Schon früh geht es heute raus aus Beirut mit dem Bus nach Zahleh in die Bekaa-Ebene, in die Mitte des Landes und Richtung syrische Grenze. Unser Weg führt uns über einen 2.700 Meter hohen Pass. In der Ferne sehen wir Schnee. Unsere Dolmetscherin Djumana erzählt, dass die Libanesen vormittags Skifahren und eine halbe Stunde später am Strand liegen und im Mittelmeer schwimmen gehen können. Ein verrücktes Land, das so viele Gegensätze vereint und dennoch homogen wirkt.
Unser erster Halt ist eine Schule der libanesischen Caritas für Kinder mit Hörschädigung, geistiger sowie Lernbehinderung. Zahleh ist eine überwiegend christlich geprägte Stadt. Über den Straßen befinden sich Ketten mit Kreuzen als Hinweis auf Ostern. Die Schule der Caritas gibt es seit zwölf Jahren. Ursprünglich gestartet mit drei Klassen á 16 Schüler(inne)n hat die Schule heute 176 Schüler(innen). Es gibt mehr Anmeldungen als Aufnahmekapazitäten. Über die Aufnahme an der Schule entscheiden drei IQ-Tests. Bei einem Test geht es um das Hörvermögen, beim zweiten um die geistigen Fähigkeiten und beim dritten um die Einschätzung des Vorliegens einer möglichen Lernbehinderung. Anhand der Testergebnisse erfolgt die Zuweisung in eine Klasse. IQ-Tests sind sehr teuer im Libanon, deshalb kommen viele Eltern, um ihre Kinder an der Caritas-Schule testen zu lassen und nach Möglichkeit anzumelden.
Die Schüler(innen) werden neben den Lehrer(inne)n von Bewegungs- und Sprachtherapeut(inn)en begleitet. Die Lehrer(innen) verfügen über spezialisierte Qualifizierungen. Die Kinder lernen nicht akademisch, sondern in lebenspraktischen Zusammenhängen. Wer schulisch nicht weiterkommt, erhält eine handwerkliche Ausbildung als Kosmetiker(in), Bäcker(in) oder Frisör(in). Theorie und Vorbereitung auf die Praxis finden zwei Jahre in der Schule statt. Die Lehrer(innen) suchen Stellen für die Schüler(innen) und begleiten diese auch während ihrer praktischen Ausbildung. Monatliche Überprüfungen des Wissens geben Hinweise zur Anpassung der individuellen Förderung. Die Schule hat sich bewusst dafür entschieden, den hörgeschädigten Kindern das Lippenlesen statt der Gebärdensprache beizubringen. Zum einen, so die Schulleiterin, weil es keine einheitliche Gebärdensprache, selbst international nicht gibt, und zum anderen das unmittelbare Lebens- und Familienumfeld der Kinder selten die Gebärden kennt und sie sich so jederzeit in der Gesellschaft zurechtfinden können. Der Unterricht findet mittels der staatlichen Lehrbücher statt. Das ist keine Nebensächlichkeit, denn ansonsten wäre kein staatlich anerkannter Schulabschluss möglich. Soweit möglich, wechseln lernbehinderte Kinder mitunter auf reguläre Schulen und werden hier durch Sozialarbeiter(innen und Lehrer(innen) weiter betreut. Weiterlesen