Andrea Hösch von der Caritas Deutschland hat unsere Kollegin interviewt, das ganze Gespräch finden Sie hier:
Schicksale statt Profite – sinnstiftende Arbeit für Menschen
Stefanie hat zwar keinen direkten Kontakt zu hilfsbedürftigen Menschen, dennoch fühlt sich die Assistentin des Caritasvorstands der Stadt Köln als Teil der großen Wohlfahrtsfamilie. Die 45-jährige Wahlkölnerin geht jeden Tag gerne zur Arbeit und genießt das kollegiale Miteinander
Ende November ging es heiß her in Köln. Ausnahmsweise nicht wegen Karneval, vielmehr galt es, eine gesellschaftliche Schieflage zu verhindern, die aufgrund von Kürzungen der öffentlichen Hand im sozialen Bereich drohte. Unter dem Motto „Köln bleib(t) sozial!“ machten alle sozialen Einrichtungen der Stadt für zwei Tage dicht. Weit über 8000 Mitarbeitende gingen auf die Straße und forderten die Übernahme der gestiegenen Kosten durch die Stadtverwaltung, ansonsten müssten einige Kitas, Pflegeheime oder auch Jugendeinrichtungen schließen – und zwar für immer. Diesen historischen Protest der Wohlfahrtsverbände in der Domstadt am Rhein hat Stefanie mit organisiert. „Friedensstiftende wie wir rufen nicht nur zu Solidarität auf, sondern müssen manchmal eben auch Widerstand organisieren“, sagt die 45-Jährige.

Soziales Engagement macht glücklich und zufrieden
Stefanie ist seit September 2022 Assistentin des Vorstands des Caritasverbands für die Stadt Köln. Zuvor hatte sie eine kaufmännische Ausbildung gemacht, als Quereinsteigerin lange in einer Rechtsanwalts- und später in einer Patentrechtskanzlei gearbeitet. Zahlen, Wirtschaft und Profite machten bis dato ihr berufliches Leben aus. Doch eines Tages entschied sie, eine Beschäftigung zu suchen, „die mir selber auch etwas gibt. Ich wollte endlich etwas Sinnstiftendes machen, eine Arbeit mit Menschen für Menschen“, erklärt die Wahlkölnerin, die im nahen Sauerland groß geworden ist. Sie liebt ihren neuen Job, das soziale Engagement und vor allem auch das nette Miteinander im Haus. „Ich gehe jeden Tag sehr gerne zur Arbeit, dieser sinnstiftende Beruf und die solidarische Atmosphäre bei uns macht mich glücklich und zufrieden“, sagt sie.
Gesicht zeigen für den Frieden
Zwar hat Stefanie keine direkten Berührungspunkte mit verschuldeten, süchtigen oder eingesperrten Menschen, mit vernachlässigten Kindern oder pflegebedürftigen Seniorinnen und Senioren, die allesamt von Caritas-Fachleuten betreut werden. Dennoch fühlt sie sich als Teil des Ganzen und war selbstverständlich bereit, für die Caritas-Friedenskampagne auf den bundesweit zu sehenden Plakaten ihr Gesicht zu zeigen.
Die Mittvierzigerin ist Ansprechpartnerin für alle Fragen, die die Leitungsebene betreffen. Sie ist viel im Haus unterwegs, kommuniziert mit allen Abteilungen und organisiert Dienstreisen, Mitarbeiterehrungen, Leitungskonferenzen sowie Vorstandssitzungen – und eben auch mal eine Demo oder an Weiberfastnacht einen Umtrunk in der Geschäftsstelle.
Mit der Caritas verbindet sie ein persönlicher Schicksalsschlag: Lange bevor Stefanie selbst in der Vorstandsetage anfing, hatte sie mit ihrer Tochter eine Caritas-Familienberatung besucht. Dem Mädchen war es damals sehr schlecht gegangen und die Caritas-Beraterin hatte die beiden noch mal zum Arzt geschickt: „Lassen Sie sich nicht abwimmeln!“, hatte die Beraterin vehement insistiert. „Ich bekomme heute noch, zehn Jahre später, eine Gänsehaut, wenn ich daran denke“, sagt Stefanie. „Meine Tochter wurde noch am selben Tag notoperiert, sie hatte einen Gehirntumor. Jetzt ist alles wieder gut. So gesehen, hat die Caritas meiner Tochter das Leben gerettet.“
Sich auf ein friedliches Miteinander besinnen
Dankbarkeit und Glück halten bis heute vor: „Ich brauche keinen Luxus oder materielle Dinge, um zufrieden zu sein. Für mich ist eine gesunde Familie das wichtigste im Leben“, sagt die 45-jährige Mutter. Sie sieht sich als offenen, kreativen Menschen, der gern auf andere zugeht. Nichts hasst sie so sehr wie Streit – „das kann ich ganz schlecht aushalten, deshalb bin ich sehr lösungsorientiert veranlagt“ – und Vorurteile. „Die Menschen sollten ihre Ängste und Vorverurteilungen beiseiteschieben, eher das Gute als das Schlechte sehen und sich auf das wirklich Wichtige besinnen: ein friedliches Miteinander“, sagt sie und fügt hinzu: „Frieden beginnt bei uns selbst, bei jedem einzelnen von uns. Jeder muss seinen Teil dazu beitragen.“ Vielleicht fühlt sich Stefanie auch deshalb gerade in Köln sehr wohl – unter zumeist freundlichen und zugewandten Rheinländerinnen und Rheinländern, die untereinander kaum Berührungsängste haben.






Die Angebote und Dienste der Caritas Köln werden durch kommunale, Landes- oder Bundesmittel finanziert. Bei allen drei Finanzierungsquellen zeigen sich momentan Entwicklungen, die die Träger sozialer Dienste vor enorme Herausforderungen stellen: Erhebliche Kürzungen in den Haushaltsplanungen 2024 auf Landes- und Bundesebene und eine nicht-auskömmliche Refinanzierung auf kommunaler Ebene. Und dies in Zeiten, in denen Träger extremen Mehrbelastungen durch tarifbedingte Personalkostenerhöhungen und inflations- und krisenbedingt stark gestiegene Sachkosten ausgesetzt sind!

Unsere Kollegin Emily Mlosch ist Projektmanagerin im Geschäftsfeld Teilhabe. Ihren Urlaub hat sie in Tansania verbracht und besuchte vor Ort eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Sie teilt mit uns ihre Erfahrungen, zieht Prallelen zur Arbeit hier vor Ort und regt zum Nachdenken an … 


Mit den von der Bundesregierung vorgesehenen Kürzungen werden Armut, soziale Ungleichheit und gesellschaftliche Konflikte auch in Köln weiter zunehmen. Der Runde Tisch für Integration lehnt dies entschieden ab. Die Wahrung der Schuldenbremse darf nicht auf Kosten des sozialen Friedens in unserer Stadt umgesetzt werden. Tim Westerholt, Leitung Leistungsbereich Integration und Beratung vertritt die Caritas Köln im „Kölner Runden Tisch für Integration e.V.“.



Weithin sichtbar wehen Regenbogenfahnen vor den Caritas-Altenzentren in Ehrenfeld und Rodenkirchen. In diesen zwei von insgesamt sieben Pflegeeinrichtungen in Köln legt die Caritas einen besonderen Schwerpunkt auf queere Pflege. „Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung ausgegrenzt wurden oder das nicht offen leben konnten, werden im Alter oft von schmerzhaften Erinnerungen eingeholt. In unseren Altenzentren leben viele queere Menschen. Die meisten scheuen sich aber immer noch, sich gegenüber Mitbewohner*innen zu offenbaren. Sie fürchten, erneut abgelehnt zu werden.“ sagt Ulrich Schwarz, Leiter Leistungsbereich Stationäre Pflege in der Caritas. Gemeinsam mit Kolleg*innen hat er einen Leitfaden „Queere Pflege im Alter“ (Link zum Nachlesen:
„Queere Menschen sollen bei uns in den Pflegeeinrichtungen einen sicheren Raum finden, in dem sie ohne Angst vor Diskriminierung ihr Leben gestalten und an der Gesellschaft teilhaben können.“ so Schwarz. „Und für alle in der Stadt sichtbar, haben wir uns für Menschenrechte und Vielfalt bei der diesjährigen CSD-Parade eingesetzt.“ 170 haupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende aus der Pflege, Angehörige und Bewohner*innen der Altenzentren sind mitgegangen.
Leonardo Martinez (89) Vorsitzender des Heimbeirats in St. Maternus begrüßt die „Queere Pflege“: „Die Regenbogenfahne, die Teilnahme am CSD, die Plakate zum Queeren Seniorenabend, all das hilft, dass sich die Menschen trauen und sich öffnen. Schließlich ist das hier ja eine Vorstufe, der Tod ist uns so nah. Da ist es wichtig, dass Wunden der Vergangenheit angesprochen werden und heilen können. Grundsätzlich funktioniert ein Zusammenleben im Altenzentrum nur mit sehr viel Toleranz, das ist für mich eine wichtige Grundlage.“