Suizidalität von Flüchtlingen – Erfahrungen aus dem Alltag des Therapiezentrums für Folteropfer

Am 15. März berichtete tagesschau.de in einem Artikel über Suizidalität unter Flüchtlingen und nannte erschreckende Zahlen: Mehr als 400 Suizidversuche seit 2014, 19 davon mit tödlichem Ausgang. „Auch im Kölner Therapiezentrum für Folteropfer gehört der Umgang mit Suizidalität zu unserer Arbeit – aber daran gewöhnen werden wir uns wohl nie.“, sagen die Therapeuten hier. Da der unsichere Aufenthaltsstatus, die Trennung von der Familie, die Wohnheime und vieles mehr die oft schwer traumatisierten Patienten zusätzlich belasten, tauchen Suizidideen bei unseren jugendlichen und erwachsenen Patienten immer wieder auf.
„Es ist immer und für jeden schockierend. Das ist das Erste: sich wieder zu fangen, zu beruhigen und dann ernsthaft zu überlegen, was man tun kann.“, sagt ein Psychologe dazu, der auch immer wieder Kriseninterventionen machen muss. Manche Patienten, gerade wenn schon eine gute Beziehung zum Therapeuten besteht, beruhigen sich im Gespräch, wenn sie das Gefühl haben, ernst genommen zu werden; manchmal helfen auch spezielle Entspannungs- oder Distanzierungsübungen. Dann kann eine klare Absprache getroffen werden. Manchmal gibt es aber auch keinen anderen Weg, als den Notruf 112 zu wählen. In die Psychiatrie gebracht zu werden ist für viele sehr angstbesetzt. „Trotzdem gibt es manchmal nur diese Notlösung und wir sind froh, dass es sie gibt.“
Eine unserer Therapeutinnen berichtet, bei allen Patienten, die von Abschiebung bedroht sind, weil sie aus sogenannten „sicheren Herkunftsländern“ stammen, spielt Suizidalität eine Rolle. Sie sagt dazu: „Solange die Patienten andere Möglichkeiten sehen, steht es im Hintergrund – wenn sie jedoch mit dem Gedanken konfrontiert werden, ins Heimatland und damit an den Ort ihrer Traumatisierung zurückkehren zu müssen, sehen sie den Suizid als einzige Handlungsmöglichkeit.“ Und schon wenn (potentielle) Patienten zum Erstgespräch ins „Clearing“ des Therapiezentrums kommen, werden häufig Suizidgedanken geäußert. Schätzungsweise 25-30% der Patienten sind davon betroffen. „Hier ist unsere Wartezeit von neun Monaten für einen Einzeltherapieplatz natürlich ein großes Problem“, sagt die Psychologin, die das Clearing betreut. „Da müssen wir schauen, ob wir schnell eine Klinik oder einen ambulanten Therapeuten finden und einen Dolmetscher organisieren können. Aber bei der Bewilligung von Dolmetscherkosten durch das Sozialamt hakt es dann oft.“
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Suizidalität bei Flüchtlingen eine große Rolle spielt und solche Äußerungen immer ernst genommen werden sollten. Das Sozial- und Gesundheitssystem sollte sich entsprechend auf diese Situation einstellen – gerade weil sich in Zukunft durch die Verschärfung des Asylrechts auch noch mehr Flüchtlinge in einer ausweglosen Lage sehen werden. „Für uns ist es wichtig, nicht selbst zu verzweifeln und als Team gut zusammenzuarbeiten“ – da sind sich die Mitarbeiter des Therapiezentrums einig, „nur so kann man auch in Krisensituationen noch Auswege finden.“

Ein Gastbeitrag von Brigitte Brand-Wilhelmy & Sinéad Buckley, Therapiezentrum für Folteropfer der Caritas Köln

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