Der Vizepräsident des deutschen Bundestages Johannes Singhammer (CSU) fordert die Kirchen in politischen Fragen zu mehr Zurückhaltung auf und Markus Söder (CSU) wünscht, die Kirche solle sich darauf konzentrieren, der Mission Jesu zu folgen.
Gerade in Zeiten von Populismus, demokratiefeindlichen Tendenzen und menschenverachtender Hetze ist jedoch das genaue Gegenteil zwingend erforderlich. Kirche ist nicht als Demokratie verfasst, sie kann auch keine Demokratie sein. Es ist Kirche nicht möglich, demokratisch zu beschließen, sich von der Botschaft Jesu Christi als Fundament christlichen Glaubens zu trennen. Der Auftrag zur Evangeliumsverkündigung ist Kirche gegeben und kann nicht durch Mehrheitsentscheidungen abgeändert werden. Genauso wenig ist es möglich, Kirche die Staatsform Demokratie überzustülpen. Aber Kirche muss wichtige Unterstützerin demokratischen Lebens in unserer Gesellschaft sein. Kirche muss sich, insbesondere weil sie in Ihren eigenen Strukturen wenig demokratisch ausgebildet ist, bedingungslos an die Seite der demokratischen Staatsform stellen.
Demokratie lebt vom Streit, der Auseinandersetzung, der Diskussion und von Kompromissen. Sie lebt von der Einmischung und braucht Unterstützung sowie aktive Beteiligung. Es ist also der Demokratie nicht besonders förderlich, wenn gefordert wird, sich nicht mehr einzumischen. Kirche ist nah beim Menschen, ob in der Gemeinde oder in ihren verbandlichen Diensten. Als gesellschaftlich fest verankerte Institution gibt diese Nähe Kirche den Auftrag, Demokratie zu stärken und sich politisch einzumischen. Dies kann anwaltschaftlich geschehen oder aber um eigene Interessen zu vertreten. Eine politische Einmischung darf sich jedoch nicht in einfachen Wahlempfehlungen erschöpfen. Eine aktive Beteiligung an politischen Diskursen und die Auseinandersetzung mit Inhalten muss wesentliches Merkmal von Einmischung sein.
Insbesondere dort, wo Menschen häufig nicht mehr selber in der Lage sind Ihre Interessen zu artikulieren, muss Kirche besonders wachsam sein. Dies können die Herausforderungen in der Flüchtlingspolitik sein, armutssensible Themen, Fragen zur Inklusion und viele mehr. Wichtig ist es nicht nur auf populäre Themen zu setzen von denen Kirche annimmt, dass „Ihre“ Meinung auch die Mehrheitsmeinung ist. Kirche muss auch anecken können, vor allem auch innerhalb Ihrer Strukturen streiten dürfen. Wenn Kirche versucht zu vermitteln, es gäbe nur die eine Wahrheit, verliert sie schnell an Glaubwürdigkeit. Die Kirche ist nicht nur der Papst, sie ist nicht nur der Bischof oder der Priester, sie kann ebenso bunt und vielfältig wie unsere demokratische Gesellschaft sein. Auch in der Kirche gibt es Menschen, die die Ehe für alle gut finden.
Und das ist auch gut so.
Ein Gastbeitrag von Nils Freund, Stabsabteilung Caritaspastoral