Zur WM in Katar …

Irgendwie ist dieses Mal alles anders. Der Ball rollt. Trotz allem. Eine Fußball-WM, die Nationen zusammenbringen soll, spaltet plötzlich. Dazu haben wir im Caritasverband Stimmen eingefangen:

„Die Genese zur Austragung der WM seit 2010 ist fürchterlich. Ich hoffe, dass die Ansage des neuen DFB-Präsidenten Neuendorf – entgegen der Anweisung durch die FIFA Bosse – die Menschenrechtsverletzungen in Katar durch klare Worte, Taten und Symbole weltöffentlich zu kritisieren wahrgemacht wird. Das möchte ich sehen! Die Freude auf die WM ist deutlich limitiert. Trotzdem werde ich mir die WM anschauen“

Markus Heuel, Einrichtungsleitung Jugendbereich

 

„Schade! Eigentlich schaue ich mir gerne Weltmeisterschaften im Fußball an. Dieses Mal werde ich mich zurückhalten. Zugegeben ist dies nur ein kleines Zeichen, aber meine Möglichkeit gegen Korruption bei der Vergabe der WM und die menschenunwürdigen Bedingungen beim Bau der Stadien zu protestieren. Ich hoffe, dass sich viele dieser Meinung anschließen, andernfalls wird sich nichts ändern können.“

Martina Wegener, Soziale Betreuung Caritas-Altenzentrum St. Josef-Elisabeth 

 

„Erstmalig in meinem Leben werde ich wissentlich die WM in Bildern nicht schauen. Wahrscheinlich wird das gar nicht so einfach sein, obwohl dieses Spiel eigentlich so schön einfach ist. Aber viele Tote auf den WM-Baustellen, Leibeigentum und Homophobie im Gastgeberland passen für mich nicht zu einer Veranstaltung, die die Menschen auf der ganzen Welt verbinden soll und immer auch für Völkerverständigung steht. Aber ich habe wahrscheinlich viele Dinge in der Vergangenheit in Verbindung mit Großereignissen wie Olympia und WM ausgeblendet. Wegsehen geht jetzt nicht mehr.“

Arno Moormann, Einrichtungsleitung Caritas Jugendbüro

 

„Je sichtbarer ist, wie viele finanzielle Interessen hinter Großveranstaltungen wie der Fußball-WM stehen und wenige sich daran stark bereichern, während andere ausgenutzt werden, umso geringer wird mein Interesse. Das geht bei der WM in Katar gegen 0.“

Nikola Plettenstein, Öffentlichkeitsarbeit

 

 „Mal ein anderer Aspekt neben Menschenrechten, Arbeitsrechten, Mord und Totschlag…Alles gute Gründe die WM zu meiden. Fußball ist auch Fankultur. Die WM in Qatar ist keine WM für Fans, sie ist für den Kommerz und das Geschäft gemacht. Ein Land, das Menschen einkauft, um Fan zu spielen hat nicht verstanden, worum es im Fußball geht. Ein Land, in dem es keine Frauen Fußballliga oder Frauennationalmannschaft gibt, darf in meinen Augen keine WM austragen. Deshalb werde ich die WM boykottieren und mir kein Spiel anschauen.“

Nils Freund Leitung Caritaspastoral

 

„Ich mag die Magie sportlicher Großereignisse, bin fasziniert von athletischen Höchstleistungen …  und dennoch mag der Funke dieses Mal nicht richtig überspringen. Vielleicht hätte die westliche Welt schon viel früher geschlossener agieren sollen, wie beim olympischen Boykott 1980. Vielleicht ist es aber auch besonders wichtig zuzugucken, wenn z.B. die iranische Elf Zeichen setzt oder wenn sich doch noch jemand traut eine bunte Armbinde zu tragen. Ich jedenfalls werde ab und an zusehen -leise und mit schlechtem Gewissen- vor allem aber werde ich hinsehen.“

Jutta Kühle, Öffentlichkeitsarbeit

 

„Es sollen „nur“ drei Menschen bei klassischen Arbeitsunfällen ums Leben gekommen sein“ sagt der FIFA-Präsident Infantino. „Da werde ich zynisch: Ab wie vielen Toten darf ich die WM noch schauen?“ „Frauen werden wie Sklaven gehalten, Homosexuellen droht die Todesstrafe, da habe ich keine Lust zu gucken.“ „Korrupte und geldversessene Organisation. Meine Einschaltquote bekommen die nicht.“

Gesammelte Zitate von Lydia Taxhet im Caritas-Altenzentrum St. Heribert

Im Station schwenken viele Fans Deutschlandfahnen

Integration wird nicht auf dem Fußballfeld entschieden

Die Debatte um Fußball-Nationalspieler Mesut Özil hat hohe Wellen geschlagen. Ich muss sagen: Zunächst war ich über die Heftigkeit der Reaktionen zu seinem Rücktritt überrascht. Aber beim zweiten Hinsehen war mir klar: Özil ist hier zum Spielball geworden für ein Problem, was dringend besprochen werden muss und sein Ausscheiden aus dem DFB-Team kam als Auslöser ganz passend.

Die Integration von türkischstämmigen Personen in Deutschland ist eigentlich schon Debatte, seit Türken in den 60er Jahren als Gastarbeiter hier her gekommen sind. Auch im letzten Jahrzehnt war das immer wieder Thema. Es schien langfristig schwieriger zu sein, türkischstämmige Bürger zu integrieren als beispielsweise Italiener oder Polen. Vielleicht, weil der christliche Glaube bzw. die damit verbundene Kultur in Deutschland doch heute gar nicht so unwichtig ist, wie viele Menschen denken. Der Islam und die damit verbundenen Bräuche sind vielen fremd und was fremd ist, macht Angst.

Die Debatte über Deutschtürken rückte in den Hintergrund, als die „Flüchtlingskrise“ 2015 begann. Auf einmal waren Flüchtlinge die Fremden in Deutschland und die Türken die Bekannten, die je nach politischer Stimmungslage mal mehr und mal weniger zu Deutschland gehörten. Ein größeres Thema wurden die Deutschtürken lediglich kurz bei den Parlamentswahlen 2015 in der Türkei, als die Mehrheit der stimmberechtigten Deutschtürken sich für Erdoğan aussprach. In Deutschland konnte man nicht begreifen, wie das „passieren konnte“. Für mich nicht schwer vorstellbar: Ich glaube nicht, dass sich all die Deutschtürken so tiefgehend mit dem politischen Konzept von Erdoğan beschäftigt haben (Ich mein: Welcher Deutsche liest komplette Parteikonzepte vor der Wahl?). Erdoğan ist zu einer Figur geworden für das Ernstgenommen werden; für die Anliegen der Deutschtürken. Für die, die sich nicht integriert fühlen. Für die, die keine Perspektiven für sich sehen. Und auch für die „gut integrierten“, die sich fühlen, als müssten sie sich zwischen Deutschland und der Türkei entscheiden. Und in einer gefühlt hoffnungslosen Situation seine Hoffnung auf jemanden zu legen, der gerade „was Nettes“ anbietet; das kommt uns doch auch in Deutschland bekannt vor, oder? Weiterlesen