Auswirkungen des „globalen Goldhungers“ und Hoffnungsschimmer
– eine Pressereise in das Amazonasgebiet Perus
von Marianne Jürgens, freie Journalistin (ehemals Leitung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Caritasverband Köln), Juni 2025 – Titelbild: Carolin Kronenburg/Caritas international
Auf den ersten Blick eine Idylle: Sanft gleitet unser kleines flaches Boot über den Rio Madre de Dios und den Rio de la Piedra, Nebenflüsse des Amazonas in Peru. Am Ufer blicken wir auf üppigen Regenwald. Schnell ändert sich das Bild. Mehrere große Brachflächen, die Spuren illegaler Goldminen und der damit verbundenen Abholzung werden sichtbar. Auf einer Pressereise der GkP (Gesellschaft katholischer Publizistinnen und Publizisten) mit Caritas international sind wir im Amazonasgebiet zur indigenen Dorfgemeinschaft Boca Pariamanu unterwegs, die nur mit dem Boot nach anderthalbstündiger Fahrt zu erreichen ist

Mit einem dieser Boote zur indigenen Dorfgemeinschaft, Foto: Marianne Jürgens
Die sich zuspitzende Ökokatastrophe im Amazonasgebiet, der Kahlschlag im Regenwald, die Vergiftung großer Landstriche durch Einsatz von Quecksilber bei illegaler Goldschürfung und Vernichtung der Artenvielfalt: Auch in deutschen

Foto: Carolin Kronenburg/Caritas international
Medien wird regelmäßig berichtet, wie dadurch der Lebensraum der indigenen Bevölkerung vernichtet und die Klimaerwärmung weltweit beeinflusst wird.
Humanitäre Hilfe der Caritas und Projekte zur Bewältigung der Klimakrise
Humanitäre Hilfe der Caritas ist nicht zu trennen von Projekten zur Bewältigung der Klimakrise, hat diese doch unmittelbare Auswirkungen auf das Überleben und die Lebensqualität der Menschen. Wir lernen von Caritas Deutschland und der Caritas vor Ort initiierte und geförderte Projekte für den Erhalt des empfindlichen Ökosystems im Amazonasgebiet kennen, die Alternativen und Problemlösungen aufzeigen und sich für die Rechte der indigenen Völker einsetzen.
Für ein resilientes Amazonien
Über Ländergrenzen hinweg entwickeln indigene Gemeinschaften im Amazonasgebiet im Projekt „Nachhaltiges Amazonien – Resiliente Gemeinschaften“ (vom BMZ/Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und Caritas Deutschland finanziert) in gemeinsamen Schulungen und Workshops, wie sie mit ihrem Wissen Artenvielfalt erhalten und sich verschiedene Erwerbsquellen erschließen können. Das soll den Verbleib in ihrem Territorium und den Schutz des Regenwaldes sichern. Viktor Ore/Projektkoordinator bei Caritas Peru und Laura Ramirez/Caritas Madre de Dios hoffen, dass die Erfolge, wie wir es am Beispiel der Dorfgemeinschaft Boca Pariamanu erleben, auch die Geldgeber des Projektes überzeugen und es über das geplante Ende 2026 hinaus fortgesetzt wird. Begleitet wird das praxisorientierte Projekt von politischer Lobbyarbeit zu Umwelt- und Landrechten sowie Unterstützung bei Rechteverletzungen.

Empfang im Dorf Boca Pariamanu, Foto: Marianne Jürgens
Angekommen in Boca Pariamanu hört es auf zu regnen, die Sonne bricht durch. 20 Familien mit 52 Erwachsenen und 100 Kindern vom Volk de Amahuaca leben hier auf einem großen Gelände in Hütten, erbaut mit dem Holz aus dem Regenwald und Dächern von geflochtenen Palmblättern. In der Versammlungshalle erwartet uns in der Mitte ein Tisch, gefüllt mit exotischen Pflanzen und Früchten. Die Präsidentin der

Foto: Carolin Kronenburg/Caritas international

Trocknung der Kakaobohnen vor Weiterverkauf, Foto: Marianne Jürgens
Dorfgemeinschaft erklärt uns, wie das Zusammenleben und die Arbeit in der Gemeinschaft organisiert sind. Unterschiedliche Arbeitsgruppen widmen sich dem Anbau und der Ernte, sowie weiteren Erwerbsquellen wie kunsthandwerklichem Schmuck aus Samen und Früchten, die sich im Regenwald finden. Bei einem Rundgang durch den Wald sehen wir die traditionellen Heilpflanzen, Kakaoplantagen, Maisanbau, Bienenstöcke, agroökologische Mischparzellen und Kastanienproduktion. Der ökologische Anbau von Kakao bietet inzwischen eine echte alternative Einkommensquelle zum Goldschürfen, denn der Kilopreis hat sich in den letzten zwei Jahren mehr als verdreifacht.
Angestrebt wird die überwiegend autarke Versorgung der Familien mit Lebensmitteln, außerdem fließt ein Teil des Verkaufs, zum Beispiel der Kastanien, in die Gemeinschaftskasse.

Jane del Castillo Ramirez, Foto: Carolin Kronenburg/Caritas international
Bevor wir wieder die Rückfahrt mit dem Boot antreten, bewundern wir den Schmuck aus rein organischem Material. Jane del Castillo Ramirez stellt uns das
Kunsthandwerk vor, in dem 15 Frauen des Dorfes seit drei Jahren arbeiten. Gekrönt wurde ihr Erfolg mit dem Gewinn eines Wettbewerbs. Das Preisgeld in Höhe von umgerechnet rund 14.400 Euro investierten die Frauen wieder in Produktionsräume und Aufforstung.
Seit Dezember 2023 haben die indigenen und traditionell lebenden Familien in Boca Pariamanu konsequent das Konzept agroökologischer Mischparzellen umgesetzt und Erwerbsquellen weiter entwickelt. Die sichtbaren Erfolge lassen sie trotz der Bedrohung ihres Lebensraums positiv in die Zukunft blicken.
„Territorium ist Identität“

Präsident Alfredo Vargas Pio, Foto: Marianne Jürgens
Der Verband FENAMAD bündelt die Interessen von 38 indigenen Dorfgemeinschaften im Gebiet Madre de Dios. Präsident Alfredo Vargas Pio vom indigenen Volk der Shipibos bringt die aktuelle Situation in einem Gespräch mit uns am Vorabend auf den Punkt: „Die Verfolgung Indigener hat zugenommen. Der Staat definiert die Konzessionen für Minen und Holzabbau, aber kümmert sich nicht um die Gebietsansprüche der Indigenen.“ Die Regionalregierung verkaufe den Abbau der vielen Bodenschätze und Ölvorkommen im Gebiet Madre de Dios als Fortschritt und fordere von den Indigenen das Abtreten von Land. Auf nationaler Ebene werden die Rechte der Indigenen missachtet, aber auf internationaler Ebene erfahren sie Unterstützung, unter anderem von Deutschland und den Niederlanden. „Wir wollen unser Wissen über Natur, das Erbe der Vorfahren als wichtige Lebensgrundlage für die Menschheit bewahren und weitergeben.“

Kelly Olivo Rengifo (Mitte), Foto: Marianne Jürgens
Kelly Olivo Rengifo vertritt die Interessen junger indigener Studentinnen und Studenten. Sie betont den Stellenwert von Bildung, um die eigenen Rechte vertreten zu können und dankt Kirche und Caritas für deren Unterstützung und die Möglichkeit, sich weiter zu entwickeln. Von Papst Leo XIV. erhofft sie, dass er das Erbe von Papst Franziskus, der 2018 das Amazonasgebiet besuchte, fortsetze und Druck auf die peruanische Regierung ausübe. „Territorium ist Identität“, sagt sie. „Es gibt eine historische Schuld gegenüber den Indigenen, die beglichen werden muss.“ Sie blickt nach vorne: „Als Jugendorganisation verfolgen wir das Ziel, unternehmerisch erfolgreich zu werden. Dabei wollen wir Traditionen mit neuen Ideen verknüpfen.“ Sie nennt ein Beispiel: „Shampoos werden mit traditionellen Rezepten der Indigenen hergestellt. Bestimmte indigene Muster setzen wir für angesagte Produkte ein.“
Innovatives Wissenschaftsprojekt für Aufforstung und Regeneration zerstörter Gebiete im Amazonas
Am nächsten Tag will ein Teil unserer Gruppe das wissenschaftlich fundierte Aufforstungsprojekt der NGO CINCIA (=Centro de Innovacion Cientifica Amazonica; CINCIA – Centro de Innovación Científica Amazónica) in der ehemaligen illegalen Bergbauzone „La Pampa“ mitten im Regenwald besuchen. Seit die staatliche „Operation Quecksilber“ 2019 illegale Goldminen in „La Pampa“ zerstörte und Goldschürfer vertrieb, wird das Areal durch Militär abgesichert. Trotzdem kommt es hier immer wieder zu Zusammenstößen. Illegale Goldschürfer weichen inzwischen auf Gebiete der Indigenen und Naturschutzflächen im Department Madre de Dios aus. Die von unterschiedlichen Regierungsbehörden mit verschuldeten Nutzungskonflikte führten zu 3596 Klagen gegen illegale Goldschürfer. Aber unter Druck der im Kongress stark vertretenen Interessensgruppen des Bergbaus erließ Perus Präsidentin Dina Boluarte 2024 eine Rechtsverordnung zur Ausweitung der Straffreiheit für die illegalen Unternehmen. Es wurde sogar ein Korridor eingerichtet, in dem Einzelpersonen und kleinen Bergbauunternehmen das illegale Schürfen erlaubt ist.

„Cargueros“, Foto: Christoph Arens/KNA
Wir starten vom Militärstandort „Grau“ nahe der neuen Verbindungsstraße „Interoceanico“, die Peru mit Brasilien verbindet. Eine anderthalbstündige Fahrt auf „Cargueros“, kleinen Geländefahrzeugen, auf deren Ladefläche wir uns stehend immer wieder unter überhängenden Zweigen und Ästen ducken, soll uns zu dem streng bewachten Wiederaufforstungsgelände Alfa Balata bringen. Begleitet werden wir von jungen Soldaten als Personenschutz, die sich vermummen und mit Waffen ausrüsten.

Unsere Personenschützer, Foto: Marianne Jürgens
Nach kurzer Strecke durch intakten Regenwald erreichen wir nach Überqueren einer schmalen Brücke mit losen Holzlatten das erste abgeholzte Gelände, – eine Sandwüste, die der illegale Bergbau hinterlassen hat. Am Rande der Piste beobachten uns junge Männer auf Geländemotorrädern. Schließlich stoppt unser Konvoi in einem Waldstück. Es habe eine Schießerei wenige Hundert Meter entfernt zwischen Polizei und illegalen Minenarbeitern mit einem Verletzten gegeben, heißt es. Der Militärkommandant fürchtet die Rache der Bergbauarbeiter und im schlimmsten Fall eine Entführung von uns Deutschen. Da er nicht für unsere Sicherheit garantieren könne, müssen wir umkehren. Zurück in der Militärbasis spekulieren wir, was wirklich passiert ist, die Wahrheit können wir nicht ergründen.

Foto: Christoph Arens/KNA

Foto: Christoph Arens/KNA
So werden wir leider nicht, wie ursprünglich geplant, selbst einen Baum im Regenwald pflanzen und uns ein eigenes Bild von den Erfolgen des Aufforstungsprojektes machen können.
Das Wissenschaftsprojekt von CINCIA wird getragen von einer breiten Basis von Unterstützern, darunter US Aid und Wake Forest University, und von der guten Kooperation mit dem Militär vor Ort. Für das 30-köpfige Expertenteam ist es existenziell wichtig, unermüdlich Öffentlichkeit dafür zu schaffen, was sie dort eigentlich tun und welche Erfolge sie erzielen.

Cesar Ascorra/Projekt CINCIA links, Foto: CINCIA
Cesar Ascorra, CINCIA-Nationaldirektor für Peru, erklärt uns das Vorgehen: Im ersten Schritt dokumentierte das Wissenschaftsprojekt mit Hilfe von Drohnenaufnahmen und Laboruntersuchungen die Folgen des illegalen Bergbaus im Gebiet „La Pampa“, die Größe des Brachlandes mit der Vernichtung der Artenvielfalt und die Quecksilber-Verseuchung von Wasser, Land und Tieren. Im Anschluss wurden möglichst resistente Setzlinge, Substrate und organische Dünger für die Pflanzung produziert und in die Erde gebracht. Rund 70.000 Setzlinge wurden bereits gepflanzt. „Das dritte Modul beinhaltet die Beobachtung, wie sich Flora und Fauna entwickeln.“ Vorher-Nachher-Aufnahmen zeigen beeindruckende Fortschritte des Projektes. Inzwischen beteiligen sich auch Soldaten der Militärbasis, die das Gebiet absichert, an der Bepflanzung. 174 Militärangehörige wurden 2024 in Aufforstungstechniken an der National Amazon University of Madre de Dios geschult.

Aufforstung im Regenwald, Foto: CINCIA
Modellhaft zeigt dieses wichtige, wegweisende Projekt, wie eine Aufforstung mit resistenten Pflanzen und eine Renaturierung gelingen kann, und welche Rahmenbedingungen notwendig sind, um die Ergebnisse auf das gesamte Amazonasgebiet übertragen zu können.
„Sauberes Gold“

Sauberes Gold, Foto: Marianne Jürgens
Gegenüber des Militärstandortes „Grau“ demonstriert uns die handwerkliche Produktionsgemeinschaft AMATAF (Association de Mineros Artesanales Tauro Fatima), wie sich Gold ohne Quecksilber gewinnen lässt. Eine Rüttelmaschine filtert unter Zugabe von Wasser aus dem geförderten Schlamm feinen Goldstaub heraus, der anschließend für den Weiterverkauf zu kleinen Goldklumpen geschmolzen wird. Im Oktober 2023 wurde das Pilotprojekt für seine erste fair produzierende Goldlieferkette in der Region zertifiziert. Herausforderungen sind allerdings die Vermarktung des „sauberen“ Goldes und Gewinnung verantwortungsbewusster Käufer. In der Region Madre de Dios sind rund 50.000 Menschen direkt vom Kleinbergbau abhängig, schätzt Caritas international. Zukunftsvision ist es, viele weitere Bergleute für die umweltbewusstere Goldschürfung zu gewinnen. Die Projektverantwortlichen sind sich einig: Das kann nur gelingen, wenn alle zusammenarbeiten, die Goldschürfer, die Regierung, die Juweliere und die Konsumenten.
„Schmutziges Gold“ – Was tun?
Peru ist der bei weitem größte Goldexporteur Lateinamerikas, bei rund 50% lässt sich der Ursprung des Goldes nicht nachweisen, so eine Studie investigativer Journalist*innen (www.convoca.pe). Gerade im Gebiet Madre de Dios breiten sich die illegalen Minen, verantwortlich für Abholzung und Verseuchung der Umwelt mit Quecksilber, immer weiter aus. Ursachen sind der wachsende „globale Goldhunger“ und der steigende Goldpreis. Auch die Fertigstellung der Verbindungsstraße „Interoceanica“ zwischen Peru und Brasilien erleichtert den illegalen Transport aus den vorher nur schwer zugänglichen Gebieten.Staatliche Verbote zeigen wenig Wirkung und werden nicht mit genügend Nachdruck durchgesetzt. Hier steht die in Peru weit verbreitete Korruption im Wege, und eine Regierung und Präsidentin, denen nachgesagt wird, ebenfalls tief darin verstrickt zu sein.

Auf der Interoceanica entlang der illegalen Goldminen, Foto: Carolin Kronenburg/Caritas international
Ein 18-köpfiges Journalistenteam des grenzüberschreitenden Investigativnetzwerkes OjoPublico hat aufgedeckt, dass in einem Jahrzehnt mehr als 3000 Tonnen hochreines Gold aus illegalem Bergbau exportiert wurde und vor allem Unternehmen aus Indien und den Vereinigten Arabischen Emiraten beteiligt sind. Sie recherchierten die komplexen Wege, „schmutziges“ Gold reinzuwaschen, die eine Rückverfolgung der Lieferketten kaum mehr möglich macht und illegales Gold in die legale Wirtschaft überführt.
Auch wenn Gold nach wie vor als sichere Wertanlage geschätzt wird, „ein ethisch unbedenkliches Investment in Gold gibt es nicht“, vertritt die „Kampagne Bergbau Peru (www.kampagne-bergbau-peru.de). Wer nicht auf Gold verzichten wolle, müsse zumindest auf eine glaubwürdige Zertifizierung von Gold achten oder bei der Herstellung von Schmuck auf Recycling zurückgreifen, so der Appell der NGO.
Problemlösungen für die Umweltkatastrophe im Amazonasgebiet können nur gemeinsam auf internationaler Ebene vorangetrieben werden, schließlich ist die Weltgemeinschaft an den Ursachen durch wirtschaftliche Interessen („Rohstoffhunger“) unmittelbar beteiligt. Auch die Auswirkungen des Klimawandels machen nicht an Ländergrenzen halt.
Caritas engagiert sich weltweit mit vielen praktischen Projekten an der Bewältigung der Klimakrise. In Peru konnten wir auf unserer Pressereise unmittelbar vor Ort erfahren, wie sehr konkrete Maßnahmen das Leben der Menschen dort verbessern.
Jede Unterstützung für die humanitäre Hilfe und das Engagement für innovative Klimaschutzprojekte der Caritas in Peru ist willkommen.
Spendenkonto: Caritas Deutschland/Caritas international, SozialBank,
IBAN: DE88 6602 0500 0202 0202 02, Verwendungszweck: Peru CY00107