Not schweißt bekanntlich zusammen; lässt die Menschen enger rücken. Doch gibt es Grenzen in der Not? Mein Weg zum Büro führt mich am Ehrenfelder Bahnhof vorbei. Dort wurde ich vor wenigen Tagen Zeugin folgenden Vorgangs.
Am Aufgang zu den S-Bahn-Gleisen direkt am Fuß des Fahrkartenautomaten sitzt tagein tagaus ein wohnungsloser Mann. Über die Zeit kennt man sich. Nicht vom Namen, aber vom Sehen her. Er ist im täglichen Anblick so etwas wie ein fester Bestandteil des Umfelds; keineswegs unsichtbar. Man nimmt ihn wahr: immer freundlich, nie aufdringlich. Seine Miene strahlt Offenheit und Zufriedenheit aus. Er vermittelt den Eindruck, als ginge es ihm gut, als hätte er alles, was er braucht. Für manchen, der ihn dort sitzen sieht, wahrscheinlich undenkbar angesichts der Lebensumstände. Die Passanten freuen sich ihn zu sehen. Viele bleiben auf einen kurzen Plausch stehen. Er bekommt immer etwas geschenkt, selbst wenn sein Platz vorübergehend leer ist: Konserven, belegte Brötchen, ein Becher Kaffee, ein Apfel oder eine kleine Topfpflanze. Im Winter grüßt ihn auch schon mal ein Schokoladen-Mann.
Vor wenigen Tagen kam ich mittags am Ehrenfelder Bahnhof vorbei. Automatisch ging mein Blick in die Ecke des Fahrkartenautomaten und dort saß jemand anderes. Weiterlesen