiß, hinter jeder Flucht steckt ein individuelles Schicksal. So auch das von Farhad … 

Farhad U. ist 2021 aus Afghanistan geflohen. Als ehemaliger Mitarbeitender eines Subunternehmens, dass Transporte für die westlichen Militärs durchführte, blieb ihm nach deren überhasteten Rückzug und der folgenden Machtübernahme der Taliban nichts anderes übrig.

„Friede beginnt bei mir“, liest er an unserer Beratungstür und muss müde lächeln. Ich kann ihn verstehen. Wo liegt der soziale Frieden für Farhad? In den schlaflosen Nächten, voller Sorge um seine Kinder und Ehefrau, die papierlos und diskriminiert im afghanischen Nachbarland Iran leben müssen? In der Sorge, dass sein nun anderthalb Jahre andauerndes Asylverfahren vielleicht keinen guten Ausgang nehmen wird? In der Ohnmacht, nun bald drei Jahre der Lebenszeit seiner heute nicht mehr ganz so kleinen Kinder verpasst zu haben? Oder im gesellschaftlichen Druck, den er hier verspürt, weil er mitbekommen hat, dass Deutschland Geflüchteten verbieten möchte, Geld ins Ausland zu überweisen und Europa gleichzeitig seine Grenzzäune noch höher ziehen will und der deutsche Kanzler gleichzeitig davon spricht, Geflüchtete konsequent nach Afghanistan abschieben zu wollen?

Farhad erhält hier monatlich 204,00 Euro. Ja, seine Flüchtlingsunterkunft wird noch dazu finanziert und die Summe gilt als sein „persönlicher Bedarf“. 50,00 Euro überweist er hiervon jedoch monatlich an seine Familie. Weitere 50,00 Euro gehen an seinen Anwalt, der ihn im Asylverfahren unterstützt. Es bleiben ihm monatlich 104 Euro – für alles. Er redet mittlerweile nicht mehr gerne darüber, dass er seine Frau und Kinder unterstützt. Er hat das Gefühl, dies sei hier nicht gewünscht, ja, fast schon illegal.

Es gibt nur wenig friedliche Ufer auf dem sehr unruhigen Ozean von Farhads Gefühlswelt. Wenn es ihm gelingt, die Sorge um seine Familie beiseitezuschieben, so erinnern ihn die Frustration, von den NATO-Verbündeten im Stich gelassen worden zu sein, sowie die nicht verarbeiteten und traumatischen gewaltsamen Erlebnisse in Afghanistan wie an den europäischen Außengrenzen, an seine eigene innere Verwundung.

Und dennoch ist die Flüchtlingsberatung der Caritas für ihn ein Ort des seltenen Friedens.

Einer der wenigen Orte, an dem er nicht mehr misstrauisch sein muss, weil auch ihm dort nicht misstraut wird. Die inneren und äußeren Herausforderungen Farhads sind gewaltig und kaum nachzufühlen. Vielleicht sind es gerade die kleinen und wenigen Selbstverständlichkeiten, die ihn immer wieder die Beratung aufsuchen lassen: Eine zugewandte, menschliche Haltung, spürbare Parteilichkeit und unentgeltliche Hilfsbereitschaft, Empathie und ein unaufgeregtes Auffangen und Sortieren. Farhad hat begriffen, dass sozialarbeiterische Flüchtlingsberatung keine Gesetze verändern kann, keine nationalen Grenzen niederreißt und auch keine Gewähr für ein positives Asylverfahren bietet. Schön wär‘s. Aber sie ist eine Mitstreiterin und steht auf seiner Seite – nur deswegen kann sich Farhad hier öffnen. Es gibt keinen anderen Ort für ihn in Köln, wo das so ist.

Die Caritas Beratungsdienste für Eingewanderte und Geflüchtete stiften Frieden – auch denen gegenüber, die bereits in Deutschland leben. Mitten im Veedel, ob in Porz, Kalk, Meschenich, Chorweiler, also dort, wo Menschen mit Flucht- und Einwanderungsgeschichte oftmals als erstes landen, moderieren und vernetzen sie. Sie bringen Menschen in Kontakt fördern Verständnis füreinander und wirken so Hass und Ausgrenzung entgegen.

Und auch Farhad stiftet Frieden. Er hat wirklich gute Gründe für Wut und Verzweiflung und dennoch gibt es kaum jemanden, der sich mehr Frieden wünscht. Ein Viertel seines sehr geringen Einkommens fließt jeden Monat zu seiner Familie. Er versteht vieles nicht, was die Menschen heute über Geflüchtete sagen und trotzdem findet er immer noch, dass Deutschland ein gutes Land ist. Unsere Beratung hilft ein kleines bisschen dabei, dass er das auch morgen noch sagen kann. Eine humane Flüchtlingspolitik in Deutschland kann sie alleine nicht erzeugen. Dafür müssen wir alle zusammen sorgen.

Autor: Tim Westerholt

Die Lage ist ernst: Freie Wohlfahrtspflege in Gefahr

In den letzten Wochen hat der Deutsche Caritasverband auf verschiedenen Kanälen die Teilnahme an einer Umfrage der Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege (BAG FW) beworben.

Die Ergebnisse beschreiben, wie leider erwartbar, eine ernste Lage:

  1. Knapp zwei Drittel der Einrichtungen und Organisationen der Freien Wohlfahrtspflege mussten aufgrund finanzieller Schwierigkeiten in den vergangenen beiden Jahren ihre Angebote einschränken oder ganz einstellen.
  2. Mehr als drei Viertel der Befragten rechnen damit, ihre Angebote auch 2025 weiter zurückfahren zu müssen.
  3. Mehr als 70 Prozent der Einrichtungen und Organisation befürchten, dass sich die Reduzierung der Angebote negativ auf demokratisches Engagement vor Ort auswirken wird.

Zur Pressemitteilung :https://www.bagfw.de/veroeffentlichungen/pressemitteilungen/detail/angebote-von-wohlfahrtsverbaenden-mussten-vielfach-schon-eingeschraenkt-oder-ganz-eingestellt-werden

Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa äußert sich dazu wie folgt:

„Kitas und Sozialstationen, Schuldnerberatungsstellen und Familienzentren – mit diesen Angeboten spannt die Freie Wohlfahrtspflege im sozialen Nahraum ein Netz, das trägt. Es trägt Menschen, die von Schicksalsschlägen gebeutelt sind, die arm sind, krank oder einsam. Einsparungen in Stadt, Land und Bund reißen Löcher in dieses Netz. Da wo die Kürzungen digitale Angebote wie die Online-Beratung betreffen, werden neben der analogen Nachbarschaft auch virtuelle Begegnungsräume zerstört. Wir alle spüren, wie groß die Herausforderungen auf allen Ebenen – nicht nur im Bereich des Bundeshaushaltes  – sind. Gerade auch in den Landes- und Kommunalhaushalten werden Einsparungen vorgenommen. Umso wichtiger sind unsere gemeinsamen Anstrengungen. Im föderalen Staat gilt beides: die Schuldenlast entsteht auf allen Ebenen und die Sicherung der sozialen Infrastruktur ist ein Gemeinschaftsprojekt.“

Für Chancengerechtigkeit, Gleichstellung und Gleichbehandlung

Der Runde Tisch für Flüchtlingsfragen in Köln setzt sich für Chancengerechtigkeit, Gleichstellung und Gleichbehandlung von unterschiedlichen Flüchtlingsgruppen ein.

Er lehnt die Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber ab und führt folgende Bedenken an:

1. Jede*r Leistungsbezieher*in im Sozialsystem sollte über seine Leistungen frei verfügen können.

2. Zur freien Verfügbarkeit von Leistungen gehört, dass jede*r Leistungsbezieher* in überall bezahlen sowie Barzahlungen und Überweisungen tätigen kann.

3. Die Bezahlkarte bedeutet faktisch eine Entrechtung geflüchteter Menschen und schränkt deren Autonomie und soziale Teilhabe ein.

4. Das derzeit diskutierte Modell einer Bezahlkarte hat einen diskriminierenden Charakter und schafft nicht zu rechtfertigende Ungleichheiten zwischen unterschiedlichen Gruppen von Geflüchteten.

5. Unter der Maßgabe, dass die deutlich überwiegende Zahl der Geflüchteten in Köln bereits jetzt ein Girokonto hat, würde eine Einführung einer anders gearteten Bezahlkarte einen hohen zusätzlichen Aufwand in der Verwaltung erzeugen.

 

Zum Hintergrund: Seit 20 Jahren setzt sich der „Runde Tisch für Flüchtlingsfragen“ in Köln, bestehend aus Vertreter*innen der Kirchen, Ratsfraktionen, Stadtverwaltung, Wohlfahrtverbände und Initiativen im Flüchtlingsbereich, für eine menschengerechte kommunale Integrationspolitik ein. Ziel ist eine gemeinsame humane Aufnahme- und Integrationspolitik in Verwaltung, Politik und Kölner Stadtgesellschaft. Ein Positionspapier des Rundes Tisches für eine humane Integrationspolitik finden Sie hier.

Jahresempfang der Fachverbände “Frieden beginnt bei mir.”

Am  24. Mai haben der Caritasverband Köln und die Fachverbände IN VIA Köln, KJA Köln, Malteser Köln, SkF Köln und SKM Köln Vertreter*innen aus Politik und Verwaltung, Kirche und Stadtgesellschaft zum jährlichen Jahresempfang in den Garten der Religionen von IN VIA Köln (Stolzestr. 1a, 50674 Köln) eingeladen.

Wie wertvoll und wichtig die Arbeit der Caritas Köln und der Fachverbände ist und wie sie mit ihren zahlreichen Projekten und Angeboten Frieden stiften und soziale Gerechtigkeit schaffen, erläuterten Stadtdechant Msgr. Kleine, Andrea Redding als Vorstandssprecherin IN VIA Köln und Bürgermeister Dr. Ralf Heinen. Die Rede zum Schwerpunktthema hielt Vorstandssprecher der Caritas Köln Peter Krücker.

 

Sehr geehrter Monsignore Kleine, sehr geehrter Herr Bürgermeister Dr. Ralf Heinen, liebe Geschäftsführende und Vorstände der Caritas-Fachverbände, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste,

auch ich möchte Sie und Euch ganz herzlich zum diesjährigen Jahresempfang der Kölner Caritas und ihrer Fachverbände SKM, SkF, IN VIA, KJA und Malteser Hilfsdienst begrüßen.

Wir feiern unseren Jahresempfang auch dieses Jahr traditionell im Garten der Religionen. Das Streben nach Frieden steht im Zentrum aller Weltreligionen. Wir befinden uns also heute an einem ausdrücklich friedvollen Ort. „Frieden beginnt bei mir“ lautet auch die Botschaft der diesjährigen Jahreskampagne des Deutschen Caritasverbandes.

Beim Thema Frieden empfinde ich eine tiefe persönliche Verbundenheit. Die Arbeit für Frieden in der Gesellschaft und in der Welt ist für mich in meinem beruflichen und privaten Leben immer wegweisend gewesen: Ende der 1950er Jahre geboren, wurde ich vor allem durch die Friedensbewegung politisch sozialisiert. Den Wehrdienst habe ich aus fester Überzeugung verweigert und war zudem über Jahre ehrenamtlich als Berater und Beisitzer für Kriegsdienstverweigerer engagiert. Anstelle des Wehrdienstes habe ich Zivildienst – oder soll ich besser sagen Friedensdienst – an einer Schule für geistig Behinderte der Stadt Köln geleistet. Die positiven Erfahrungen meines zivilen Dienstes am Menschen waren entscheidend für meinen weiteren Lebensweg. Wollte ich nach meiner Ausbildung und dem Fachabitur ursprünglich noch Design studieren, so habe ich mich letztlich für ein Studium der Sozialen Arbeit entschieden. Ohne meine Friedensüberzeugung würde ich wahrscheinlich hier heute nicht stehen.

Frieden beginnt bei mir: Was tut die Caritas vor Ort für den Frieden?

Als Caritas teilen wir die Vorstellung einer offenen, demokratischen, rechtsstaatlichen und solidarischen Gesellschaft, in der jeder Mensch ein Recht auf ein menschenwürdiges Leben hat. Wir sehen unsere Aufgabe darin, den Menschen unabhängig von Herkunft, Status, Geschlecht, sexueller Identität, Alter, Leistung, Religion oder anderer Merkmale mit Liebe und Achtung zu begegnen. Immer und überall.

Damit positionieren wir uns ausdrücklich gegen alle populistischen, nationalistischen, rassistischen und anti-demokratischen Strömungen, die die Spaltung und Verunsicherung der Gesellschaft vorantreiben und das friedliche Zusammenleben gefährden.

Frieden wird aber auch in unserer täglichen Arbeit vor Ort in Köln erfahrbar: Nämlich dann, wenn wir Vorurteile überwinden, uns für demokratische Werte und Gerechtigkeit einsetzen, den Dialog mit Menschen suchen, ihnen Ängste nehmen und Brücken bauen. Wir zeigen auf, dass es auch für schwierige Problemlagen immer Lösungen gibt und dass diese Wege nicht darin bestehen, andere als Sündenbock zu verurteilen oder Hass zu schüren.

Mit unserer Arbeit sind wir nah bei den hilfesuchenden Menschen und ihren Nöten.

Wir können dabei helfen, dass soziale Problemlagen überwunden werden. Die Problemlagen im Kölner Stadtgebiet sind vielfältig, komplex und miteinander verschränkt. Im Verbund der Caritas und seiner Fachverbände sind wir in der Lage, diesen Herausforderungen mit sozialer Arbeit angemessen zu begegnen.

Ich möchte Ihnen ausgewählte Beispiele für unsere Zielgruppen und Tätigkeitsschwerpunkte vorstellen:

  • Beginnen wir mit dem SKM, der mit der Arche für Obdachlose in Mülheim eine komplett Spenden-finanzierte Pop-Up-Kontakt- und Beratungsstelle für arme Menschen betreibt. Die Arche ist ein Anlaufpunkt für wohnungslose Menschen – und zwar unabhängig von etwaiger Leistungsberechtigung – am Bergischen Ring in unmittelbarer Nähe zum Wiener Platz. Hier erhalten Menschen ein warmes Mittagessen, können duschen, eine Kleiderkammer nutzen und genießen kostenlose ärztliche Betreuung. Die Arche für Obdachlose befriedet damit auch aktiv das Umfeld am Wiener Platz.
  • Von Mülheim geht es in den Norden von Chorweiler: Bei dem Familienhaus in Chorweiler-Nord des SkF handelt es sich um ein niedrigschwellig zugängliches Angebot für Familien mitten im Sozialraum.

Im Mittelpunkt stehen Familien, die bei der Bewältigung von Erziehungsaufgaben gefördert werden. Familienhäuser zeichnen sich durch einen infrastrukturell angelegten Zugang zu unbürokratischen und frühzeitigen Unterstützungsangeboten aus. In diesem Umfeld treffen Kölner Familien aus unterschiedlichen Kulturen aufeinander, Eltern und Kinder erfahren lebensnahe Unterstützung. Das Lernen über- und voneinander und die Erfahrung von Unterstützung schaffen hier die Basis für ein friedvolles Miteinander. Innerhalb von Familien – aber auch darüber hinaus in unserer Gesamtgesellschaft!

  • Die Radstation von IN VIA. Hierüber wird Langzeitarbeitslosen die Möglichkeit geboten, wieder am Erwerbsleben teilzunehmen, ihrer Ausgrenzung wird aktiv begegnet. Zugleich wird durch die Angebote Fahrradparken, Fahrradverleih und Werkstatt ein Beitrag dazu geleistet, dass Köln fahrradfreundlicher und damit auch klimafreundlicher wird. Ganz gemäß dem Motto der letztjährigen Jahreskampagne der Caritas: „Für Klimaschutz, der allen nutzt!“. Ohne sozial gerechten Klimaschutz keine soziale Sicherheit und damit kein sozialer Frieden!
  • In den Jugendbüros der KJA wird arbeitslosen oder von Arbeitslosigkeit bedrohten jungen Menschen Unterstützung bei der Suche nach Ausbildung oder Arbeit geboten. Ziele ihrer Arbeit sind die schulische, persönliche und soziale Stabilisierung sowie die langfristige Eingliederung in Arbeit, Beruf und Gesellschaft. Es wird hier also der Grundstein dafür gelegt, ein Teil unserer Gesellschaft zu werden und zu bleiben. Sich selbst als Teil der Gesellschaft zu erleben, ist ein wichtiger Baustein für unser friedliches Zusammenleben!
  • Werfen wir einen Blick auf eine besondere Zielgruppe, die Gruppe von Menschen ohne Krankenversicherung. Komplett über Stiftungsgelder und Spenden finanziert übernimmt die MMM, also die „Malteser Medizin für Menschen ohne Krankenversicherung“, seit 19 Jahren in Köln die Betreuung dieser Zielgruppe. Jeder bekommt dort die medizinische Behandlung, die gebraucht wird. Unabhängig von Krankenversicherung oder Kosten.

Diese medizinische Grundversorgung unterstützt bei der Heilung von Krankheiten, begegnet Behinderungen und arbeitet aktiv an der Verwirklichung der Menschenwürde dieser Menschen. Allein im Jahr 2023 wurden dort insgesamt 2.387 Behandlungen durchgeführt.

  • In der Erziehungsberatung des Caritasverbands werden Familien begleitet und beraten, die ihre familiären Krisen nicht ohne Hilfe bewältigen können. Starke familiäre Konflikte vor allem in Bezug auf Eltern und ihre Kinder in Trennungssituationen werden bearbeitet, manchmal sogar gelöst, damit Kinder in Frieden aufwachsen können – auch wenn Eltern streiten.

Sie sehen: Unser Verbund trägt im gesamten Stadtgebiet in vielfältiger Weise zur Befriedung gesellschaftlicher Problemlagen und Herausforderungen bei. In unsicheren und verunsichernden Zeiten zeichnet uns dabei insbesondere Verlässlichkeit aus:

Wir stehen verlässlich an der Seite der Menschen in Not, wir bieten verlässliche und qualitativ hochwertige Strukturen und Angebote. Wir verhalten uns verlässlich fair gegenüber Kund*innen und Finanzierern unserer Arbeit.

Um weiterhin ein verlässlicher Partner sein und unseren Beitrag zum sozialen Frieden in Köln leisten zu können, benötigt es aber dringend eine gesicherte Finanzierung unserer Arbeit. Dafür setzen wir uns lautstark ein! Seit dem zweiten Halbjahr 2023 haben wir als Teil der Freien Wohlfahrt unsere Anliegen so laut und so konsequent wie nie auf die Straße gebracht – unter dem Motto „Köln bleib sozial“ bzw. „NRW bleib sozial“.

Zum Hintergrund: Wir haben mit tarif- und krisenbedingt drastisch gestiegenen Personal- und Sachkosten zu kämpfen, denen keine kostendeckende Refinanzierung der öffentlichen Hand gegenübersteht. Und es geht noch weiter: In Teilen sind die freien Träger von erfolgten oder geplanten Kürzungen der öffentlichen Hand betroffen. Wir fungieren damit als „Ausfallbürge“ der mauen Lage öffentlicher Kassen.

Im Oktober demonstrierten wir gemeinsam mit 25.000 Menschen vor dem Düsseldorfer Landtag. Im November standen an zwei Tagen die Räder in Kölner Einrichtungen der Freien Wohlfahrt still. Mit kreativen Aktionen und einer Demonstration mit über 8.000 Menschen haben wir auf die finanzielle Not unserer Dienste und Einrichtungen aufmerksam gemacht und demonstrierten gemeinsam mit Eltern und Klient*innen.

Klar ist: Die Angebote der freien Träger müssen weiterhin kostendeckend refinanziert werden, ansonsten drohen Schließungen auf breiter Ebene. Die Träger der freien Wohlfahrt haben keine Tresore, keine „Sparschweine“, um Finanzierungslücken zu schließen. Und es geht uns hier nicht um die Befriedigung von Eigeninteressen: Die Ungleichbehandlung öffentlicher und freier Träger gefährdet den sozialen Frieden und unser soziales System insgesamt und trägt damit zur Spaltung der Gesellschaft bei.

Ein Teilerfolg wie die Fortsetzung des sogenannten Strukturförderfonds in Köln konnte durch unser Engagement erzielt werden. Hierbei handelt es sich jedoch in der Tat nur um eine Teilkompensation unserer enormen Kostensteigerungen. Gerade bei der Aufstellung des kommunalen Doppelhaushalts 2025/2026 wird seitens des Kölner Rats nun darüber entschieden werden müssen, ob Köln eine soziale Stadt bleibt. Klar sollte dabei sein, dass die bereits defizitäre Refinanzierung keinen zusätzlichen Eigenanteil der freien Träger zulässt.

Über finanzielle Streitpunkte hinaus bietet die Caritas einen Raum, um sich aktiv für eine demokratische und friedvolle Gesellschaft einzusetzen. Ich möchte ein jüngeres Beispiel aus unserem sozialpolitischen und anwaltschaftlichem Engagement im Bereich der Asylpolitik vorbringen. Die Diskussion um die Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete.

Die Bezahlkarte ist eines der aktuellen Beispiele dafür, wie in einer aufgeheizten gesellschaftlichen Stimmung zweifelhafte Signale gesendet werden, die Ressentiments in der Bevölkerung weiter befeuern und den sozialen Frieden gefährden.

  • Mit dem Ziel der Abschreckung sollen Geflüchtete nicht mehr selbst bestimmen können, was und wo sie wieviel bezahlen wollen.
  • Die damit einhergehenden örtlichen und sachlichen Beschränkungen sind massive und diskriminierende Eingriffe in die Handlungsfreiheit und die Würde der Betroffenen.
  • Die Bezahlkarte basiert auf Beweggründen, die falsch und widerlegbar sind. Ein Beispiel: Eine Bezahlkarte wird Menschen in Bedrohungs- und Notsituationen nicht davon abhalten, nach Deutschland zu kommen. Menschen fliehen vor Krieg und Verfolgung in ihren Heimatländern und nicht wegen der deutschen Sozialleistungen.

Gemeinsam mit einem breiten Bündnis von Organisationen hat die Caritas vor diesem Hintergrund die Kölner Kampagne „Selbstbestimmung statt Bezahlkarte“ aufgesetzt. Uns ist viel daran gelegen, dass die Stadt Köln weiterhin an ihrem migrationsfreundlichen Klima arbeitet, von dem sie seit Jahren profitiert. Weil dieses Klima Integration schafft, ein Aufeinanderzugehen schafft, Frieden schafft.

Was ich an dieser Stelle verdeutlichen will: Mit unserem politischen Engagement senden wir als Caritas immer ein wichtiges Signal: Frieden beginnt immer bei uns selbst. Es liegt in unserer Hand. Der demokratische Weg wird von uns selbst gestaltet und täglich vorgelebt.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, dies ist heute meine letzte Rede im Rahmen des Caritas-Jahresempfangs. Es dürfte kein Geheimnis mehr sein, dass ich zum 30.09.2024 aus dem aktiven Dienst der Caritas ausscheide. Mein Nachfolger, Markus Peters, ist dank seiner sozialpolitischen Expertise und Erfahrung seit vielen Jahren bestens vertraut mit allen sozialen und sozialpolitischen Themen, die uns in Köln bewegen.

Ich wünsche ihm schon heute viel Erfolg und eine gute Hand in der weiteren Entwicklung der Caritas als erfolgreiche und friedensstiftende Wohlfahrtsorganisation.

Abschließend ein organisatorischer Hinweis zu unserer Fotoaktion. Sie haben sicherlich schon die Wäscheleine mit den Porträtfotos zur Jahreskampagne entdeckt. Falls sie vorab noch kein Foto erstellt haben, können Sie heute hier vor Ort eins von unserem Öffentlichkeitsarbeit-Team erstellen lassen. Am Ende der Veranstaltung können Sie Ihr Foto gerne mit nach Hause nehmen und an den Spiegel hängen. Zudem ist auch ein Spiegel mit dem Kampagnenaufkleber aufgestellt. Hier können Sie selbst ein Foto erstellen und in die Online-Plattform der Caritas hochladen. Beteiligen Sie sich gerne an dieser tollen Aktion!

Liebe Gäste, ich möchte mich bei Ihnen allen bedanken. Für ihre Zusammenarbeit mit der Caritas und ihren Fachverbänden. Und dafür, dass auch Sie – jede und jeder auf ihre bzw. seine Art – tagtäglich etwas dazu beitragen, das Zusammenleben in unserer Stadt friedvoll zu gestalten. Frieden beginnt bei mir, Frieden beginnt bei Dir, Frieden beginnt mit uns allen. Fangen wir‘s an und machen wir weiter…… 

Vielen herzlichen Dank!