Tag 6, 2. Juni, Projektreise mit caritas international nach Marokko, Besuch der Gemeindecaritas in Casablanca
Daniel Nourissat, Generalvikar und Pfarrer der Kirche Notre Dame in Casablanca, sagt, ohne die Caritas sei die Kirche nichts. Dazu passt, dass sich die Räume der Gemeindecaritas mit Kleiderkammer und Beratungsbüro genau unter dem Altarraum befinden. “Kirche in Marokko hat keinen Sinn, wenn sie nicht die Nächstenliebe gegenüber den Migranten lebt. Nächstenliebe hat keine Grenzen und keine Farbe.”
Zweimal in der Woche geben Ehrenamtliche, darunter Marokkaner, afrikanische Migranten und Europäer, Medikamente auf Rezept und Sachmittel für umgerechnet 3300 € an Bedürftige aus. Rund die Hälfte fließt an Gebühren wieder zurück von denen, die es sich leisten können. Finanziert wird die Arbeit über Versteigerungen, Kollekten, Spenden. Daniel Nourissat betont, es gebe keine finanzielle Unterstützung von Caritas Rabat oder Caritas Deutschland für ihre Arbeit. Die Gemeindecaritas ist in engem fachlichen Austausch mit den Caritas-Migrationszentren in Rabat, Casablanca und Tanger, denn überwiegend kommen die Migranten aus Schwarzafrika zu ihnen.
Zum Team gehört auch Arnaud de Laportaliere, ein pensionierter Diakon aus Frankreich, der zweimal wöchentlich Migranten in verschiedenen Gefängnissen Casablancas besucht. Im größten Gefängnis leben 9000 Gefangene. Der Gefängnisdirektor ist froh über die Besuche des Seelsorgers, er habe positiven Einfluss auf die Stimmung im Gefängnis. Die Schilderungen Arnauds hinterlassen bei uns den Eindruck: Wer hier einmal mit dem Gesetz in Konflikt kommt, hat verloren. 80 % sitzen hier wegen Drogendelikten ein. “An dem Tag, an dem die Europäer keine Drogen mehr nehmen, sind die Gefängnisse hier leer.”
Wir fragen nach den jungen Marokkanern, die nach Europa kommen. Was tut Marokko, um sie im Land zu halten? “Marokko ist ein Entwicklungsland, das Land strengt sich sehr an, um mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Wir machen, was wir können.” Internationale Unternehmen siedeln sich an. Die Textilindustrie ist ein wichtiger Wirtschaftszweig geworden. “Marokko ist eine einzige Baustelle.” 50% der marokkanischen Bevölkerung ist unter 20 Jahre alt. Hier könnte jeden Tag eine neue Schule gebaut werden und in Deutschland schließen die Schulen. Mittlerweile wird hier in Bildung und Infrastruktur investiert. Die Erfolge werden sich erst mit den Jahren zeigen, einige Fortschritte sind aber bereits jetzt sichtbar.
Am Nachmittag besucht ein Teil unserer Gruppe die große Moschee in Casablanca, sie ist die drittgrößte Moschee der Welt und wurde in ihrer unglaublichen Pracht und kunstvoller Ausstattung in nur sechs Jahren gebaut. Das ist in Deutschland unvorstellbar, man denke nur an die Baustelle der Oper in Köln, die Elbphilharmonie in Hamburg oder den Flughafen Berlin-Tegel.
Auf der Rückfahrt nach Rabat halten wir noch kurz an einem Strand. Nach den intensiven und oft auch bedrückenden und bewegenden Begegnungen und Gesprächen freuen wir uns über ein erfrischendes Bad im Atlantik.
v.l.: Touria, ehrenamtliche marokkanische Mitarbeiterin in der Gemeindecaritas, Generalvikar Daniel Nourissat