Täglich entscheide ich mich aufs Neue, schaue ich mir die Berichte und Bilder in den Nachrichten und Sondersendungen an. Mein Arbeitsalltag ist bestimmt vom Thema Flüchtlinge. Wie organisieren wir die große Nachfrage an Beratung? Wie verbessern wir die Lebensumstände? Sind die Kinder in der Kita, in der Schule? Wie gelingt es uns, für Schutzbedürftige, alleinreisende Frauen mit minderjährigen Kindern, kranke und traumatisierte Menschen eine Alternative zu einer Massenunterkunft zu finden?
Täglich frage ich mich, was tut die EU?
Täglich versuchen tausende Flüchtlinge sich Richtung Zentraleuropa durchzuschlagen und werden immer wieder an Grenzen festgesetzt – oft ohne Schutz vor Kälte und humanitäre Hilfe. Die EU produziert aktuell eine beispiellose menschliche Katastrophe.
Nachdem Ungarn seine Grenze zu Serbien und Kroatien abgesichert hat, versuchen viele Flüchtlinge über Serbien nach Kroatien und über Slowenien in die EU-Staaten zu gelangen. In Slowenien sind binnen einer Woche 52.000 Flüchtlinge angekommen, alleine am Samstag waren es 4.200. Damit ist Slowenien nach Ungarn und Kroatien das neue Transitland auf der Balkanroute. Die Regierung versucht, die Flüchtlinge mit Militär und Polizei an der Grenze festzusetzen: Die Folge ist, dass tausende Flüchtlinge bei winterlichen Temperaturen und schwerem Regenfall im Schlamm übernachten müssen, darunter auch Frauen, Kinder, alte und kranke Menschen.
Auch der neue 17-Punkte-Plan wird diese nicht verhindern, denn viele Maßnahmen sind ein Neuaufguss vergangener EU-Beschlüsse – die aus menschenrechtlicher Sicht fatale Folgen hatten.
Die EU-Staaten wollen Informationen über die Wanderungsbewegungen von Flüchtlingen schnellstmöglich austauschen. Dies sollte im Sinne einer gemeinsamen europäischen Flüchtlingspolitik eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Die Forderung verweist vielmehr auf die offenkundig nichtexistente Zusammenarbeit zwischen den EU-Staaten.
Kritisiert wird die bisherige Praxis der EU-Staaten, Flüchtlinge einfach in andere Staaten „durchzuwinken“. Dies solle unterbunden werden, um klare Zuständigkeiten der EU-Staaten zu begründen. Doch die Kritik am „Durchwinken“ der Balkanstaaten verkennt, dass das Scheitern von Dublin-III bereits eindrucksvoll gezeigt hat, welche unsolidarischen und unmenschlichen Folgen die Annahme hat, dass stets der erste Staat der Einreise die Verantwortung für den Flüchtlingsschutz zu übernehmen habe. Die Praxis des „Durchwinkens“ und das Abdrängen der Verantwortung an die Randstaaten Europas sind zwei Seiten derselben Medaille.
Positive Aspekte hat immerhin der Entschluss, auf der Balkanroute für neue Unterkünfte zu sorgen. Die EU erklärt sich bereit, gemeinsam auf der gesamten Route 50.000 Aufnahmeplätze zu schaffen. Dieser Plan ist aber nur für zukünftige Flüchtlingsbewegungen konzipiert und keine Antwort auf die akute Notlage der Flüchtlinge an den Grenzen.