Frohe Ostern! Gedanken zum Einfluss der Covid-19-Pandemie.

Susanne Rabe-Rahman, Leiterin der Caritas-Perspektivberatung für Flüchtlinge, zum Einfluss der Covid-19-Pandemie, zu problematischen Entwicklungen und was aktuell Hoffnung gibt:

Ich gebe zu, ich habe den Einfluss der Covid-19-Pandemie unterschätzt. Heute fordert der UN-Sicherheitsrat deshalb einen weltweiten Waffenstillstand! Und er weist auf die Gefahren durch „Bio-Terroristen“ hin…
Ich habe unterschätzt, wie stark humanitäre Notlagen mit militärischen Strategien und Begrifflichkeiten verknüpft werden, beginnend damit, dass „Ärzte und Pflegepersonal jetzt an vorderster Front“ kämpfen.
Ich bin erstaunt, wie schnell wir in vermeintlich bedrohlichen Situationen selbst in einem sehr reichen Land dazu neigen, uns selbst in „Sicherheit“ zu bringen, und sei es mit ausreichend Toilettenpapier und Mehl, damit allerdings wieder die Unsicherheit bei anderen erhöhen, was zu zahlreichen Nachahmer*innen führt – und dann wirklich zu vorübergehenden Versorgungsengpässen…

Bitterer in allen Konsequenzen ist der tatsächlich bestehende Versorgungsengpass bzgl. Schutzausrüstung gegen Infektionen für den medizinischen und pflegerischen Bereich, und noch viel relevanter, dass tatsächlich – nicht nur deshalb – in einigen Pflegeeinrichtungen jetzt nicht mehr genügend Personal vorhanden ist… Wir hatten vorher schon vereinzelt den Pflegenotstand ausgerufen. Jetzt wird er allen sehr deutlich.

Und das sich gerade abzeichnende Drama der schnellen wirtschaftlichen Hilfen, die so wichtig sind und an notleidende Wirtschaftszweige ausgeschüttet werden sollten, und jetzt vielfach an die Mafia gegangen sind (?), weil wir uns mit den weltweiten Vernetzungen des Internets immer noch nicht genügend auskennen… Aber auch die andere Seite, dass die Mafia, wie jetzt in Italien, wieder dort einspringt, wo die Politik nicht schnell genug hilfreich reagieren kann, stellen wir besorgt und aufmerksam fest.

Bleibt zu hoffen, dass Politik und Gesellschaft daraus insgesamt für die Zukunft die richtigen Konsequenzen ziehen.
Und dass die tatsächliche und vermeintliche Unsicherheit nicht in falsche Richtungen umgeleitet wird…Schon jetzt kommt mir in der Presse zu häufig die Frage nach dem richtigen „Führer“ mit den besten Umfragewerten in der Krise auf. Es gibt nicht die eine Antwort auf viele Fragen. Und auch mit dem Thema der Kontrolle will insgesamt sehr kompetent und sensibel umgegangen werden.

Wir alle sind an vielen Stellen gefragt.
Wir alle sind in der Verantwortung – nicht nur wir in Deutschland – nicht nur in Europa: 
Die weltweite Dimension dieser Pandemie hat auch die weltweiten Verstrickungen an vielen Stellen sehr deutlich gemacht: Die Frage der Menschen als Fachkräfte und billige Arbeitskräfte, die Frage der materiellen Versorgung und internationalen Abhängigkeiten, die Frage der Eindämmung der Epidemie bei gleichzeitig völlig fehlender medizinischer Versorgung oder Sicherheitsvorkehrungen (z.B. in den Elendslagern Griechenlands oder Bangladeschs), den internationalen Einfluss krimineller Strukturen, usw. usf.

Und die aktuelle Pandemie stellt erneut wichtige Fragen an unsere eigenen Systeme: z.B. die Frage der Wertigkeit und Verlässlichkeit im Vergleich zur Profitorientierung, aber auch die Frage der Menschenrechte, wenn wir z.B. immer noch geflüchtete Menschen, die jahrelang in Deutschland leben und sich tatsächlich hier engagieren und integrieren wollen (übrigens auch im Pflegebereich), die Arbeitserlaubnis vorenthalten oder gar entziehen. Oder wenn das Bundesinnenministerium zur Abschiebung einzelner Frauen spezielle Flüge arrangieren möchte – oder wenn die EU sich nicht in der Lage sieht, Menschen in der Not an ihrer Grenze oder in ihren Mitgliedsländern Beistand zu leisten! Wie steht die Frage der Durchsetzung von Regeln im Vergleich zur Frage der Menschlichkeit?

Immerhin hat die EU jetzt gemerkt, dass sie die Pandemie später los sein wird, wenn sie sich um ihre Krisenherde nicht kümmert… Aber getan hat sie da an der Stelle leider noch fast nichts…

Auch heute könnte Jesus noch am Kreuz sterben.

Es ist immer traurig, wenn Menschen sterben. Es ist sehr traurig, dass viele Menschen als Opfer verfehlter Strategien sterben müssen.

Aber es gibt aktuell auch Hoffnung.
Es ist toll, wie viele sich auch jetzt für die Menschen in Schwierigkeiten engagieren.
Wenn ich mich mal auf vor Ort beschränken darf:
Ich freue mich und bin erleichtert, dass viele kreativ, hilfreich und geduldig in dieser Situation auch von zu Hause aus oder weiterhin im Betrieb tätig sein können. Ich freue mich, dass die Verkäufer*innen und Kassierer*innen immer noch in den Läden sind, obwohl sie sich gerade sehr genervt wundern, wie wir Kölner*innen ticken… Selbst die LKW-Fahrer, die uns früher mit ihren Wagen eher nur im Weg gestanden haben, erfahren jetzt Anerkennung.

Ich freue mich über alle, die gemeinsam Verantwortung tragen, auch über den beständigen kompetenten Einsatz gewählter Politiker*innen an unterschiedlichen Stellen.
Ich freue mich, dass Eltern in ihrer wichtigen Funktion gegenüber ihren Kindern gerade wieder deutlicher wahrgenommen werden.
Ich freue mich, dass durch die aktuellen Herausforderungen die Wichtigkeit der Tätigkeiten an jeder Stelle stärker ins Bewusstsein gerückt ist.
Ich freue mich, dass die besonderen Bedarfe von Menschen unterschiedlicher Generationen und sozialer Zugehörigkeit zum Thema werden.

„Mer sin eins“ hat Kasalla vor wenigen Jahren kreiert und gesungen. Ja, wir gehören zusammen, jede und jeder ist an seiner Stelle wichtig. Nicht nur die Stars, nicht nur die Manager*innen, nicht nur die Deutschen…

Ostern ist das Fest der Auferstehung – bei uns verknüpft mit dem Frühling. Schon ist die Natur draußen wach geworden, das neue Leben…
Ich hoffe, dass wir alle wacher geworden sind – und daraus die richtigen Konsequenzen ziehen.
Jede*r ist mit seiner Arbeit wichtig – darf und muss sich aber natürlich auch Auszeiten nehmen.
Es schadet nicht, sich jedes Jahr zu Ostern daran zu erinnern, dass persönliches und gemeinsames Engagement wichtig sind, es aber auch immer wieder zu hinterfragen, Korrekturen vorzunehmen.

Wir sind nicht allein. Wir dürfen auf Beistand hoffen.

Wie auch immer Gott sich zeigt!
Ich wünsche  allen mit ihren Familien und Freund*innen frohe Ostern!

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